zurück
Würzburg
Wahlkampf-Endspurt in Würzburg: Wie sich FDP-Chef Christian Lindner in die nächste Bundesregierung hineinrechnet
Es ist Lindners 71. Veranstaltung im Wahlkampf. Was er bietet, ist FDP pur. Am Ende seiner Rede an diesem Freitag fordert er die eine Stimme, die das Land verändern soll.
Wahlkampf bis kurz vor Öffnung der Wahllokale: Parteichef Christian Lindner wirbt am Freitagvormittag in Würzburg um Stimmen für die FDP.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Wahlkampf bis kurz vor Öffnung der Wahllokale: Parteichef Christian Lindner wirbt am Freitagvormittag in Würzburg um Stimmen für die FDP.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 25.02.2025 02:36 Uhr

Tauschen möchte man in diesen Tagen nicht mit deutschen Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern. Am Donnerstagabend bis kurz vor Mitternacht und Freitag früh am Morgen schon wieder ist Christian Lindner live im Fernsehen in Berlin zu sehen. Um kurz nach elf Uhr an diesem Freitagvormittag steht der FDP-Chef dann am Rednerpult in Würzburg. Es ist, sagt er, seine 71. Veranstaltung in diesem Wahlkampf. 

Lindner spricht vor 250 Zuhörerinnen und Zuhörern im Würzburger Vogel Convention Center (VCC). Keine 48 Stunden vor dem Öffnen der Wahllokale holt er seinen Auftritt bei der FDP Würzburg nach, der Ende Januar wegen der Bundestagsdebatte zur Migrationspolitik ausgefallen war. Dass die FDP an diesem Tag mehrheitlich mit Union und AfD gestimmt hat, nehmen ihm die zwei Dutzend Demonstranten übel, die sich unweit des VCC zum Protest auf der Straße versammelt haben.

Immer wieder zücken die Besucherinnen und Besucher im VCC ihre Handys.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Immer wieder zücken die Besucherinnen und Besucher im VCC ihre Handys.

Auf ein Transparent haben die Vertreterinnen und Vertreter von "Fridays for Future" eine Brandmauer gemalt. Neben dem "Tolerieren des Faschismus" werfen sie der FDP vor, sie arbeite aktiv an der "Zerstörung unseres Planeten". Im Saal sagt Lindner, ihn freue der Protest. Zeige er doch, dass auch in Würzburg bekannt sei, dass die FDP klare Positionen vertrete, "dass wir Verantwortung übernehmen, ohne uns zu verbiegen".

Adieu Bundestag? Lobende Worte für Karsten Klein und Andrew Ullmann

Zum Auftakt seiner Rede lobt der Liberalen-Chef Karsten Klein und vor allem Andrew Ullmann, die beiden unterfränkischen FDP-Bundestagsabgeordneten. Der Würzburger Infektiologe Ullmann sei eine "beeindruckende Persönlichkeit als Mediziner und Hochschullehrer". Dass die Karriere des Gesundheitsexperten als Bundestagsabgeordneter am Sonntag zu Ende gehen wird, sagt Lindner nicht.

Die bayerischen Liberalen hatten den Würzburger Gesundheitspolitiker auf den aussichtslosen Listenplatz 18 geschoben. Der würde nie und nimmer reichen, selbst wenn es die FDP in Berlin wieder ins Parlament schafft. 

Der Kampf um die Fünf-Prozent-Hürde ist es, der das liberale Publikum umtreibt. Doch bis der Finanzminister der gescheiterten Ampelkoalition seine Überlegungen zu diesem Thema preisgibt, gibt es eine Stunde lang FDP-Parteiprogramm pur. Der 46-Jährige wettert gegen einen "überdehnten Staat", der sich am liebsten um alle Lebensbereiche vom Heizungskeller bis zum Kühlschrank kümmern wolle, er beklagt starre Arbeitszeit-Regelungen und rüffelt die Bürokratie, unter der vor allem der Mittelstand leide. 

Die Wirtschaft werde nur dann wieder anspringen, wenn die Politik überflüssige Regelungen wie das "Lieferkettensorgfaltsgesetz" oder die Bonpflicht im Bäckerhandwerk aufgebe, sagt Lindner. Statt eines Verbrennerverbots brauche es auch beim Klimaschutz "Technologieoffenheit", statt Subventionen Steuererleichterungen. Dabei gelte es, den Wert von Arbeit wieder mehr herauszustellen: "Ohne Leistungsbereitschaft gibt es keinen Wohlstand."

Die Gruppe 'Fridays for Future' demonstriert unweit des VCC in Würzburg  gegen Christian Lindner und die FDP.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Die Gruppe "Fridays for Future" demonstriert unweit des VCC in Würzburg  gegen Christian Lindner und die FDP.

Der FDP-Vorsitzende bekennt sich zur Unterstützung der Ukraine und der Aufrüstung der Bundeswehr, er fordert eine restriktive Asylpolitik. Wenn Behörden nicht richtig miteinander kommunizierten und Abschiebungen nicht durchgesetzt werden, sei das eine "Art von Staatsversagen". Ein Staat, der sein eigenes Recht nicht durchsetze, verliere die Achtung seiner Bürgerinnen und Bürger. Immer wieder wird die Rede des früheren Finanzministers von Beifall unterbrochen.

Für welche Koalition reicht's? Christian Lindner übt sich in Wahl-Mathematik

Schließlich widmet sich der FDP-Chef ausführlich der Wahl-Mathematik. Dass CDU-Chef Friedrich Merz Bundeskanzler werde, sei klar. Es gehe am Sonntag also allein darum, welche Koalition der neue Kanzler bilden könne. Nachdem Unionskandidat Merz Schwarz-Grün nicht generell ausschließe, brauche es die FDP, um die Grünen in der Regierung zu verhindern.

Schaffen die Liberalen fünf Prozent, habe Schwarz-Grün ganz sicher keine Mehrheit, rechnet Lindner vor. Und Schwarz-Rot vermutlich auch nicht. Unter diesen Umständen sei die sogenannte Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP die "beste Option für unser Land", glaubt der Chef-Liberale. Ein Jamaika-Bündnis, mit Schwarz, Gelb und Grün, schließt er aus.

Angesichts dieser Aussichten, so appelliert Lindner an die potenziellen Wählerinnen und Wähler im Saal, sei es "vollkommen unsinnig, CDU oder CSU zu wählen". Eine Stimme für die CSU steigere den Anteil der Partei in Bayern nur "von 42,2875 auf 42,2876 Prozent". Eine Stimme für die FDP könne jedoch "die Republik verändern" - nämlich dann, wenn sie die entscheidende ist, "um die FDP von 4,9999 auf 5,0 Prozent zu heben".

Eine Perspektive, die "ihnen keine andere Partei bietet", sagt Christian Lindner - und muss selbst ein wenig lachen.  

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Michael Czygan
Alternative für Deutschland
Ampelkoalition
Andrew Ullmann
Bundestagsabgeordnete
Bundestagswahl
Bundeswehr
CDU
CSU Würzburg
Christian Lindner
Deutscher Bundestag
FDP Würzburg
FDP-Parteivorsitzende
Finanzminister
Friedrich Merz
Jamaikakoalition
Karsten Klein
SPD Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Klaus Grohs
    Ich wünsche unserem Land, dass die Mehrheitsverhältnisse so sein werden, dass eine Zweierkoalition zustande kommt. Eine Dreierkoalition kostet zuviel Zeit und verhindert damit ein schnelles Handeln, wenn dieses erforderlich ist. Und es kommen zu viele faule Kompromisse dabei heraus, welche niemand gut findet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Frank Zumkeller
    Wenn Schwarz-Rot-Gelb käme , müsste er die Aufhebung der Schuldenbremse mittragen. Davor sollte man Herrn Lindner nun wirklich beschützen .
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Johannes Metzger
    Die gelben Säcke am Straßenrand, die ab Montag an die FDP erinnern , haben wertvolleren Inhalt als Lindners Wahlversprechen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Dietmar Eberth
    Merz und Scholz sind sich einig bei der Frage eines Bundestages ohne FDP: „Ärmer, aber durchaus lebensfähig“

    Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Frank Stößel
    Das kommt darauf an, Herr Eberth, wie die AfD als wohl stärkste Oppositionspartei die Debattenkultur im Bundestag generell und gegen alles, was eine Koalition der Mitte einbringt, dominieren kann. Bei einer S-R-G-Koalition z.B. könnte es ohne die FDP einen unguten Wettbewerb um extreme Rechts- und Links-Oppositionsarbeit mit wenig Bereitschaft zu tragenden Kompromissen geben. Insofern könnte die FDP "das Zünglein an der Waage" in einer Koalition der Mitte oder, ganz neu, das "Florett gegen Schwert und Säbel" einer Bundestagsopposition aus AfD, Linke und BSW sein. (Von der Rolle der CSU als eigenständiger Partei in der "Union" rede ich jetzt lieber nicht. Das ist eine andere Baustelle in Sachen Loyalität und Qualität nur innerhalb der Union.) Morgen ist ganz besonders unser gemeinsamer Verfassungspatriotismus gefragt; es geht ums Eingemachte unserer Bundesrepublik und ihrer künftigen Bedeutung in EU und Nato.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Dietmar Eberth
    Für "das Zünglein an der Waage" gegen Rechts- und Links-Oppositionsarbeit sieht sich die FDP in ihren Wahlreden nicht mal selbst.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten