Kulturelle Vielfalt ist ein Markenzeichen heutiger Städte in Deutschland und Europa. In der Stadt Würzburg leben mittlerweile Menschen aus über 150 verschiedenen Ländern. Mehr als ein Viertel der Bewohner besitzt eine nichtdeutsche Herkunft. Die vorhandene Vielfalt politisch zu gestalten, gehört zu den strategischen Aufgaben einer jeden Kommune, "denn hier leben die Menschen, hier sind die Orte, an denen sie sich begegnen und arbeiten, ihre Kinder zur Schule gehen und sie ihr Leben gestalten", erklärt die Sozialreferentin der Stadt, Hülya Düber.
Mit ihrem Integrationskonzept bekennt sich die Stadt zur Vielfalt und begreift Migration als einen selbstverständlichen Prozess in der Gesellschaft. Sie sieht Migranten mit ihren unterschiedlichen Potenzialen vor allem als einen Gewinn und eine Chance für das gesamte Gemeinwesen. Gemeinsam mit Thomas Stolzenberg, Fachbereichsleiter für Integration, Inklusion & Senioren steht Hülya Düber im Interview mit dieser Redaktion Rede und Antwort zum neuen Konzept.
Frage: Warum braucht Würzburg ein Integrationskonzept?
Hülya Düber: Kurz gesagt, um unser aller Zusammenleben in unserer Stadt noch besser zu machen! Mittlerweile leben hier Menschen aus über 150 verschiedenen Ländern. Wenn wir in diesem Zusammenhang von „Integration“ in Würzburg sprechen, dann reden wir vor allem auch von der (Mit-) Gestaltung der kulturellen Vielfalt und der Entwicklung eines gemeinsamen „Wir“.
Thomas Stolzenberg: Hinzu kommt, dass Migration (Zu- und Abwanderung – d. Red.) in einer globalisierten Welt schlichtweg ein gesellschaftliches Faktum ist und auch in Würzburg die kulturelle Vielfalt weiter vorantreiben wird. Dazu sind Zukunftsthemen wie zum Beispiel der voranschreitende demografische Wandel oder der drohende verheerende Fachkräftemangel eng mit kommunaler Integrationspolitik verbunden. Hier gilt es, wertvolle Potenziale von Migranten für unsere Gesellschaft zu fördern und zu nutzen. Klar ist, dass Integration nicht verordnet werden kann. Diese ist immer ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, den wir alle gestalten müssen – Zuwanderer genauso wie die hier lebenden Würzburger. Und da hilft ein Plan, ein Konzept – eben ein Integrationskonzept.
Wie und wann kam die Idee dazu?
Düber: Die „Integrationsarbeit“ kann in Würzburg auf eine lange Tradition zurück blicken. Viele Akteure in der Würzburger Gesellschaft – Organisationen, Wohlfahrtsverbände, Vereine, Institutionen, Unternehmen, Interessengemeinschaften sowie einzelne Privatpersonen – haben sich seit Jahren aktiv eingebracht und die Integration von Migranten begleitet und gefördert. Wir im Sozialreferat haben zusammen mit diesen Akteuren über die Jahre hinweg erfolgreich Integrationsarbeit geleistet und von je her mit guten Ideen die gesellschaftliche Einbindung von Migranten in unserer Stadt befördert. Insofern war der Gedanke von konzepthafter Integrationsarbeit nicht ganz neu.
Stolzenberg: Dennoch hat dieser Gedanke mit dem Beschluss, ein Integrationskonzept für die Stadt Würzburg zu erstellen, eine neue Dimension erhalten. Ausgangspunkt ist ganz klar die große
Flüchtlingswelle, beginnend im Jahr 2015. Schnell war ersichtlich, dass hier ein großer Integrationsbedarf entstehen würde und dass es einer Bündelung und Steuerung aller Ressourcen in Würzburg bedürfe. Der Würzburger Stadtrat gab im Oktober 2015 das Integrationskonzept in Auftrag und schuf auch die neue Stelle einer Integrationsbeauftragten.
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Wie kann gelungene Integration aussehen und welche Faktoren sind dabei besonders wichtig?
Stolzenberg: Ab wann Integration „gelungen“ ist, kommt immer auf den Betrachter und die Perspektive an. Insofern ist es schwer, von „der einen gelungenen Integration“ zu sprechen. Fakt ist, dass Integration tagtäglich stattfindet. Wir könnten zahlreiche Beispiele von Migranten nennen, die wir über kurze und längere Zeit begleitet haben und die zum Beispiel heute mit beiden Beinen fest im Beruf stehen, sich in Vereinen engagieren, ein Studium aufgenommen haben, eine Familie gegründet haben und vieles mehr. All diesen Menschen ist es gelungen, an unserer Gesellschaft teilzuhaben.
Die Sozialwissenschaft spricht hier von erfolgreicher struktureller, sozialer und kultureller Integration. In anderen Worten: Alle, die in Würzburg eine Heimat gefunden haben und diese auch für sich selbst so erleben, sind integriert.
Sie haben im Integrationskonzept zwölf Leitlinien festgelegt. Was beinhalten diese unter anderem?
Düber: Integration nimmt gezielt die vorhandenen Potenziale der in Würzburg lebenden Menschen in den Blick. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise die gleichberechtigte Teilhabe an den gesellschaftlichen Kernstrukturen und Institutionen. Integration setzt an strukturellen Benachteiligungen, zum Beispiel im Bereich Wohnen, Arbeit und Bildung an.
Stolzenberg: Klar ist aber auch: Integration kann nicht von oben verordnet werden. Sie kann nur gelingen, wenn alle mitmachen, auch wenn das bedeutet, dass das gesellschaftliche Zusammenwachsen manchmal mit Konflikten behaftet sein kann. Die Anerkennung von rechtlichen Normen und demokratischen Werten ist in diesem Prozess als Grundvoraussetzung zu sehen. Deshalb bedeutet Integration für uns auch, entschieden gegen Diskriminierung und Rassismus vorzugehen.
Wie wichtig ist die neu geschaffene Stelle einer Integrationsbeauftragten?
Stolzenberg: Sehr wichtig. Unsere Integrationsbeauftragte der Stadt Würzburg ist das Bindeglied zu allen Akteuren. Sie verknüpft die Verwaltung, Verbände, Organisationen und die Zivilgesellschaft und nimmt stadtweit und übergreifend vernetzende Tätigkeiten wahr. Als eine Hauptaufgabe fördert sie die Integration der in Würzburg lebenden Einwanderer und entwickelt zusammen mit den „Stakeholdern“ (Anmerk. d. Red.: Interessengruppen) in Würzburg tragende Integrationsmodelle.
Wie sieht denn die Verteilung der Herkunftsländer in Würzburg aus?
Düber: Die Bevölkerungsentwicklung in Würzburg war immer wieder von Zuzügen geprägt. Hier sei nur an die Russlanddeutschen und Kontingentflüchtlinge erinnert, die in den 90er Jahren ihre neue Heimat in Würzburg fanden. Von den knapp 130 000 Einwohnern Würzburgs besaß Ende 2017 über ein Viertel (28 Prozent) einen Migrationshintergrund. In der Mehrzahl der Fälle (15,8 Prozent) handelte es sich hierbei um (mittlerweile) deutsche Staatsangehörige; nur etwa jeder Neunte (12,3 Prozent) hat ausschließlich eine ausländische Staatsbürgerschaft.
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Wie kann man sprachliche Hürden besser überwinden?
Stolzenberg: Die Grundsteine der Sprachentwicklung werden in früher Kindheit in der Familie gelegt. Dabei zeigt sich auch, dass Kinder, die ihre Muttersprache beherrschen, leichter Deutsch lernen. In der Schule kann daher eine abgestimmte Kombination von Deutschunterricht mit Mutter- bzw. Herkunftssprachenunterricht gewinnbringend sein. Auch im Jugend- und Erwachsenenalter benötigen Zugewanderte – neben einem allgemeinen Grundangebot – individuelle Förderungen auf unterschiedlichen Sprachniveaus.
Für wen speziell ist das Konzept – das sehr wissenschaftlich verfasst ist – als Lektüre gedacht?
Stolzenberg: Das Integrationskonzept ist grundsätzlich für alle Interessierte gedacht, da es auch unter Einbeziehung von verschiedensten Fachleuten (zum Beispiel Wohlfahrtsverbände, Sport, Kirchengemeinden und Religionsgemeinschaften) wie auch Menschen mit Migrationshintergrund zusammen mit SIM München (Sozialplanung und Quartiersentwicklung) erstellt wurde und sich somit Anteile für jeden finden lassen.
Düber: Das Konzept ist in seiner ersten Auflage noch nicht barrierefrei. Eine Version in einfacherer Sprache ist gerade in Arbeit. Auch eine Übersetzung in weitere Sprachen wird geprüft.
Entweder man macht es wie Australien: Konsequente Sicherung der Außengrenzen und gleichzeitig gezielte Zuwanderung von ausgewählten integrationswilligen Fachkräften.
Oder man macht es wie Deutschland: Offene Grenzen und völlig unkontrolliertes und beliebiges Hereinlassen von Versorgungssuchenden aus aller Welt, ohne Prüfung ob Integrationsfähigkeit und Integrationswille vorliegen.
Migration kann geregelt und in sinnvolle Bahnen gesteuert werden. Wenn man will. Deutschland will das offensichtlich (noch) nicht.