Ein junger Autofahrer kommt von der Fahrbahn ab, ein Autofahrer fährt in den Gegenverkehr, drei Menschen sterben bei Traktor-Unfällen. Das sind nur einige der schweren Verkehrsunfälle der vergangenen Wochen in Unterfranken. Wer als Erster zu einem solchen Unfall kommt, muss schnell reagieren. Doch bei viele Menschen ist der Erste-Hilfe-Kurs schon lange her und sie haben Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie Erste Hilfe leisten.
Simeon Wohlleber, 32, ist Rettungsassistent und seit Anfang 2022 Ausbildungsleiter bei den Johannitern in Würzburg. Er hat lange im Rettungsdienst gearbeitet und klärt im Interview darüber auf, was Ersthelfer beachten sollten, wie eine Herzdruckmassage geht und warum niemand Angst haben muss, etwas falsch zu machen.
Simeon Wohlleber: Die meisten Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen, fürchten sich vielleicht auch vor Körperflüssigkeiten oder sich zu verletzen. Sie denken, dass sie eine Verletzung verschlimmern, wenn sie an die falsche Stelle fassen. In Filmen wird es oft so dargestellt. Das Wichtigste ist aber, überhaupt etwas zu tun. Selbst wenn ich nur den Notruf absetze und mich mit dem Unfallopfer unterhalte, habe ich bereits sehr viel geleistet.
Wohlleber: Ersthelfer können nicht alles wissen, sie sind geschützt und werden für Fehler in der Regel nicht bestraft. Die Situationen, in denen Ersthelfer den Zustand einer verunglückten Person verschlechtern, sind aber ohnehin in der Unterzahl. Wer sich unsicher ist und nicht weiß, was er tun soll, sollte den Notruf verständigen und beim Patienten bleiben, diesen wach halten, ihm die Angst nehmen und mit ihm sprechen. Das Gespräch kann sich um die banalsten Dinge drehen - beispielsweise wie es der Familie geht, was die Person beruflich macht – es geht nur darum, im Redefluss zu bleiben, damit der Patient weiß, dass er nicht alleine ist.
Wohlleber: Eigenschutz geht immer vor. Es ist nicht gewollt, dass Ersthelfer sich in eine gefährliche Lage bringen. Wer das erste Mal zu einem Verkehrsunfall kommt, legt den Fokus häufig nur auf das Unfallauto und vergisst alles drumherum. Als Erstes sollte man sich daher einen groben Überblick verschaffen – einfach ein bis zwei Sekunden kurz innehalten und die Szene im Ganzen erfassen. Auf keinen Fall hektisch werden. Dann wird klar: Okay, da ist ein Auto, aber vielleicht laufen Öl oder Benzin aus. Im schlimmsten Fall gibt es noch Rauch oder Feuer, da sollte niemand blind hineinlaufen.
Wohlleber: Der erste Impuls ist, zu schauen, was passiert ist. Zunächst sollte aber die Unfallstelle gesichert werden. Da reicht es im Notfall aus, wenn ich das eigene Fahrzeug mit Warnblinkanlage in etwa 100 Meter Entfernung abstelle, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Es muss nicht direkt ein Warndreieck aufgestellt werden, denn das artet manchmal in eine Fummelei aus bis es tatsächlich steht. Alle Fahrzeuginsassen sollten zudem aus dem eigenen Auto aussteigen und hinter die Leitplanke gehen, damit andere sie nicht übersehen können. Erst danach leiste ich Erste Hilfe.
Das heißt, dass der Patient, wenn nötig, schnell aus der Gefahrensituation gerettet und grob erfasst wird, welche Verletzungen und Erkrankungen vorliegen. Das Wichtigste ist aber, die Vitalparameter im Blick zu behalten und die lebenswichtigen Funktionen aufrechtzuerhalten, also zu schauen, ob das Unfallopfer noch atmet, ob irgendwelche großen Blutungen da sind und die Person ansprechbar ist.
Wohlleber: Dann sollte geprüft werden, ob die verletzte Person noch atmet. Das erkenne ich daran, ob der Brustkorb sich hebt und senkt. Wenn ich gar nichts sehe, dann sollte die flache Hand auf den Brustkorb oder das Ohr an Mund und Nase gelegt werden. Ist keine Atmung da, muss der Patient aus dem Auto gezogen und auf eine feste Unterlage – zum Beispiel eine sichere Stelle auf der Straße – gelegt werden, um mit den Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen. Atmet die Person hingegen noch, sollte die Atmung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes regelmäßig kontrolliert werden.
Wohlleber: Wichtig ist, mitten auf dem Brustkorb die Handflächen aufzulegen und ausreichend tief in einem regelmäßigen Rhythmus zu drücken. Dabei kann auch die Melodie von Staying Alive helfen. Noch wichtiger ist es, ausreichend zu entlasten, damit das Herz sich wieder mit Blut füllen kann. Bei jedem Drücken muss man entsprechend tief hineindrücken und auch wieder loslassen. Zwischen jedem Drücker sollte unbedingt entlastet werden. Das sollte gemacht werden, bis der Rettungsdienst eintrifft.
Dabei kann es passieren, dass eine Rippe bricht oder die Herzdruckmassage nicht perfekt ist, aber die Alternative wäre, dass der Körper des Patienten gar nicht durchblutet wird. Selbst eine schlechte Wiederbelebung ist besser als keine. Früher gehörte noch die Beatmung dazu, doch spätestens durch die Corona-Pandemie sind die Hemmungen größer geworden und sie wird bei der Laien-Reanimation nicht mehr empfohlen. Auch hier gilt: Herzdruckmassage ohne Beatmung ist besser als keine.
Wohlleber: Jeder sollte nur so helfen, wie es ihm zumutbar ist. Es bringt niemanden etwas, wenn man zum Beispiel kein Blut sehen kann und direkt ohnmächtig wird. Deswegen sollte immer mit der Sicherung der Unfallstelle begonnen und direkt der Notruf gewählt werden. Wenn jemand dann sagt, dass er aus irgendeinem Grund nicht zum Patienten gehen kann, weil es vielleicht auch zu gefährlich ist, dann ist das in Ordnung. Ersthelfer sollten aber in der Nähe bleiben, um die Rettungshelfer einzuweisen und für Fragen der Polizei zur Verfügung zu stehen.
Ist ein Ersthelfer panisch, dann gibt es zwar ganz viele Entspannungsübungen, aber kein Musterrezept. Die Stressforschung belegt, dass jemand, der eine Situation in ähnlicher Form schon einmal erlebt hat, ruhiger ist. Deshalb empfehle ich den Erste-Hilfe-Kurs alle zwei Jahre, gerne auch öfters, aufzufrischen. Dort werden auch praxisnahe Fallbeispiele geübt, um Hemmungen und Unsicherheiten abzubauen.
Wohlleber: Das sind die klassischen fünf W-Fragen, die bereits im Kindergarten gelehrt werden: Wo ist das Ereignis? Wer ruft an? Was ist geschehen? Wie viele Betroffene? Warten auf Rückfragen! Selbst wenn ich diese nicht genau weiß, leitet mich der Leitstellendisponent durch das Gespräch und gibt gegebenenfalls Anleitung bei medizinischen Fragen.
Die allerwichtigste Information ist der Notfallort. Selbst wenn das Handynetz zusammenbricht, weiß die integrierte Leitstelle so, wo etwas passiert ist. Danach sollte ich sagen, wer ich bin, und was passiert ist. Das sollte so prägnant wie möglich beschrieben werden. Zum Beispiel: Hier war ein schwerer Verkehrsunfall, es sind zwei Fahrzeuge beteiligt, ich sehe drei betroffene Personen. Damit kann die Leitstelle bereits viel anfangen. Hat sich der Unfall zum Beispiel auf der Autobahn ereignet, sollten Autobahn, Autobahnkilometer und Fahrtrichtung genannt werden. Im Anschluss sollten Ersthelfer unbedingt in der Leitung bleiben – das gilt auch nach Gesprächsende – um Rückfragen beantworten zu können.
Eigensicherung
Schauen was los ist
Notruf wählen
Lebensrettende Sofortmaßnahmen
Kaum ein Mensch wird während irgendwelchen Sofortmaßnahmen den Notruf wählen können und die Situation beschreiben während man schwitzend das Herz am Pumpen hält und das eigene dabei wild pumpt. Nach einiger Zeit kommt man da ganz schön ins Schwitzen und ein mal begonnen hört man damit erst auf, wenn jemand da ist zum Abwechseln oder der Notdienst.
So wie es gerade hier beschrieben ist liest es sich wie: Wenn keine Atmung vorhanden ist versuchen "wiederzubeleben" ach ja und denkt daran, es ist mit am wichtigsten den Notruf zu wählen.
Leider sind Ersthelferkurse keine Pflicht für alle Führerscheinbesitzer. Das sollte absolut Pflichtprogramm sein. Vielleicht nicht unbedingt alle zwei Jahre wie bei den Ersthelfern, auch wenn es Sinnvoll wäre.
- Schauen, was los ist.
- Prüfen, ob der Patient atmet, nach Möglichkeit ansprechen.
- Jemanden ANDEREN direkt beauftragen, den Notarzt zu rufen.
- Wenn keine Atmung, dann mit Herzdruckmassage beginnen: immer abwechselnd 30 x pressen, dann 2 x beatmen.
- Wenn Atmung und Bewusstsein da, beim Patienten bleiben, mit ihm sprechen, enge Kleidung lockern.
- Wenn Atmung, aber bewusstlos: sicher lagern (abhängig von der Ursache der Bewusstlosigkeit).
Und DABEI bleiben, bis der Notarzt kommt.
Notarzt rufen, Verkehr sichern usw. sollen andere machen. Und die soll man rigoros und gezielt ansprechen. Wenn einer "das Kommando übernimmt", helfen andere bereitwilliger.
Und: keine Angst haben, etwas falsch zu machen. Unser Kursleiter sagte, was sollte man denn auch in so einer Situation noch schlimmer machen...
Wenn möglich, sollte man sich dafür zur Verfügung stellen. Man wird dadurch natürlich nicht perfekt in Erster Hilfe, verliert aber die Hemmungen, im Ernstfall wirklich einzugreifen.
Ich hab das gemacht und einige Monate später im privaten Umfeld tatsächlich umsetzen können.