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Würzburg
Was tun gegen Jugendkriminalität bei Flüchtlingen?
Für straffällig gewordene junge Flüchtlinge gibt es in Würzburg ein Wald-Projekt. Aber wie werden diese Jugendlichen noch dabei unterstützt, nicht kriminell zu werden?
Steffen Siegel kümmert sich im Sozialreferat der Stadt Würzburg seit vielen Jahren um Hilfe für straffällig gewordene Jugendliche.
Foto: Thomas Obermeier | Steffen Siegel kümmert sich im Sozialreferat der Stadt Würzburg seit vielen Jahren um Hilfe für straffällig gewordene Jugendliche.
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:00 Uhr

Steffen Siegel leitet die sozialpädagischen Fachdienste im Würzburger Jugendamt. Der 61-Jährige und seine Mitarbeiter unterstützen Jugendliche, die Hilfe brauchen. Zum Beispiel junge unbegleitete Flüchtlinge, die straffällig geworden sind.      

Die städtische Jugendhilfe in Strafverfahren hat im vergangenen Jahr 772 Jugendliche in Ermittlungs- und Strafverfahren betreut. Über zwei Drittel davon waren Ausländer oder Deutsche mit Migrationshintergrund. Welche Straftaten haben diese 14- bis 20-Jährigen begangen?    

Steffen Siegel: Generell überwiegen in der Jugendkriminalität kleinere Delikte mit geringeren Schäden. Zwei Drittel unserer Fälle kommen gar nicht vor Gericht. Das ist bei den Migranten nicht anders. Bei ihnen geht es häufig um Körperverletzungen und Diebstahl und die Opfer sind oft ebenfalls Flüchtlinge. Es gab 2018 aber leider auch einzelne schwerere Fälle, von Raub- und Körperverletzungen. Eine kleine Gruppe junger Flüchtlinge war ins Drogengeschäft eingestiegen.      

Im Bericht an den Stadtrat klingt das besorgniserregend. Sie erklären da, dass Flüchtlinge überrepräsentiert sind. Was sagt die Statistik genau?

Siegel: 169 von 772 mutmaßlichen Tätern zwischen 14 und 20 Jahren waren in Würzburg junge Geflüchtete und zwar überwiegend junge Männer, die alleine geflohen waren. Das sind 22 Prozent aller Fälle der Jugendgerichtshilfe. Gleichzeitig ist ihr Anteil an der Bevölkerung gering. Ich schätze  von uns betreute junge Flüchtlinge machen etwa ein Prozent der zwischen 14 und 20 Jahre alten Würzburger aus.   

Wie erklären Sie sich das?

Siegel: Die Gründe sind vielfältig. Zum einen fehlt vielen Jugendlichen, die alleine geflohen sind, die Familie, beziehungsweise die Mutter, die ihnen fürsorglichen aber auch regulativen Halt gibt. Zum anderen kommen viele aus Kulturen, in denen Männlichkeit und das Wiederherstellen von gekränkter Ehre eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns. Eine vermeintliche Beleidigung muss da sofort gesühnt werden. Andere haben unmenschliche Dinge bei ihrer Flucht erlebt. Ein anderer Grund ist sicher auch die fehlende Beschäftigung. Wenn junge Männer nicht arbeiten dürfen und fürchten müssen, wieder abgeschoben zu werden, benehmen sie sich anders, als wenn sie einen Job haben, der ihnen eine Perspektive gibt.        

Zwei Drittel der Jugendstrafverfahren werden eingestellt, manchmal gegen Auflagen wie Sozialstunden. Wie klappt diese Maßnahme mit Geflüchteten?  

Siegel: Weil es schwierig war, gemeinnützige Arbeitsstellen für sie zu finden, haben wir 2017 gemeinsam mit der Justiz ein Wald-Projekt für junge Migranten auf die Beine gestellt. Dabei werden die Jugendlichen in kleinen Gruppen von einem Forstwirt angeleitet und von einer Sozialpädagogin betreut. Das klappt hervorragend. Den Jugendlichen macht die Arbeit so viel Spaß, dass einige nach dem Ableisten ihrer Sozialstunden freiwillig weiter machen wollten.      

Was kann man vorbeugend tun?      

Siegel: Minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge werden in Würzburg hervorragend betreut. Viele sind inzwischen volljährig und verlassen die Jugendhilfe, aktuell begleiten wir 33 bei diesem nicht ganz leichten Übergang. Wenn Jugendliche trotzdem straffällig werden, gibt es genauso wie bei Deutschen verschiedene Hilfsmöglichkeiten. Zum Beispiel ein intensives, sechsmonatiges Anti-Gewalt-Training. Oder die Einzelbetreuung durch Sozialpädagogen mit dem Ziel, eigenverantwortliches Verhalten zu lernen. Dabei geht es um praktische Hilfe, etwa Bewerbungen schreiben oder Anträge ausfüllen, aber auch um Unterstützung, um von Drogen weg zu kommen oder Zuverlässigkeit zu lernen.     

Von 2017 bis 2018 ist der Anteil an Flüchtlingen bei der Jugendkriminalität von 14 auf 22 Prozent gestiegen. Was erwarten Sie für die Zukunft?

Siegel: Im Moment kommen ja kaum noch unbegleitete Flüchtlinge. In der Spitze 2016 gab es in Würzburg 150 Plätze für unbegleitete Jugendliche. 2018 waren es 64. Derzeit sind es noch 45. Über die Schwierigkeiten derer, die schon da sind, haben wir gesprochen. Man darf nicht erwarten, dass Integration sofort gelingt, nur weil es Geld und Sprachkurse gibt. Über die individuellen Schwierigkeiten haben wir schon gesprochen. Ich bin aber optimistisch, weil 95 Prozent aller Jugendlichen, die einmal auffällig bei der Polizei waren, brave Bürger werden. Das Risiko kriminell zu werden ist zwischen 18 und 19 am höchsten, weil das eine schwierige Zeit im Leben ist. Ich gehe davon aus, dass das bei jungen Migranten nicht anders ist.   

Kann man die Situation mit der in den 1990er Jahren vergleichen, als hunderttausende Spätaussiedler nach Deutschland kamen und junge Russlanddeutsche häufig Schlägereien anzettelten und Diebstähle begingen?   

Siegel: Ja. Auch damals fielen junge männliche Zuwanderer bei Bandenkriminalität und Gewaltdelikten in unserer Statistik zahlenmäßig auf. Doch die allermeisten von Ihnen sind nicht in die Dauerkriminalität abgerutscht und haben sich gut integriert. 

Jugendgerichtshilfe
Minderjährige und Heranwachsende, gegen die wegen einer Straftat ermittelt wird, werden von Polizei, Staatsanwaltschaften oder Gerichten der kommunalen Jugendhilfe in Strafverfahren gemeldet. 2018 wurden in Würzburg 345 unter 18-Jährige und 427 zwischen 18- und 21-Jährige von den Sozialpädagogen der Jugendhilfe betreut. Dabei wird unter anderem geprüft, ob für den Jugendlichen oder jungen Volljährigen geeignete erzieherische Leistungen in Betracht kommen, die ein Absehen von der Strafverfolgung möglich machen (zum Beispiel  Vermittlung und Überwachung sozialer Arbeitsstunden, Besuch eines Sozialen Trainingskurses, Täter-Opfer-Ausgleich). Außerdem beraten die Sozialarbeiter die Jugendlichen im Verfahren, erstellen psychosoziale Diagnostik für das Gericht und betreuten junge Menschen während der Haft.   
 
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Kommentare
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  • mla
    Was für ein Unsinn. Jugendliche, nicht nur Migranten, sind nun mal noch nicht so an Regeln angepasst, wie an Unterdrückung gewohnte, abgestumpfte und resignierte Erwachsene. Da muss man gar nichts tun, die meisten werden schon durch die soziale Kontrolle und den damit verbundenen gruppendynamischen Druck auf Spur gebracht. Der Rest macht halt Knastkarriere.
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  • mhm
    Guten Morgen, vielen Dank für Ihren Beitrag. Wie kommen Sie denn auf die Kosten von 100.000 Euro? Ohne Beleg können wir den Beitrag leider nicht veröffentlichen. Viele Grüße und einen schönen Tag wünscht Tobias Köpplinger, Main-Post
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  • Helmut_Faul_HF2017
    Was man tun kann ? Ganz einfach:

    Die Stadt sollte z.B. nicht dem Bündnis "Sichere Häfen" beitreten, welches nichts anderes bedeuten würde, als freiwillig noch mehr Flüchtlinge in Würzburg aufzunehmen als man eigentlich per Zuweisung ohnehin muss.
    Und wie wir heute der Mainpost entnehmen können, sind "Flüchtlinge" bei der Kriminalität in unserer Stadt deutlich überrepräsentiert.
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