Zu Hause auf engstem Raum aufeinander hocken – in manchen Familien kann das die Hölle bedeuten. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) rechnet angesichts der derzeitig geltenden Ausgangsbeschränkungen mit einer Zunahme häuslicher Gewalt. Dass momentan viele Menschen daheim seien und Familienmitglieder sehr viel Zeit auf engem Raum miteinander verbrächten, könne zu einer Verschärfung von Konflikten führen. Ähnliche Befürchtungen haben auch Beratungsstellen in der Region geäußert.
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"Wir haben erfahren, dass in anderen Ländern, in denen solche Maßnahmen schon ergriffen wurden, die Fälle häuslicher und sexualisierter Gewalt gegen Frauen gestiegen sind", sagt Elisabeth Kirchner von der Beratungsstelle Wildwasser in Würzbug. Damit müsse man ihrer Ansicht nach auch in Deutschland rechnen. Allein in Wuhan, in der Stadt, in der das Coronavirus zuerst ausbracht, seien die Hilferufe extrem in die Höhe geschnellt. Auch aus Italien und Spanien, wo bereits seit langerem Ausgangssperren bestehen, gibt es ahnlich erschreckende Zahlen.
"Wir haben noch keinen signifikanten Anstieg der Anfragen – was aber nicht erstaunt", sagt Kirchner. Denn die von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen seien mit Beginn der Gewalt zunächst schockiert, viele hoffen, "das war ein Ausrutscher". Andere suchten die Schuld bei sich: "Ich hätte nichts sagen dürfen…“ Genau deshalb brauchten diese Fauen die Botschaft: Gewalt ist immer unrecht! "Sie dürfen sich Hilfe holen – und sollen Informationen bekommen, wo das möglich ist", sagt Kirchner.
"Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die von Gewalt im direkten sozialen Umfeld betroffen sind, kann die aktuelle Situation bedeuten, Tätern ständig ausgeliefert zu sein", sagt Kirchner. Während das Gewaltrisiko steigt, würden Verletzungen von Betroffenen jetzt weniger auffallen, weil sie nicht mehr in die Schule, zur Arbeit oder in den Sportverein gehen. "Und die betroffenen Frauen und Kinder haben weniger oder kaum Möglichkeiten, auch nur vorübergehend sichere Orte oder Menschen aufzusuchen." Hinzu komme, dass auch Frauen oder Jugendliche, die nicht mehr in der Gewaltsituation leben, durch die Einschränkungen verstärkt in Not geraten. Das Gefühl des Eingesperrtseins, weniger Möglichkeiten zu haben, sich bei schwierigen Gefühlen abzulenken, oder der Wegfall gewohnter Unterstützungsmöglichkeiten lösen dies aus. "Wichtig ist, sich Unterstützung zu suchen und damit nicht allein zu bleiben", erklärt Kirchner. Die meisten Beratungsstellen sind online oder telefonisch weiterhin erreichbar (siehe Infokasten am Ende des Artikels). "Nach Absprache beraten wir im Einzelfall auch persönlich", sagt Kirchner.
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„Gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder müssen auch weiterhin und gerade jetzt zuverlässig Hilfe erhalten“, sagt Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner (CSU). Das bedeutet: Selbstverständlich können von Gewalt betroffene Persoen trotz der geltenden Ausgangsbeschränkungen die eigene Wohnung verlassen, um Hilfsangebote aufzusuchen. In solchen Notfällen sei es auch erlaubt, eine Freundin oder die Eltern aufzusuchen.
Nach Angaben von Petra Müller-März, Gleichstellungsbeauftragte für die Stadt Würzburg, gibt es für Frauen in Not einen Notfallplan. "Federführend erstellt von den Frauenhäusern, in Zusammenarbeit mit den für diese Situation erforderlichen Kooperationspartnern. Dieser Notfallplan beinhaltet die Versorgung wie auch die Unterbringung betroffener Frauen und Kinder", sagt Müller-März. Carmen Schiller, die Gleichstellungsbeauftragte für den Landkreis Würzburg, will sich dafür einsetzen, dass Ferienwohnungen oder Hotels für Schutzräume angemietet werden. "Wir sind gerade dabei, ein Konzept auszuarbeiten", sagt sie. Viele Ventile wie die Arbeit und Arbeitskollegen, der Konakt mit Freunden oder Sport, fallen durch die Ausgangseinschränkungen weg. Das Frauenhaus Main-Rhön in Schweinfurt ist derzeit noch nicht voll belegt. "Wir haben aktuell noch drei Wohnungen für Frauen mit ihren Kindern frei", sagt Dagmar Flakus, Geschäftsführerin des Frauenhauses in Schweinfurt. "Wir sind uns sicher, dass in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen die Spannungen in den Familien steigen - und damit auch die häusliche Gewalt. Wir werten die aktuelle Situation als Ruhe vor dem Sturm", so Flakus.
Die Psychologin Heike Richartz vom Evanglischen Beratungszentrum in Würzurg rät Paaren, wenn es zu Konfikten kommt, sich verstärkt gegenseitig in Ruhe zu lassen und sich aus dem Weg zu gehen. "Rausgehen ist auch erlaubt", so Richartz. Dennoch befürchtet sie, dass nun Aggressionen und auch Depressionen zunehmen werden.
Corona-Zeiten sind besondere Zeiten – alles was sich in Ihnen, zuhause und im Zusammenleben ansammelt oder „hochkocht“ kann mit uns besprochen werden. Sie sind nicht allein! Die Frauenberatung im Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Würzburg bietet zusätzlich eine offene Sprechstunde für Frauen zur Entlastung an, Mittwoch von 11 – 12.30 Uhr und Donnerstag von 14 – 15.30 Uhr.
Selbstverständlich können Sie auch einen Telefontermin mit uns vereinbaren. Freie Termine erfahren Sie über unser Sekretariat zu den Öffnungszeiten: Mo-Fr von 9.30 – 12.30Uhr und Mo, Mi und Do von 13.30 – 16 Uhr. Telefon 0931/450070 homepage: www.skf-wue.de
Viele Grüße und bleiben Sie alle gesund!