Die Corona-Krise fordert Eltern und Kinder heraus: Die Schulen, Kitas und Krippen sind für mindestens fünf Wochen geschlossen. Auch das Sporttraining, der Musikunterricht und andere Beschäftigungen am Nachmittag fallen aus. Die Spiel- und Sportplätze sind auch gesperrt. Die meisten Eltern haben aber nicht frei, sondern arbeiten im Homoffice von zu Hause aus. Dass es dabei zu Konflikten kommt, ist programmiert. Was können Eltern und Kinder tun, um diese besondere Zeit sinnvoll zu nutzen? Claudia Ruhe ist Sozialpädagogin am Amt für Jugend und Familie am Landratsamt in Würzburg. Sie hat viele Tipps für Eltern in dieser schwirigen Situation.
Claudia Ruhe: In dieser Situation durchgehend zu arbeiten, das wird keinem gelingen. Wie lange sich ein Kind selbst beschäftigen kann, kommt auf das Alter an. Ein Dreijähriger wird immer wieder wichtige Anliegen haben und die Arbeit unterbrechen. Die meisten Kindergartenkinder können noch nicht über einen längeren Zeitraum alleine spielen. Gönnen Sie sich und den Kindern deshalb immer wieder Pausen. Es ist wichtig, dass die Kinder Aufmerksamkeit bekommen. Lassen Sie sich von den Kindern zeigen, was sie gemalt oder geschrieben oder gespielt haben. Loben Sie die Kinder, dass sie so toll selbständig arbeiten. Bei Kindern in Grundschulalter kann man verlangen, dass sie sich mal eine Stunde alleine beschäftigen.
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Ruhe: Man muss seine Arbeit anders einteilen, als man das gewohnt ist. Die Kinder brauchen eine Struktur und die müssen wir als Erwachsene ihnen vorgeben. Bei uns zum Beispiel beginnt morgens um 9 Uhr der Unterricht. Dann machen die Kinder eine halbe Stunde Deutsch und eine halbe Stunde Mathe, dazu stellen wir jeweils die Eieruhr. Wir machen dann gemeinsame Pause mit Obst und Bewegung: Rückwärts um den Tisch laufen, unter dem Stuhl durchkriechen oder ein paar Hampelmänner. Das ist für alle eine gute Unterbrechung.
Ruhe: Man sollte die Belastung keinesfalls unterschätzen. Jeder braucht mal eine Auszeit. Daher ist es wichtig, kleine Inseln für sich selbst zu schaffen. Ideal ist es, wenn man sich als Paar mit der Kinderbetreuung abwechselt und sich tageweise oder stundenweise entlastet. Vielleicht nützt man die Alleine-Zeit für einen Spaziergang oder man geht joggen oder man liest einfach Zeitung auf einer Parkbank. Man kann sich kleine Rituale im Alltag schaffen, zum Beispiel immer um 15 Uhr gemeinsam eine Tasse Tee oder Kaffee trinken. Wichtig ist, dass man sich nicht den ganzen Tag auf den Keks geht. Da ist man als Eltern richtig gefordert.
Ruhe: Etwa zwei bis drei Stunden pro Tag sollten sich Kinder bewegen. Auch in der Wohnung sollte man Bewegungsanreize bieten. Das heißt: Stellen Sie die Möbel zur Seite, legen Sie Matten oder Matrazen aus, machen Sie die Musik an und tanzen Sie gemeinsam durch die Wohnung. Man könnte auch Stopptanz machen oder Luftballons aufblasen und damit spielen. Möglich ist auch eine Schnitzeljagd durch die Wohnung.
Ruhe: Wir haben zum Glück die Weinberge vor unserer Haustür. Dort kann man richtig lange Strecken laufen oder man fährt mit dem Roller, Fahrrad oder Laufrad. Wer ein Auto hat, kann in die Wälder gehen. Aber bitte alleine! In der Natur gibt es gerade viel zu beobachten. Alles wächst und blüht. Man kann zum Beispiel eine Kamera mitnehmen und die Kinder Fotos machen lassen. Der Kontakt zur Natur stärkt auch das Immunsystem und entspannt. Es gibt auch tolle Apps zum Thema Natur.
Ruhe: Der Naturschutzund bietet eine App, mit der man Vogelstimmen und Pflanzen erkennen, sowie Schmetterlinge und Käfer bestimmen kann. Mit der App "Die Waldfibel" vom Bundeslandwirtschaftsministerium können Nutzer etwa die Höhe eines Baums messen oder sich mit einer Panoramakarte auf einen Spaziergang begeben und die unterschiedlichen Waldbewohner aufspüren.
Ruhe: Bei den Null- bis Dreijährigen sollte möglichst auf Mediennutzung verzichtet werden. Das Gehirn kann das nicht wirklich gut verarbeiten und die Kinder werden eher aufgedrehter und unruhiger. Kindergartenkinder dürfen etwa eine halbe Stunde vor dem Bildschirm sitzen, vertraute Filmchen oder Sendungen können sie schon auch mal allein anschauen, ansonsten aber gilt, Kinder nicht ohne Begleitung vor die Medien setzen. Grundschulkinder können ein- bis zwei Stunden an Tablet oder andere Geräten, hier kann es auch Ausnahmen geben, wichtig sind Medienpausen. Vereinbaren Sie Regeln und schauen sie was ihre Kinder am Tablet oder im Internet machen. Es darf auch durchaus von Ihrem üblichen Mediennutzungsverhalten abweichen – erläutern Sie Ihren Kindern die Ausnahmen. Tolle Tipps und auch aktuelle Empfehlungen finden Sie bei der Initiative "Schau hin".
Ruhe: Draußen spielen! Am Bach, im Wald auf der Wiese. Vielleicht bauen Sie mit Ihrem Kind eine Murmelbahn aus Klopapierrollen, da haben wir im Moment ja alle reichlich davon. Alte Spiele wie Seilhüpfen, Gummitwist, Fangen, Verstecken oder Schwarz-Weiß erfahren jetzt eine Renaissance. Wir haben heute schon einen Brief an die Großeltern geschrieben.
Ruhe: Schön ist es, das Wochenende gemeinsam mit der Familie zu planen. Wir starten Samstag und Sonntag mit einem schönen Frühstück. Wir backen zum Beispiel Waffeln oder einen Kuchen. Wir zelebrieren das Essen ein bisschen mehr als sonst. Für den Abend kann man ein Menü planen. Hier können die Kinder viel selbst- und mitgestalten. Auch Ausflüge sind, so lange man raus darf, noch möglich. Planen Sie eine kleine Wanderung oder eine Fahrradtour mit den Kindern. Im Wald kann man sehr gut Blinde Kuh spielen. Spaß macht es auch, gemeinsam im Garten oder auf dem Balkon zu arbeiten. Man kann jetzt Kräuter oder Salat anpflanzen und den Kindern die Verantwortung dafür zu übergeben. Jeden Tag ein Foto vom Wachsen der Pflanzen, kann ein spannendes Medienprojekt sein. Passend zur Jahreszeit kann man Ostereier färben, Osterlämmer backen oder Osterhasen falten.
Ruhe: Ich glaube schon, wenn es uns gelingt, das Ganze nicht zu negativ zu betrachten. Man kann nur von einem Tag zum nächsten planen. Jede langfristige Planung ist hinfällig. Kinder leben sowieso im hier und jetzt, für sie ist die Umstellung nicht so groß. Struktur und Rituale sind in dieser Zeit wichtig und geben nicht nur den Kindern Sicherheit.