zurück
Würzburg
Volksverhetzung am AfD-Infostand? Wer hinter dem Video steckt
Äußerungen von Würzburger AfD-Politikern über Juden und Muslime in einem Video beschäftigen die Polizei. Die AfD wittert Islamisten hinter dem Film. Ist das wirklich so?
Die AfD wittert Islamisten hinter dem Film, der auf dem YouTube-Kanal 'MuslimTvDe' veröffentlicht wurde.
Foto: Monika Skolimowska, dpa | Die AfD wittert Islamisten hinter dem Film, der auf dem YouTube-Kanal "MuslimTvDe" veröffentlicht wurde.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 24.05.2022 10:03 Uhr

Das Video, in dem Würzburger AfD-Funktionäre zu ihrer Haltung zu Muslimen und Juden befragt werden, schlägt seit Tagen hohe Wellen. In dem 23-minütigen Film erklärt unter anderem der AfD-Kreisvorsitzende Herold Peters-Hartmann, in Deutschland existierten drei "Blöcke": Christen, Muslime und Juden. Letztgenannte hätten "sehr viel Einfluss". Außerdem sagt er, ein "homogenes Volk wäre ein Traum". Oberbürgermeister Christian Schuchardt sah in den Aussagen Volksverhetzung und schaltete die Polizei ein. Doch wer steckt hinter dem Video?

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Wen die AfD als mögliche Hintermänner des Videos nennt

Veröffentlicht wurde es auf dem YouTube-Kanal "MuslimTvDe". Gerd Mannes, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD, äußerte in einer Pressemitteilung den Verdacht, "Reporter und Kameramann" des Videos "seien mutmaßliche Vertreter einer zumindest fragwürdigen fundamentalistisch-islamischen Internet-Plattform, deren Aktivitäten der Verfassungsschutz im Blick habe".

Auf Nachfrage schickte Mannes der Redaktion am Montag seine Informationen dazu, die "ein Mitarbeiter" recherchiert habe. Demnach geht die AfD davon aus, dass hinter dem YouTube-Kanal "MuslimTvDe" eine Internetseite namens "muslim.tv" steckt, die im Impressum Gürhan und Yavuz Özoguz führt – Brüder der ehemaligen Integrationsbeauftragten Aydan Özoguz. Die SPD-Politikerin hat sich schon vor Jahren von ihren Brüdern distanziert, die tatsächlich zumindest zeitweise im Visier der Verfassungsschützer standen.

"Der Kanal wird von Ahmadiyyas bespielt, die definitiv keine Islamisten sind."
Peter Neumann, Islamismusexperte am King's College in London

Das Problem: Offenbar liegt hier seitens der AfD eine Verwechslung vor. Auf YouTube gibt es mehrere Kanäle, die – in unterschiedlichen Schreibweisen – "Muslim TV" heißen. Die Redaktion zeigte dem Würzburger Extremismusforscher Peter Neumann den Kanal, auf dem das AfD-Video veröffentlicht wurde. Die Einschätzung des Islamismusexperten: "Der Kanal wird von Ahmadiyyas bespielt, die definitiv keine Islamisten sind." Im Gegenteil: "Es gibt wirklich keine muslimische Gruppe, die sich konsequenter gegen Islamismus und Gewalt ausgesprochen hätte."

Die Ahmadiyya-Gemeinde zählt in Deutschland nach eigenen Angaben 40 000 Mitglieder und sieht sich als islamische Reformbewegung. In den Augen von Fundamentalisten stelle die Ahmadiyya-Lehre "eine Form von Ketzerei" dar, so Neumann. "Ahmadiyyas werden daher regelmäßig zu Opfern brutaler Gewalt, etwa in Pakistan."

Wie das Video zustande kam

Tatsächlich verweist der YouTube-Kanal "MuslimTvDe" nicht auf die Internetseite "muslim.tv", dafür auf Internetauftritte einer Ahmadiyya-Organisation. Nach einer kurzen Recherche telefoniert die Redaktion mit Muzaffar Mehmood, der in dem Video mit den AfD-Funktionären in Würzburg diskutiert. Er bestätigt die Ahmadiyya-Zugehörigkeit. "Wir bekennen uns loyal zu dem Land, in dem wir leben", sagt er. Konsens müsse das Grundgesetz sein, "an das sich jeder halten muss, egal welcher Religion er angehört".

Auch wegen der AfD seien Ressentiments gegen Muslime in Deutschland gewachsen, erklärt er die Motivation für das Video: Man wolle das Islam-Bild korrigieren und suche dazu den Dialog. "Vor uns Muslimen muss man sich nicht fürchten." Dass in Würzburg gedreht wurde, sei Zufall gewesen. Man habe eine Möglichkeit gesucht, mit AfD-Politikern in Kontakt zu kommen. Das sei während des Kommunalwahlkampfes in Bayern am einfachsten gewesen.

Wurden die AfD-Politiker heimlich gefilmt?

Das komplette Gespräch habe rund 45 Minuten gedauert. Versteckte Kameras oder Mikrofone, wie von AfD-Seite kolportiert wurde, habe man nicht genutzt. "Wir haben auch gesagt, dass wir einen Film für YouTube drehen", so Mehmood. Seine Bilanz des Gesprächs: "Ich war von der Deutlichkeit überrascht. Fast am meisten schockiert hat mich, dass die AfD sich so klar antisemitisch geäußert hat."

Die Würzburger AfD hat auf eine Anfrage der Redaktion bis jetzt nicht reagiert.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Benjamin Stahl
AfD-Politikerinnen und AfD-Politiker
Alternative für Deutschland
Antisemitismus
Aydan Özoğuz
Christian Schuchardt
Fundamentalisten
Islam
Islamismus
Islamisten
Juden
Muslime
Polizei
SPD-Politikerinnen
Webportale
YouTube
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • M. Z.
    Ich verstehe gerade den Sinn dieses Artikels nicht.

    Wenn ich das richtig verstehe, gibt es auf Youtube einen Film, der zeigt, was AfD-Vertreter während eines Wahlkampfes gesagt haben.

    Welche Bedeutung hat es da, wer hinter der Kamera stand, bzw. welcher Religion der angehört? Das ändert doch an den Aussagen überhaupt nichts. Oder?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. S.
    Hallo Miluzi,
    Sie haben Recht: Egal wer das Video gedreht hat - es würde an den Aussagen nichts ändern.
    Allerdings wurde von AfD-Seite das Gerücht gestreut, Islamisten könnten dahinter stecken. Mit diesem Artikel wollten wir Gerüchten und Fehlinterpretationen entgegenwirken.
    Freundliche Grüße
    Benjamin Stahl, Regionalredaktion
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. Z.
    Hallo Herr Stahl,

    das verstehe nich natürlich. Aber gut, daß wir uns grundsätzlich einig sind.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. G.
    Ich mag die AfD nicht, Herrn Schuchardt schon gar nicht, und vor Muslimen habe ich irgendwie Angst. Aber diese Berichterstattung gibt allen ein Forum, und das ärgert mich dabei am meisten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. H.
    Unabhängig vom AfD- Verhalten muss ich ein paar Worte zu den Ahmadiyyas verlieren:

    Im Artikel sagen sie über sich selbst: "Wir bekennen uns loyal zu dem Land, in dem wir leben", sagt er. Konsens müsse das Grundgesetz sein, "an das sich jeder halten muss, egal welcher Religion er angehört".

    Ende 2019 war eine Veranstaltung in der Scherenberghalle, Gemünden, die ich zusammen mit meinem erwachsenen Sohn besuchte. Während dieser höflich per Handschlag begrüßt wurde, zog der Vertreter der Religionsgemeinschaft seine Hand mir gegenüber zurück... Später schwafelte er als Begründung für dieses Verhalten etwas von "Respekt gegenüber Frauen". Die SPÄTER hinzu gekommenen Frauen waren ALLE mit langen Mänteln und Kopftüchern bekleidet - selbst ein ca. 6-jähriges Mädchen trug Kopftuch. Dies Leute sind stockkonservativ und gelten unter Muslimen als "Sekte"mit eigenem Gründer (ähnlich den Zeugen Jehovas oder auch Mormonen im Christentum)! - Repräsentativ für den Islam sind sie gewiss nicht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Ich kann jedem nur empfehlen nicht nur die fragliche Stelle der Volksverhetzung (7:25) sondern das gesamte Video anzuschauen.

    Auch das Verhalten des "Koranexperten" der afd, ist äußerst entlarvend.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Ist doch schön, dass die von der AfD so offen reden. Auf eines kann man sich verlassen: die AfD entlarvt sich immer wieder selbst.
    #Bildungbildet
    #keinfußbreitdenfaschisten
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten