Samstagvormittag in Nieder-Erlenbach. Hier, im nördlichsten Stadtteil, sieht die Bankenmetropole Frankfurt am Main aus wie ein fränkisches Dorf: gepflasterte Gehwege, schmucke Fachwerkhäuser, Zweckbauten der 1960er Jahre. Ein Bäcker, eine Postagentur, auch Leerstand. Am Infotisch der Grünen vor einem Fahrradladen steht Manuela Rottmann. Im 4700-Einwohner-Stadtteil, 13 Kilometer vom Römer entfernt, wirbt die 50-Jährige um Stimmen. Die Bundestagsabgeordnete aus dem unterfränkischen Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) will ins traditionsreiche Rathaus - und Oberbürgermeisterin von Frankfurt werden. An diesem Sonntag, 5. März, ist die Wahl.
Anders als die Stadtteile in der Innenstadt sei Nieder-Erlenbach keine Grünen-Hochburg, sagt Annegret Rach, langjährige Ortsbeirätin und Grünen-Urgestein. 25 Prozent seien das bislang beste grüne Ergebnis bei einer Wahl für die Partei gewesen, "die Mehrheit hier wählt CDU". Doch Manuela Rottmann ist gefragt, trotz der Kälte an diesem Tag: Eine Passantin, die sich in einer Müllinitiative engagiert, wünscht sich mehr Präsenz der Straßenreinigung gegen Hundehaufen und Zigarettenkippen. Eine ältere Frau hätte gern einen Lebensmittelladen direkt in der Ortsmitte - die 500 Meter bis zum Supermarkt am Ortsrand sind ihr zu weit.
Rottmann: Eine Oberbürgermeisterin hat keine Richtlinienkompetenz wie die Kanzlerin
Ein Erstwähler möchte wissen, welche die mögliche, künftige Oberbürgermeisterin politische und kirchliche Jugendarbeit unterstützen will. Rottmann hört zu, fragt hin und wieder nach Details. Und kündigt an, im Fall eines Wahlsieges die Anliegen zu thematisieren, verspricht aber nichts Konkretes: "Eine Oberbürgermeisterin kann vieles in der Stadtverwaltung anschieben, kann motivieren, sie hat aber keine Richtlinienkompetenz wie die Bundeskanzlerin."
Das Interesse vieler Bürgerinnen und Bürger an der Stadt stimme sie zuversichtlich, sagt Manuela Rottmann. Sie spüre eine "große Neugierde auf die Kandidatin". Dass die 50-Jährige zehn Jahre aus der Frankfurter Kommunalpolitik verschwunden war und zuletzt in der Bundespolitik Karriere machte, sei Fluch und Segen zugleich, sagen die Grünen am Infostand. Nicht jede potenzielle Wählerin und jeder potenzielle Wähler sähen es als Vorteil, dass die Partei eine Frau nominiert hat, die scheinbar von außen kommt - aus Unterfranken.
Manuela Rottmann weiß, dass es diese Bedenken gibt. Und betont bei jeder Gelegenheit ihre Frankfurt-Expertise. Geboren in Würzburg als Tochter einer Verkäuferin und eines Polizisten, aufgewachsen in den Landkreisen Würzburg, Schweinfurt und Bad Kissingen, kam sie 1992 erstmals in die Stadt, um Jura zu studieren. Frankfurt wurde ihr zur "zweiten Heimat", sagt Rottmann heute. Hier arbeitete sie an der Uni und am Gericht, hier kennt sie die verschiedenen Milieus, hier wurde sie nach den Anfängen in Hammelburg bei den Grünen politisch sozialisiert. Hier kandidierte sie 2002 erstmals für den Bundestag.
Bevor die Juristin 2006 mit 34 Jahren zur Dezernentin für Umwelt und Gesundheit im Magistrat der Stadt gewählt wurde, arbeitete sie zwei Jahre in der Stadtforschung am Institut für Urbanistik in Berlin. "Ich war schon immer viel unterwegs", sagt sie jenen, die ihre politischen Volten im Laufe der Jahre eher kritisch sehen.
2012 stieg Manuela Rottmann aus der Berufspolitik aus, obwohl sie als Dezernentin über Parteigrenzen hinweg für ihre zielgerichtete, pragmatische Politik anerkannt war und viele Parteifreundinnen und Parteifreunde schon damals in ihr die erste grüne Oberbürgermeisterin der 750.000-Einwohner-Metropole am Main sahen.
"Ich wollte nicht betriebsblind in der Berufspolitik werden", sagt sie im Rückblick, "außerdem mehr Zeit für meinen kleinen Sohn haben". Sie wechselte als Juristin zur Deutschen Bahn. Die Leidenschaft für Politik war am Ende jedoch stärker: 2017 kandidierte Manuela Rottmann in ihrer ersten Heimat, in Unterfranken, ein weiteres Mal für den Bundestag - diesmal erfolgreich. Schnell knüpfte sie in der Berliner Fraktion an alte Netzwerke an, spielte mehr und mehr eine wichtige Rolle: Nach der Bundestagswahl 2021, mit Bildung der Ampel-Koalition, holte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir die Unterfränkin, die sich nun gerne selbst als "Freilandei" titulierte, als Parlamentarische Staatssekretärin an seine Seite.
Und jetzt soll es doch wieder Frankfurt sein? Versteht die OB-Kandidatin, wenn manch einer in Unterfranken da ein Glaubwürdigkeitsproblem mit ihr hat, wenn Landwirte sauer sind, die sie als Gesprächspartnerin ernst genommen haben und sich nun mit ihren Sorgen ein Stück weit verlassen fühlen? Rottmann wehrt ab. Die grüne Agrarpolitik bleibe doch die gleiche, auch wenn sie persönlich künftig wieder Kommunalpolitik in der Großstadt machen würde. Und wenn im Römer jemand sitze, der die wirtschaftlichen Wechselbeziehungen zwischen Unterfranken und der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main im Auge habe, sei das doch für beide Seiten von Vorteil.
Die Kandidatin sieht ihre politischen Wechsel im Gespräch denn auch überhaupt nicht als Problem. "Ich bin schon immer ein bisschen quer", sagt Rottmann beim Mittagessen in einer "Äppelwoi"-Wirtschaft - und lacht. Auf die bruchlose politische Karriere habe sie es eben nie abgesehen. Politik brauche immer wieder "Blickwechsel", sagt sie, "zumindest für mich persönlich war das immer wichtig". Auch Frankfurt könne von einer Oberbürgermeisterin, die in ihrem politischen Leben mehr als den Römer gesehen habe, nur profitieren. "Die Welt endet eben nicht an der Stadtgrenze nach Offenbach."
Ihrer Kandidatur liege kein längerfristiger Plan zugrunde, beteuert die Politikerin mit Wohnsitzen in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) und jetzt auch wieder Frankfurt: "Das kam alles ziemlich plötzlich." Als sich im Herbst die Abwahl des skandalumwitterten SPD-Oberbürgermeisters Peter Feldmann abzeichnete, habe es erste Anfragen aus Reihen der Frankfurter Grünen gegeben. "Der Kontakt war ja nie abgerissen, ich bin auch in Berlin und Unterfranken ein Frankfurter Würstchen und glühender Eintracht-Fan geblieben." Weil auch ihr 15-jähriger Sohn, der aktuell ein Auslandsjahr in Kanada verbringt, signalisiert habe, er könne sich einen Umzug mit der Mutter von Berlin nach Frankfurt vorstellen, habe sie zugesagt.
"Ich habe Lust auf Frankfurt, auf die bunte, kulturelle Vielfalt in der Stadt, auf den Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft mit Handwerk, Industrie und der Finanzwelt", sagt Rottmann. Die innerparteiliche Rückendeckung für sie ist groß, auch wenn zunächst weitere Kandidatinnen und Kandidaten im Gespräch waren wie Parteichef Omid Nouripour. Längst aber lobt auch er seine Parteifreundin über den grünen Klee. Eine Oberbürgermeisterin Rottmann wäre eine "riesige Bereicherung für Frankfurt", sagt Nouripour. Sie werde der Stadt sehr gut tun.
Bei Wahlkampfveranstaltungen geben sich in diesen Tagen grüne Promis die Klinke in die Hand: Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Wirtschaftsminister Robert Habeck - und zuletzt auch noch die Frankfurter Grünen-Ikone Joschka Fischer. "Seine Zusage freute mich besonders", sagt Rottmann. Der frühere Außenminister sei es gewesen, der sie als Grüne-Jugend-Aktivistin in den 90er Jahren in Frankfurt nachhaltig politisiert habe, gemeinsam habe man seinerzeit viele Wahlkämpfe bestritten.
Doch auch an der Basis kann Rottmann überzeugen. "Ich habe sie beim grünen Neujahrsempfang am 12. Januar das erste Mal erlebt, war von ihrem souveränen, nüchternen Auftreten begeistert und bin am 13. Januar dann in die Partei eingetreten", berichtet Simone Freund von der Stadtteil-Gruppe Sachsenhausen. "Jetzt stehe ich hier in der Kälte und verteile Werbeprospekte." Rottmann ist an den Wahlkampfstand gekommen. Hier, mitten im historischen Herzen der Bankenmetropole, haben es die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer an diesem Samstag deutlich schwerer als in Nieder-Erlenbach.
Viele Menschen gehen komplett achtlos an den Tischen vorbei, Prospekte bleiben liegen. Eine Frau schimpft: "Grüne Kriegstreiber kann man doch nicht wählen!" Eine andere Passantin schildert die Lage im berüchtigten Bahnhofsviertel: "Viele Obdachlose, an der Ecke setzen sich Drogensüchtige ihren Schuss, überall Müll, es riecht nach Urin und anderen Exkrementen. Ich habe Angst, da durchzugehen."
OB-Kandidatin Rottmann über die Szene am Frankfurter Hauptbahnhof
Manuela Rottmann nimmt den Faden auf. Wohnungsnot hier, Klimaneutralität dort, der Umgang mit der Szene rund um den Bahnhof - das könnte ein wahlentscheidendes Thema sein. Die Kandidatin räumt ein, die Situation sei "würdelos für viele Betroffene" und "unzumutbar für alle anderen". Der bisherige OB habe sich hier "in die Büsche geschlagen und weggeduckt", sagt Rottmann. Sie aber werde die Akteure an einen Tisch holen und für Veränderungen sorgen.
Frankfurt könne nicht die Süchtigen aus der halben Republik versorgen, sagt Rottmann. Der Polizei werde sie den Rücken stärken im Kampf gegen Zwangsprostitution und Zwangsbettelei. Öffentliche Räume dürften nicht zu No-go-Areas verkommen. Dazu gehöre es, die Architektur zu verändern und einmal beschlossene Regeln etwa bei der Abfallentsorgung auch konsequent zu kontrollieren.
Forderungen, die vermutlich auch Rottmanns Mitbewerberinnen und Mitbewerber unterschreiben. 20 Namen stehen an diesem Sonntag auf dem Stimmzettel. Beobachter rechnen fest mit einer Stichwahl am 26. März - zwischen CDU-Mann Uwe Becker (53), dem früheren Frankfurter Kämmerer und heutigen hessischen Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten, sowie einem Vertreter oder einer Vertreterin des rot-grünen Lagers. Für die SPD tritt Mike Josef (40) an, der aktuelle Planungsdezernent von Frankfurt.
Manuela Rottmann ist optimistisch, zunächst besser als Sozialdemokrat Josef abzuschneiden und dann auch Becker zu besiegen. "Bei den letzten fünf Wahlen waren die Grünen schließlich immer die stärkste Partei in Frankfurt."
Und wenn es nicht reicht? Bleibt sie dann Bundestagsabgeordnete für Unterfranken? Die Kandidatin antwortet selbstbewusst: "Da mache ich mir derzeit keine Gedanken. Ich will in Frankfurt gewinnen - und ich werde gewinnen."
Vielleicht stellen die Hessen mehr Format und mehr Kompetenz fest , was für Franken sehr gut wäre.
Der sei von Ehrgeiz zerfressen und habe charakterliche Schwächen
Es geht dann den Weg des irdischen…
Dann kehrt wieder Ruhe ein und die Dame greift weiter das politische Diätennetz ab…
Die Frau ist ein Totalausfall!
Das Ministerium eine Katastrophe für Deutschland!
Mit solch einer Vollkaskomentalität sollte man sich um keinen OB-Posten bewerben, das ist einfach nur peinlich!
Das klingt sehr egozentrisch und allein aufs eigene Wohl bedacht. Die Frankfurter wären mit einem Stadtoberhaupt das sagt: "Ich will, dass Frankfurt gewinnt" möglicherweise besser bedient.
Wo ist die Objektivität? Wo ist der Leistungsnachweis?
....obwohl sie als Dezernentin über Parteigrenzen hinweg für ihre zielgerichtete, pragmatische Politik anerkannt war.... das sehen viele in Frankfurt - u.a. Die FAZ etwas anders!
Wir können für Unterfranken nur hoffen dass sie gewählt wird, damit sie weg ist!