
"Schulen und Kitas bleiben in Bayern geöffnet" - das verkündeten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und auch Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) immer wieder. Jetzt müssen alle weiterführenden Schulen im Freistaat auf Wechsel- oder Hybridunterricht umstellen: eine Hälfte der Klasse ist an der Schule, der Rest lernt – bestenfalls live – von zuhause aus mit. Etwa 640 000 Schüler oder 40 Prozent aller Schüler betrifft diese neue Regelung. Was bedeutet das für Schüler, Lehrer und Familien?
Nachdem das Homeschooling während des ersten Lockdowns im Frühjahr an vielen Schulen noch nicht so gut funktionierte, haben einige Schüler und Eltern jetzt Sorge. Und viele Fragen sind auch an den Schulen noch offen. Was ist der Stand und was gilt ab diesem Mittwoch? Antworten geben Sprecherin Maria Scherr vom bayerischen Kultusministerium und Tobias Oelbaum von der Elterninitiative "Familien in der Krise". Die bundesweit aktive Initiative gründete sich im Zuge der Corona-Krise mit dem Ziel, auf die Bedürfnisse von Familien, Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen und sie ins Zentrum politischer Entscheidungen zu rücken.
Kultusministerium: Ab Mittwoch, 9. Dezember, wechseln an den allgemeinbildenden Schulen die Klassen ab Jahrgangsstufe 8 je nach 7-Tage-Inzidenzwert in den Wechselunterricht oder in den Distanzunterricht. Alle beruflichen Schulen – mit Ausnahme der FOS/BOS und der Wirtschaftsschule – stellen komplett auf Distanzunterricht um. Im Präsenzunterricht bleiben die Jahrgangsstufen 1 bis 7, die Abschlussklassen und die Förderschulen.
Kultusministerium: Zum einen spielen nach den vorliegenden medizinischen Erkenntnissen Schüler in der entsprechenden Altersgruppe eine geringere Rolle im Infektionsgeschehen. Zum anderen sind pädagogische und betreuungsbezogene Überlegungen maßgeblich.
Kultusministerium: Für den Distanzunterricht gibt es – anders als zu Beginn der Pandemie – ein Rahmenkonzept, das auf den Erfahrungen und Rückmeldungen der Schulen aus dem Schuljahr 2019/2020 basiert. Der Distanzunterricht orientiert sich grundsätzlich am Stundenplan für den Präsenzunterricht. Jeder Tag beginnt mit einem (virtuellen) "Startschuss" – zum Beispiel mit einem "Guten-Morgen-E-Mail" oder einer Videokonferenz. Die Schüler sind zur aktiven Teilnahme am Distanzunterricht verpflichtet. Die von den Lehrkräften gestellten Arbeitsaufträge sind verbindlich. Die Lehrkräfte halten direkten Kontakt zu ihren Schülern, geben ihnen regelmäßig aktiv und kontinuierlich Rückmeldung und sind für die zu festgelegten Zeiten erreichbar.
Kultusministerium: Mündliche Leistungsnachweise können im Wechsel- und im Distanzunterricht erbracht werden. Schriftliche Leistungsnachweise dagegen können in den Klassen und Kursen, die sich im Wechselunterricht oder im Distanzunterricht befinden, bis Weihnachten nicht stattfinden. Details zu notwendigen Nachhol- oder Härtefallregelungen werden derzeit erarbeitet.
Kultusministerium: Angesichts der unverändert hohen Corona-Zahlen entfällt voraussichtlich bis Weihnachten an allen bayerischen Schulen der praktische Sportunterricht. Lediglich "sporttheoretische Inhalte" sollen weiterhin unterrichtet werden können. In den 11. und 12. Klassen an Gymnasien bleibt Sport unter Auflagen möglich.
Tobias Oelbaum: Distanz- oder Wechselunterricht benachteiligt als erstes diejenigen Schüler, die durch Elternhaus, Wohnort oder Herkunft ohnehin benachteiligt sind: Schüler, denen kein stabiles Internet und kein adäquates Endgerät zur Verfügung stehen, die keinen eigenen Raum haben, in den sie sich zurückziehen können, und die nur wenig Unterstützung durch die Eltern bekommen können. Zwingend berücksichtigt werden muss, dass über die erzieherisch-pädagogischen Aufgaben hinaus Schulen eine systemrelevante Bedeutung für die psychosoziale und psychomotorische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sowie deren Sicherheit und Unversehrtheit haben.
Oelbaum: Für alle Seiten ist der Wechselunterricht eine Mehrbelastung, natürlich auch für die Lehrer. Sie müssen Präsenzunterricht für die halbe Klasse leisten und auch noch die Kinder zu Hause betreuen. Für die Eltern bedeutet es ebenfalls Mehrarbeit, denn auch Achtklässler kann man nicht einfach den ganzen Tag alleine zu Hause sitzen lassen. Auch Jugendliche brauchen Betreuung und vielleicht auch Hilfe von den Eltern. Und noch immer sind nicht alle Schulen auf den Fernunterricht vorbereitet.
Oelbaum: Noch immer ist nicht jede Schule und jeder Haushalt mit WLAN ausgerüstet. Die versprochenen Geräte für die Schüler sind immer noch nicht flächendeckend vorhanden. Ganz schwierig wird das Konzept, wenn es mehrere Schüler in der Familie gibt, die das betrifft.
Kultusministerium: Beim Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht kann die Online-Übertragung des Unterrichts aus dem Klassenzimmer eine Möglichkeit darstellen, um die "Distanzgruppe" trotz räumlicher Trennung ins Unterrichtsgeschehen einzubinden. Viele Schulen haben bereits auf dieses Mittel zurückgegriffen. Dabei müssen alle notwendigen technischen, pädagogischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen berücksichtigt und in Einklang gebracht werden.
Kultusministerium: Mit dem Sonderbudget Leihgeräte des Freistaats werden die für die IT-Ausstattung zuständigen Kommunen bei der Beschaffung mobiler Endgeräte (Schülerleihgeräte) unterstützt. Inzwischen sind die verfügbaren 107,8 Millionen Euro voll bewilligt und die Geräte sind entweder bereits beschafft worden oder die Beschaffung ist im Gange. Die Schülerleihgeräte stehen Schülern zur Verfügung, die zu Hause über kein geeignetes digitales Endgerät verfügen und von coronabedingten Schulschließungen oder Wechselunterricht betroffen sind.