zurück
Würzburg
Tausende Beratungstermine für Wildwasser-Mitarbeiterinnen
Der Verein Wildwasser engagiert sich seit 30 Jahren in Unterfranken gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen. 2018 meldeten sich erneut mehr Betroffene.
Jedes Jahr schwimmen in Würzburg tausende Badeenten im Main um die Wette von der Alten Mainbrücke den Fluss hinunter. Der Erlös dieser Aktion kommt dem Verein Wildwasser Würzburg zugute, der sich gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen engagiert.
Foto: Daniel Peter | Jedes Jahr schwimmen in Würzburg tausende Badeenten im Main um die Wette von der Alten Mainbrücke den Fluss hinunter.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:57 Uhr

Seit 30 Jahren gibt es Wildwasser, den Würzburger Verein gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen. Beratung, Krisenintervention, Therapie, Selbsthilfe, Verdachtsabklärung, rechtliche und allgemeine Informationen sind unter anderem die Angebotsfelder. Hilfe suchen vor allem von Gewalt Betroffene und deren Angehörige aus Würzburg und dem Landkreis Würzburg. Doch nicht nur. Das hauptamtliche Team aus derzeit sieben Frauen erreichen auch einige Anfragen aus ganz Unterfranken. "Wir haben tausende Beratungstermine innerhalb eines Jahres", sagt Geschäftsführerin Antje Sinn.

Rückblickend auf 2018 gingen 429 Erstanfragen ein, informiert Sinn bei der Vorstellung des Jahresberichts. Im Jahr 2017 waren es 415. In 365 Fällen fand den Angaben zufolge Beratung und therapeutische Begleitung statt, wobei 71 Fälle aus dem Jahr 2017 weitergeführt wurden. In 38 Prozent der Fälle seien es Betroffene selbst gewesen, die sich bei Wildwasser direkt gemeldet haben; etwa ein Drittel der Anfragen sei von Fachleuten gekommen, vorwiegend psychosoziale Fachkräfte aus Schulen, Flüchtlingshilfe, Wohneinrichtungen und Beratungsstellen.

Susanne Porzelt ist Beraterin beim Verein Wildwasser. 
Foto: Pat Christ | Susanne Porzelt ist Beraterin beim Verein Wildwasser. 

Mehr Betroffene trauen sich Hilfe zu holen

Der ständige Zuwachs an Hilfesuchenden beziehungsweise Erstanfragen lässt sich nicht darauf zurückführen, dass es mehr Gewalterfahrungen wie sexuellen Missbrauch, Vergewaltigungen oder  häusliche Gewalt gibt. Vielmehr würden sich mehr Betroffene trauen Hilfe zu holen, informiert Wildwasser-Mitarbeiterin Susanne Porzelt. Für viele Frauen sei dies eine große Hürde, denn Gewalt, vor allem sexuelle, sei nach wie vor ein von Scham- und Schuldgefühlen besetztes Thema, so Porzelt. Umso mehr freut sich das Wildwasser-Team, "dass so viele Mädchen und Frauen uns ihr Vertrauen schenken konnten".

Bei den Gewaltformen gab es deutliche Veränderungen gegenüber 2017: Vor allem hat sich den Angaben zufolge 2018 die Zahl der Frauen erhöht, die sich wegen sexuellen Missbrauchs gemeldet haben: von 122 (2017) auf 158 (2018). Aber auch bei körperlicher (von 66 auf 85) und seelischer Gewalt (von 38 auf 68) hätten die Fallzahlen auffallend zugenommen. Seelische Gewalt drückt sich laut Susanne Porzelt durch Bedrohungen, Beleidigungen oder Demütigungen aus. Damit soll "Kleinsein" erzeugt werden.

Meist nennen Betroffene Täter aus dem sozialen Nahbereich

Auch beim Thema Vergewaltigung registriert der Verein im Jahr 2018 Veränderungen. "Wir sehen hier einen Anstieg der (Ex-)Ehemänner und (Ex-)Partner", so die Wildwasser-Mitarbeiterinnen. Diese wurden 2017 von einem Drittel der Frauen als Täter beschuldigt. 2018 waren es 42 Prozent.

Bei sexuellem Missbrauch kommen die Täter den Angaben zufolge ebenfalls meist aus dem sozialen Nahbereich. In 69 Prozent der Fälle wurden Familienangehörige angegeben: vor allem Väter. Unter den Beschuldigten gab es auch 13 (Stief-)Großväter – und zwei Mütter.

Zu den Aktivitäten insgesamt in 2018 hoben die beiden Wildwasser-Mitarbeiterinnen unter anderem das von der World Childhood Foundation geförderte Schutz- und Hilfe-Projekt gegen sexuelle Gewalt an Flüchtlingskindern hervor. Es sei nun ausgelaufen, habe aber zu neuen Aufgaben geführt, so Porzelt. Des Weiteren wurden die Empfehlungen für Fachkräfte zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen erneut vorgestellt. Sie wurden vom Arbeitskreis "Berufsgruppe gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen Würzburg" erarbeitet, in dem Wildwasser seit Jahren aktiv ist.

Der Verein ist auf Unterstützung angewiesen. Eine "große Einnahmequelle" sei das jährlich stattfindende Entenrennen. Diese laut Antje Sinn "charmante Idee, Leute auf das Thema hinzuweisen und zu sensibilisieren" sei auch 2018 sehr erfolgreich gewesen.

Information und Kontakt: Der Verein Wildwasser Würzburg, Kaiserstraße 31, ist telefonisch erreichbar unter (0931) 13287 und per E-Mail unter: info@wildwasserwuerzburg.de. Mehr Informationen im Internet: www.wildwasserwuerzburg.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Christine Jeske
Beratungstermine
Flüchtlingskinder
Frauen
Gewalt
Mädchen
Mütter
Sexualdelikte und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Sexualität
Verbrecher und Kriminelle
Vergewaltigung
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top