
Immer wieder kam es in Deutschland zu Angriffen, bei denen die Täter Migranten mit psychischen Erkrankungen waren. Wie beim Messerangriff in Würzburg 2021 und zuletzt in Aschaffenburg Anfang dieses Jahres. Für den unterfränkischen Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Thorsten Grimm, zeigt sich darin ein Versäumnis der Politik: Das Thema Zwangsunterbringung bei psychischen Erkrankungen sei "nie und an keiner Stelle mitgedacht" worden.
Im Interview erklärt der Polizist, warum er Kontrolle und Zurückweisung an den Grenzen nicht für die entscheidende Lösung hält.
Thorsten Grimm: Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass wir ein großes Problem im Land haben. Die Attentate der vergangenen Monate mit mehreren Toten – in Mannheim, Magdeburg, Solingen, Aschaffenburg oder München – haben das gezeigt. Das empfinden wir als Polizei als eine völlig neue Qualität, an die wir uns auch in Bayern und Unterfranken gewöhnen müssen. Und bei all dem ist völlig klar, wir kommen hier nicht um die Zuwanderungsthematik herum.
Grimm: Nein, mir wäre es zu kurz gesprungen, nur über Grenzkontrollen und Zurückweisungen zu sprechen. Das ist ein wesentlicher Baustein. Es muss uns aber klar sein, dass die Probleme im Land sind.
Grimm: Wir müssen die Versäumnisse der letzten Jahre aufarbeiten. Wir laufen in mehreren Punkten meilenweit hinterher. Nach einem Anschlag stellen wir uns doch immer die Frage, wie das passieren konnte, wie sich jemand, der schon seit Jahren in Deutschland ist, radikalisieren konnte – ohne, dass wir ihn auf dem Schirm hatten. Da müssen wir bei den Polizeien länderübergreifend besser zusammenarbeiten. Wir müssen das Thema Online-Fahndung und die vielen datenschutzrechtlichen Fragen, die damit zusammenhängen, angehen.
Grimm: Ich sehe hier ein großes Versäumnis der Politik. Wir haben seit 2015 hunderttausende Menschen, teilweise unkontrolliert, ins Land gelassen. Schutzsuchende aus den Krisenregionen dieser Welt. Kinder, Mütter, Frauen, ältere Menschen, aber auch die jungen erwachsenen Männer, die alle eine Geschichte mitbringen, die oft psychisch belegt ist. Das Thema psychische Erkrankungen und die Frage nach einer möglichen Zwangsunterbringung in entsprechenden Einrichtungen wurden nie und an keiner Stelle mitgedacht.
Grimm: Wir sind schon vor 2015 im Bereich der Unterbringung nicht gut aufgestellt gewesen. Und wenn wir von polizeilichen Unterbringungen reden, können wir uns immer nur auf Fremd- oder Eigengefährdung stützen. Wohl wissend, dass 99 Prozent dieser Maßnahmen ins Leere laufen, weil kurzfristig Untergebrachte am nächsten Tag wieder draußen sind. Da muss der Gesetzgeber ran, damit wir gefährliche Personen leichter dauerhaft unterbringen können. Natürlich müssen aber auch die medizinischen Kapazitäten hochgefahren werden.
Grimm: Für die Polizei stellt sich doch immer die Frage: Wie kommen wir zu mehr Sicherheit? Wenn am Ende die Tat eines psychisch Kranken wie in Aschaffenburg steht, sind die Hürden, jemanden dauerhaft unterzubringen zu hoch. Es waren jetzt in kurzer Zeit zu viele Ereignisse, zu viele ausgelöschte Leben, als dass man sich lange mit der juristischen Frage beschäftigen sollte, wie man das für Betroffene möglichst schonend gelöst bekommt. In der ganzen Diskussion ist mir viel zu viel Täterschutz und viel zu wenig Opferschutz.
Grimm: Wir müssen die Bundespolizei an allen Grenzen verstärken. Die Frage nach dem Personal dafür wird spannend. Letztlich wird es nur über mehr Polizei gehen. Bis wir genügend Stellen haben, müssen sich vielleicht auch andere Bundesländer Gedanken darüber machen, ob sie unterstützende Maßnahmen analog zur bayerischen Grenzpolizei treffen.