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Würzburg
Wassernotland Unterfranken: Müssen sich die Menschen in der Region zukünftig Sorgen um ihr Trinkwasser machen?
Grundwasserstände sinken besorgniserregend, Tage werden heißer, tropische Nächte nehmen zu: Wovor Klimaforscher Heiko Paeth warnt.
Tockene Böden in der Nähe von Dipbach. Der Wassemangel in der Bergtheimer Mulde wird hier einmal mehr offensichtlich.
Foto: Irene Konrad | Tockene Böden in der Nähe von Dipbach. Der Wassemangel in der Bergtheimer Mulde wird hier einmal mehr offensichtlich.
Irene Konrad
 |  aktualisiert: 03.08.2023 03:08 Uhr

Ernst war die Stimmung bei einer Podiumsdiskussion des Bundes Naturschutz rund ums Wasser, das immer knapper und wertvoller wird.  Moderator und Main-Post-Redakteur Thomas Fritz befürchtete gar, "dass alle nun vor lauter Sorge um das Klima in eine schlaflose Nacht gehen". "WasserNOTland Bayern – wohin steuern wir?", lautete das Thema, über das sich Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Politik austauschten. Gut 130 sachkundige und aufmerksame Gäste sind dazu ins Casino der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) gekommen.

Wie Klimaforscher Heiko Paeth die Zukunft sieht, wenn sich nichts ändert

Auf dem Podium standen Heiko Paeth, Klimatologe an der Universität Würzburg, die Landtagsabgeordneten Manfred Ländner (CSU) und Patrick Friedl (Bündnis90/Die Grünen), der unterfränkische Bezirkspräsident Stefan Köhler vom Bayerischen Bauernverband (BBV), Abteilungsleiter Alfred Lanfervoß von der Trinkwasserversorgung Würzburg und Andrea Angenvoort-Bayer, Kreisvorstandsmitglied BUND und aktiv in der Initiative Wasser am Limit.

Den "Klimawandel vor unserer Haustür" belegte Professor Paeth bei seinem Eingangsreferat. "Viel zu warm und viel zu trocken" sei es. "Wenn wir weiter business-as-usual machen, steigt die Jahresmitteltemperatur bis 2100 um 4,4 Grad Celsius", stellte er dar. Bei "etwas Klimaschutz" könnte diese Erwärmung "nur" 2,7 Grad betragen. Seit 1970 würden sich die Hitzetage kontinuierlich erhöhen. Jetzt sei er besorgt über "das völlig neue Phänomen der Tropennächte in Unterfranken".

Edith Sachse von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Zukunftsinitiative Land(wirt)schaft fordert staatliche Stellen, die sich mit der Anpassung der Landwirtschaft und Landschaft, mit Renaturierung und Agroforst beschäftigen. Sie sei 'in großer Sorge' um das Grundwasser.
Foto: Irene Konrad | Edith Sachse von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Zukunftsinitiative Land(wirt)schaft fordert staatliche Stellen, die sich mit der Anpassung der Landwirtschaft und Landschaft, mit ...

"Wenn wir so weiter machen, werden wir in der Stadt über 20 und auf dem Land fünf bis sieben Tropennächte pro Jahr mit 20 Grad haben", warnte der Wissenschaftler. Er sprach von Dürre- und Trockenperioden, Starkniederschlägen und seltener werdenden 24-Stunden-Regentagen, der Verdunstung bei Hitzewellen, fehlendem Schlafkomfort, der Kühlleistung von Bäumen und dem Vermessen des Würzburger Stadtklimas an Messstellen vom Marktplatz bis Gerbrunn.

Wasser aus dem Bodensee überzuleiten - CSU Landtagsabgeordneter Ländner hält das für Nonsens

Ähnlich besorgniserregend sind die Grundwasserstände. Nachweislich sei der stetige Rückgang des Grundwasserspiegels seit dem Jahr 2000, erklärte Alfred Lanfervoß. "Es fehlen gigantische Wassermengen. Wir sorgen uns bei der Trinkwasserversorgung, wie wir unsere regionalen Verhältnisse sichern können."

"Was ist uns das Wasser wert?" Lanfervoß ist froh, wenn die WVV den Preis von 2,60 Euro pro Kubikmeter halten kann, aber "über den Wasserpreis dürfe nachgedacht werden". Industrie und Landwirtschaft können in Bayern Grundwasser kostenfrei entnehmen. Seit Jahren fordern die Grünen einen Wassercent, wie er in 13 von 16 Bundesländern bereits erhoben wird. Für Bayern sollte diese Abgabe bereits 2021 eingeführt werden, zumindest hatte das Ministerpräsident Söder in einer Regierungserklärung gesagt. Passiert ist aber bislang nichts. Für den Landtagsabgeordneten Manfred Ländner "ist es so gut wie beschlossen, dass der Wassercent kommt". 

Ländner setzt auf digitale Wasseruhren, um zu sehen, wieviel Wasser Haushalte, Industrie und  Landwirtschaft verbrauchen. Wasser vom Bodensee überzuleiten, wie es jüngst Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber vorgeschlagen hat, ist "absoluter Nonsens", der Überlauf vom Brombachsee dagegen ein Gewinn. "Was wir brauchen ist eine vernünftige Wasserwirtschaft mit Rückhaltesystemen den ganzen Main entlang", sagte Ländner.

Beim Wasserschutzgebiet Zeller Quellen ist Eile geboten

Auf "saubere Datengrundlagen für das Trink- und Bewässerungswasser" baut auch Patrick Friedl. Er möchte mit konkreten Maßnahmen vorwärts kommen, weiß aber auch, dass ordnungsgemäße Verfahren und Finanzierungen nötig sind. In den Behörden fehle das Fachpersonal. Friedl sieht Chancen bei der Flächenentsiegelung, Moor-Renaturierung oder größeren Wasserschutzgebieten.

"Wir müssen mit der Versiegelung der Böden aufhören."
Stefan Köhler, Bayerischer Bauernverband

Zur Ausweitung des Wasserschutzgebiets der Zeller Quellen mit der Problematik, das hier auch Gips abgebaut werden soll, ist Lanfervoß ständig im Austausch mit dem Landrat. "Wir reichen nun unserem Antrag eine weitere Erklärung nach", ist er zuversichtlich, dass nun die nächsten Verfahrensschritte für das 66 Quadratkilometer große Wasserschutzgebiet kommen. Schließlich sei Eile geboten. "Wir bewegen uns auf einen Notstand hin", sieht er Handlungsbedarf.

Bei der Podiumsdiskussion zum Thema Wassernotstand Bayern (von links): Alfred Lanfervoß, Stefan Köhler, Manfred Ländner, Andrea Angenvoort-Baier, Patrick Friedl, Heiko Paeth und Moderator Thomas Fritz.
Foto: Irene Konrad | Bei der Podiumsdiskussion zum Thema Wassernotstand Bayern (von links): Alfred Lanfervoß, Stefan Köhler, Manfred Ländner, Andrea Angenvoort-Baier, Patrick Friedl, Heiko Paeth und Moderator Thomas Fritz.

Bauernverbandspräsident Köhler betonte, dass die Landwirtschaft schon immer bereit sei, ihren Beitrag am Grundwasser- und Umweltschutz zu leisten. Jeder müsse sich Gedanken machen, ob es noch sinnvoll sei, mit Trinkwasser Pools zu füllen, das Auto zu Waschen oder die Toiletten zu spülen. Für seinen Appell, "Wir müssen mit der Versiegelung der Böden aufhören", bekam er Applaus.

Bund Naturschutz kritisiert, dass es keine Anlaufstellen bei Behörden gibt

BUND-Mitglied Angenvoort-Baier sprang dem Interessenvertreter der Landwirte bei. Sie wisse, dass es "durchaus vernünftige Landwirte gibt, die sich umstellen und kreative Maßnahmen zum Wassersparen ergreifen". Viele Menschen wären auf einem guten Weg, den Ackerboden als Multitalent zu schätzen und wieder Hecken zu pflanzen. Aber es gebe "solche und solche" und es fehle ihr grundsätzlich eine Anlaufstelle bei den Behörden.

Über den guten Besuch und das kräftige Mitdiskutieren freuten sich Steffen Jodl und Armin Amrehn vom Bund Naturschutz. Sie plädierten dafür, dass die Verantwortlichen endlich aus der Diskussionsphase in die Umsetzungsphase kommen müssten - parteiübergreifend. 

 
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  • Kathrin May
    Wasser schützen ist Flächenfraß stoppen!
    Wasserkreislauf, Grundwasser wird gespeichert und gefiltert: Auf unversiegelten Ackerland, Grünland.
    Wasser das über Gewerbegebiete auch mit Rasengitterstein in den Kanal abfließt ist im Main ,dann im Meer und nicht bei uns vor Ort im Grundwasser.
    Landwirtschaft wird so und durch Handelsabkommen aus Deutschland vertrieben.
    Alternativen zum Ackerbau ,Gewerbe Industrie und was weiß ich alles auf dem Boden gepflanzt "erschlossen" wird ist keine Lösung.

    Verbuschung,verwilderung Renaturierung: wer regional der Landwirtschaft die Flächen raubt verdrängt den
    Arbeitsplatz Landwirt und die vor und nachgelagerten Berufe .
    Abhängigkeit statt unabhängig regional Ressourcen schonend agieren ,ist der unwiederbringliche Teufelskreis.
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  • Felix Habermann
    @Ralf Eberhardt
    Hier gebe ich in allen Punkten recht ! ! !
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  • Ralf Eberhardt
    Vielen Dank an die Main-Post, namentlich an Frau Konrad, für die effektive Arbeit am Thema Wasser. Vor noch nicht allzu langer Zeit hat sich kaum jemand dafür interessiert. Nun ist das Thema endlich auf der Tagesordnung -sogar im bayerischen Landtag, wenn auch mit den typischen Zungenschlägen der einzelnen Parteien. Aber es ist in München angekommen. Und das ist gut so!
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