Ines Hensel ist empört. "Die letzten Monate mussten wir leider immer wieder sehr unerfreuliche Erfahrungen mit dem Würzburger Gesundheitsamt machen", schreibt die Unternehmerin aus Waldbrunn an die Redaktion. Ihr Vorwurf: Das Gesundheitsamt habe viel zu spät auf eine gemeldete Infektion in ihrem Betrieb reagiert. Durch Arbeitsweisen "wie im letzten Jahrhundert" drohten ihr Verdienstausfälle. Eine Erfahrung die ihrer Ansicht nach viele Unternehmen in der Region teilten.
Das Gesundheitsamt Würzburg bestätigt den Vorfall und spricht von einem zwischenzeitlichen Engpass, der inzwischen behoben sei. Doch was ist passiert?
Firma aus Waldbrunn musste fast eine Woche auf Anweisungen warten
Am 7. April, so Hensel, habe einer ihrer Mitarbeiter (wohnhaft in Wertheim) ihr telefonisch mitgeteilt, dass er positiv auf Corona getestet worden sei. Zuvor habe der Mitarbeiter Kontakt mit Kollegen gehabt, diese habe sie sofort nach Hause geschickt. Am selben Tag habe das Gesundheitsamt Main-Tauber die Daten der Kontaktpersonen erfragt, um diese nach Würzburg zu übermitteln, von wo weitere Anweisungen kommen sollten. Doch die ließen, so Hensel, trotz zahlreicher Kontaktversuche, fast eine Woche lang auf sich warten – und die Firma wirtschaftlich im Unklaren.
Erst am 13. April habe sich das Gesundheitsamt Würzburg mit einer auf denselben Tag datierten Quarantäne-Anordnung gemeldet. "Wenn das Datum nicht geändert wird, müssen wir den Lohnausfall selbst bezahlen, weil wir die Leute ja ohne schriftliche Info vom Gesundheitsamt nach Hause geschickt haben", so Hensels Befürchtung.
Konfrontiert mit dem Vorwurf der verzögerten Kontaktverfolgung, antwortet das Gesundheitsamt Würzburg: "Aufgrund des sehr hohen Arbeitsaufkommens bei den positiv getesteten Personen und den Kontaktpersonen konnte – auch aufgrund des Wochenendes, an dem die Dienstmannschaft am Anschlag gearbeitet hat – die Kontaktaufnahme erst ab 13. 4. erfolgen." Auch aufgrund dieser Erfahrung sei das Personal zur Kontaktverfolgung nun deutlich aufgestockt worden.
Hensel: Veraltete Arbeitsweisen mitverantwortlich für Verzögerung
Unternehmerin Hensel aus Waldbrunn vermutet neben personellen Schwierigkeiten jedoch noch eine weitere Ursache für die Verzögerungen. So sei ein Austausch zwischen den Gesundheitsämtern Main-Tauber und Würzburg aufgrund überlasteter Faxgeräte erst nach einem Tag erfolgt. Das Gesundheitsamt Main-Tauber bestätigt den Verzug, hält jedoch fest: "Insgesamt hat der Main-Tauber-Kreis aus unserer Sicht nicht zu einer Verzögerung beigetragen."
Hensel hingegen kritisiert: "Ich finde, das ist ein Skandal, vor allem wenn man bedenkt, dass da tickende Zeitbomben draußen rumlaufen, nur weil die Gesundheitsämter ein Jahr nach Beginn der Pandemie immer noch wie im letzten Jahrhundert arbeiten." Im Gespräch verweist sie zudem auf die für Gesundheitsämter eigentlich bayernweit verpflichtende SORMAS-Software, die den Austausch der Gesundheitsämter vereinfachen soll, in Würzburg bislang jedoch nicht eingesetzt würde.
Das Gesundheitsamt Würzburg bestätigt dies und verweist auf fehlende Kompatibilität der Software sowie mangelnde Archivierungsmöglichkeiten: "Die Regierung von Unterfranken und das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sind über die Mängel (...) bereits Mitte März informiert worden", so ein Sprecher in einer Mail an die Redaktion.
Handwerkskammer und IHK: Keine ähnlichen Vorfälle in Würzburg bekannt
Im Ministerium ist man sich der Situation in Würzburg bewusst: "Das Gesundheitsamt Würzburg ist eines der bayerischen Gesundheitsämter, die SORMAS derzeit noch nicht produktiv nutzen", schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. Aktuell würde an einer Verbesserung der Kompatibilität gearbeitet. Wirklich verpflichtend würde die Nutzung in Würzburg erst, sobald die Software eine Verbesserung der Arbeitsweise garantieren könne.
Doch war nun der Vorfall in Waldbrunn ein Einzelfall oder die Regel? "Aktuell können wir bekannte Infektionen in vollem Umfang nachverfolgen", so das Gesundheitsamt. 73 Personen würden dafür eingesetzt – davon sieben Soldaten der Bundeswehr.
Eine Nachfrage bei Handwerkskammer und IHK nach Erfahrungsberichten von Würzburger Unternehmen ergibt kein gegenteiliges Ergebnis. Stattdessen schreibt IHK-Sprecher Marcel Gränz: "Die Gesundheitsämter arbeiten seit Monaten am Anschlag. (...) Allerdings ist es vermutlich kein Geheimnis, dass seitens der Politik versäumt wurde, den öffentlichen Gesundheitsdienst personell sowie digital adäquat aufzustellen."
Und was wurde aus Hensels Datierungs-Dilemma in Waldbrunn? "Das wurde vom Gesundheitsamt Würzburg zurückdatiert, so haben wir die Möglichkeit, den Verdienstausfall ersetzt zu bekommen", so die Unternehmerin einige Tage nach dem Vorfall.
Da erlebt man wieder Föderalismus von seiner negativen Seite.
Es ist zum heulen!
X-Anweisungen handschriftlich auf flipcharts geschrieben. Verschiedene Anweisungen handschriftlich ausgext.
Zig rote und gelbe Haftzettel rumhängen - wer soll da durchblicken. Schaut das an jedem Arbeitsplatz so aus.
Ich kann mich an ein interview von Gesundheitsminister erimmern, wo es hiess, dass landesweit mobile teams die gesundheitsämter unterstüzen können ? Nehmen die dann alle ihre gelben und roten Haftzettel mit ?
Wie schon geschrieben, wo sind die headsets für die Mitarbeiter, habe selbst erfahren, wie man sich damit die Arbeit besser organisieren kann. Ausserdem versteht man den Gesprächspartner viel besser, keine Hörfehler, somit keine falschen Angaben, die per Fax weitergegeben werden, usw usw usw.
Was sagt denn der Landrat als oberster Dienstherr dazu ?
wissen was zu tun ist (bei uns Kontaktperson K1) mussten wir mit dem Würzburger Gesundheitsamt auch machen und zwar schon im September 2020!!!!! Da war noch keine Überlastung und kurzfristiger Engpass wegen vieler Neufälle! Ich frage mich die ganze Zeit, ob Corona erst seit ein paar Wochen kursiert! ES IST SEIT ÜBER EINEM JAHR DA!!! Man muss doch nunmehr in der Lage sein mit allen Situationen, die im vergangenen Jahr schon mal aufgetreten sind, fertigzuwerden!!!!????? Immer diese Ausreden!
interessant wäre, wann hat sich die Unternehmerin an die MP gewandt, wann hat die MP recherchiert und wann hat das Gesundheitsamt dann zurückddatiert?
Erst dann kann man erkennen aus welchem Beweggrund die Öffentlichkeit eingedchaltet wurde.
Das Gesundheitsamt hat die Quarantäne-Anordnung auf unsere Bitte hin zurück datiert, dafür war kein Druck seitens der Presse notwendig. Ob wir die Lohnkosten allerdings ersetzt bekommen, wird sich noch zeigen.
Interessant wird jetzt zu sehen, ob das Gesundheitsamt den Lohnausfall bezahlen wird.