
Das fünfte Kammerkonzert des Mainfranken Theaters dieser Saison fällt aus dem Rahmen: Die musikalische Lesung unter dem Titel "In mir klingt ein Lied" widmet sich dem tragischen Schicksal der Alma Rosé, geboren 1906 in Wien, gestorben 1944 im Vernichtungslager Auschwitz.
Alma Rosé entstammte dem musikalischen Adel im Wien der Jahrhundertwende. Ihre Eltern waren Arnold Rosé, Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, und Justine Mahler, Schwester Gustav Mahlers, ihre Patentante war Alma Mahler-Werfel. Sie selbst war eine gefeierte Geigerin und Leiterin des Frauenorchesters "Wiener Walzermädeln", das durch ganz Europa tourte.
Das Jüdischsein spielte in der gesamten Familie keine Rolle - bis zum "Anschluss" und dem Einmarsch der Deutschen: Alma floh nach London, ging dann aber in die Niederlande, wo sie Konzerte geben konnte. Nach erneuter Flucht wurde sie in Frankreich verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde sie Leiterin des Frauenorchesters. Dank ihrer Arbeit und ihres Verhandlungsgeschicks überlebten fast alle Musikerinnen das Konzentrationslager, Alma Rosé selbst allerdings nicht. Sie starb am 4. April 1944.
Texte und Briefe werden mit Musik aus dem Leben Alma Rosés verzahnt
Für das Projekt hat sich ein kleines Ensemble zusammengefunden, das Texte aus dem Nachlass der Familie Rosé, Zitate aus Briefen und Texte Überlebender in unterschiedlichen Stilformen mit Musik aus dem Leben Alma Rosés zu einem quasi szenisch-biografischen Stück verzahnt: der Schauspieler Rainer Appel, die Sängerin Anke Hájková Endres, der Geiger Tomás Hájek, die Akkordeonistin Alma Flammersberger und der Cellist Matthias Steinkrauß.
Das Thema zieht die Menschen sofort in seinen Bann, hat Anke Hájková Endres beobachtet: "Da bekommt eine Person einen Stempel aufgedrückt - in diesem Fall 'Jude' - und schon findet eine totale Entwertung statt." Solche Mechanismen seien auch heute zu beobachten: "Wie lese ich dich, und wie gibt es mir das Recht, über dich zu bestimmen?" Insofern habe das Thema bis heute ganz konkrete Relevanz, sagt Rainer Appel: "Das hat nie aufgehört. Es kann jeden treffen."

Das Programm begleitet Alma Rosé durch ihr kurzes Leben: Kindheit, Jugend und Zenit des Erfolgs, Flucht, Hetzjagd, Deportation, Leiden und Tod im Vernichtungslager. Die Musik mit Werken etwa von Bach, Chopin, Johann Strauß, Giacomo Puccini, Franz Léhar oder Walter Grothe soll hörbar machen, wie es Alma gerade geht. "Manchmal fällt die Musik dem Wort ins Wort, manchmal ist es umgekehrt", sagt Anke Hájková Endres.
Und manchmal bekommt ein Stück durch neuen Kontext neue Bedeutung. Die "Humoreske" von Antonín Dvořák etwa steht zunächst für das Reisen im Zug auf Tournee. Wenn das liebenswürdige Stück schließlich zum Rattern der mit Menschen überfüllten Viehwaggons Richtung Auschwitz erklingt, wird es zum grausigen Soundtrack des Holocaust.
Die Konzerte: "In mir klingt ein Lied" ist jeweils um 11 Uhr am 24. März auf der Probebühne im neuen Haus des Mainfranken Theaters (Karten mainfrankentheater.de oder 0931/3908-124) und am 7. April im David-Schuster-Saal im Zentrum Schalom Europa Würzburg zu erleben (Eintritt frei).
Das Stück: Rainer Appel spielt am 19. März in Schweinfurt (Theater im Gemeindehaus, 19.30 Uhr) in "Empfänger unbekannt", einem Stück, das zeigt, wie ein Mensch zum Nazi wird und deshalb mit einem langjährigen jüdischen Freund bricht. Karten: theater-schweinfurt.de