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Würzburg
Unterfränkischer Polizeigewerkschafter: Bei einem Messerangriff bleibt der Polizei oft nicht eine Sekunde Zeit
"Wir müssen über ein generelles Messerverbot in der Öffentlichkeit reden", sagt Bezirkschef Thorsten Grimm. Der Polizist fordert eine große Analyse - und eine neue Dienstwaffe.
'Mir kann kein Mensch plausibel erklären, warum man in der Öffentlichkeit ein Messer führen muss': Der unterfränkische Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Thorsten Grimm fordert ein generelles Messerverbot im öffentlichen Raum.
Foto: Heiko Becker  | "Mir kann kein Mensch plausibel erklären, warum man in der Öffentlichkeit ein Messer führen muss": Der unterfränkische Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Thorsten Grimm fordert ein generelles Messerverbot ...
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 15.09.2024 02:26 Uhr

Angesichts steigender Zahlen von Messerangriffen in Deutschland gehen Polizistinnen und Polizisten "mit einem wesentlich höheren Risiko und Gefahrenbewusstsein in jeden Einsatz", sagt Thorsten Grimm. Der Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Unterfranken befürchtet, dass die Polizei häufiger die Schusswaffe einsetzen muss, wenn die Entwicklung nicht gestoppt werde.

Frage: Zuletzt verging kaum eine Woche ohne Meldungen über Messerangriffe in Deutschland. Wie sehr stellt diese Entwicklung die Polizei vor Herausforderungen?

Thorsten Grimm: Die Lage macht den Polizeijob noch diffiziler. Man muss die jeweilige Situation individuell einordnen können: Handelt es sich um ein islamistisches Attentat? Oder handelt es sich um eine psychisch belastete Person, die auf andere eingestochen hat? Wir wissen dabei immer, dass es um das eigene Leben und die Gesundheit geht. Wir sind zwar gut geschult, aber das alles macht natürlich was mit den Kollegen.

Was meinen Sie konkret?

Grimm: Sie passen ihr Einsatzverhalten an. Man geht mit einem wesentlich höheren Risiko und Gefahrenbewusstsein in jeden Einsatz. Logischerweise mit mehr Adrenalin und höherer Anspannung. Die Kollegen überlegen sich gerade bei Messereinsatzlagen, welche Handlungsoptionen sie haben.

Welche sind das?

Grimm: Ganz praktisch betrachtet: Am Einsatzgürtel habe ich ein Reizstoffsprühgerät, also Pfefferspray, und ich habe einen Schlagstock. Beides ist bei einem Messerangriff auf mich selbst nicht hilfreich. Dann bleibt nur die Schusswaffe. Man geht also schon mit dem Gedanken, die Schusswaffe zu benutzen, in so einen Einsatz.

Glauben Sie, dass es zu mehr Schusswaffeneinsätzen seitens der Polizei kommen wird, wenn wir das Thema Messer nicht in den Griff bekommen?

Grimm: Ja. Nehmen Sie den Fall, als neulich in München eine Frau Polizisten in einem Supermarkt mit einem Messer angegriffen hat und erschossen wurde: Es war der erste Schusswaffengebrauch der Münchner Polizei seit 14 Jahren. Das heißt nicht, dass jetzt die Schießwut ausbrechen wird. Aber als Polizist denkt man viel früher und viel gezielter über diese Option nach als früher.

"Das heißt nicht, dass jetzt die Schießwut ausbrechen wird. Aber als Polizist denkt man viel früher und viel gezielter über diese Option."
Thorsten Grimm, unterfränkischer DPolG-Chef, über die Vielzahl an Messerangriffen
Ihre Gewerkschaft fordert seit langem die Ausstattung der Polizei mit Tasern, also Elektroschockpistolen.

Grimm: Der Taser wäre eine gute zusätzliche Option zwischen Pfefferspray und Dienstwaffe. Pilotversuche waren da sehr vielversprechend. Zum Beispiel hat alleine die Androhung, den Taser einzusetzen, die Täter zur Aufgabe gebracht. Deshalb fordern wir einen Taser in jedem Streifenwagen.

Der würde zwar vielleicht verhindern, dass ein Polizist in die Situation kommt, jemanden erschießen zu müssen. Mehr Reaktionszeit verschafft er den Einsatzkräften aber auch nicht.

Grimm: Es stimmt: Es bleibt verdammt wenig Zeit. Das zeigen alle wissenschaftlichen Untersuchungen. Stellen Sie sich vor, bei einem Einsatz zieht jemand unvermittelt ein Messer und greift an: Bei einer Entfernung zum Täter von sechs bis zehn Meter hat man weniger als eine Sekunde Zeit, um zu reagieren. Diese Sekunde hätte ein Polizist, um etwa die Dienstwaffe zu ziehen und noch einen Schuss herauszubekommen.

Es geht also nicht um die Klingenlänge.

Grimm: Die Diskussion über Klingenlängen bringt uns nicht weiter. Wenn man mit einem Messer umgehen kann, kann auch eine Klingenlänge von sechs Zentimetern tödlich sein. Sinnlos wäre auch ein Verbot einzelner Waffen- oder Messergattungen: Je detaillierter ich ein Gesetz fasse, desto schwieriger wird es für die Polizei dessen Einhaltung zu kontrollieren.

Was wäre also eine Maßnahme?

Grimm: Ich glaube, wir müssen über ein generelles Messerverbot in der Öffentlichkeit reden. Mir kann kein Mensch plausibel erklären, warum man in der Öffentlichkeit ein Messer führen muss. Natürlich mit Ausnahmen, etwa zur Berufsausübung oder zu Brauchtumszwecken. Dass wir damit eine Messertat nicht zwingend verhindern können, ist mir völlig klar. Aber das Bewusstsein muss geschärft werden.

"Wir brauchen ein großes 'Lagebild Messer', in dem belastbare Daten zu entsprechenden Vorfällen erhoben werden."
Der unterfränkische DPolG-Chef Thorsten Grimm
Wobei auch ein generelles Verbot schwierig zu kontrollieren wäre.

Grimm: Klar, man braucht Personal, sei es an Bahnhöfen oder in Innenstadtbereichen. Trotzdem wäre es ein wichtiges Signal an die Bevölkerung, dass etwas passiert. Deshalb dürfen wir auch das Grundthema nicht vergessen: Das Problem ist immer der Täter und nicht das Tatmittel. Da wissen wir zu wenig.

Inwiefern?

Grimm: Wir brauchen ein großes "Lagebild Messer", in dem belastbare Daten zu entsprechenden Vorfällen erhoben werden. Altersgruppen, Tätergruppen, Messergattungen, Tatorte – also vier oder fünf Parameter, aus denen man schließen kann, wo wir ein Problem haben und wo wir dann punktgenau ansetzen können, um mögliche Täter vielleicht auch schon im Vorfeld zu erreichen. Wir fordern ein solches Lagebild schon seit Jahren, das bayerische Innenministerium sperrt sich dagegen aber noch.

Das Bundeskriminalamt erfasst Messerangriffe seit 2021, ein bundesweit einheitliches Lagebild soll erstmals für das laufende Jahr erstellt werden. Weiß man aus diesen Daten noch nichts?

Grimm: Wir wissen, dass die Zahlen steigen. Wenn man sich kommendes Jahr die Zahlen für 2024 betrachten wird, wird dabei herauskommen – teilweise zeichnet sich das schon ab –, dass Straftaten im Zusammenhang mit einem Messer zum großen Teil auf männliche Heranwachsende nichtdeutscher Herkunft zurückzuführen sind. Deshalb brauchen wir endlich effektive Begrenzung von Zuwanderung inklusive der erweiterten Möglichkeiten für Zurückweisungen sowie eine bessere Abschiebepraxis. Was man dabei nicht vernachlässigen darf: Das führt zu unglaublich vielen Nachahmern, die zumindest plötzlich auf die Idee kommen, ein Messer mitzuführen. Und das führt ja überhaupt zu der Gefahr, dass es auch eingesetzt wird.

 
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  • Jürgen Huller
    Die Wahrheit ist doch, dass sich solch Taten nie und durch nichts verhindern lassen werden. Alles nur politischer Aktionismus, der keine einzige weitere Tat verhindern wird. Das ist eine Illusion! Sicherheit ist eine Illusion, mit der Versicherungen gute Geschäfte machen.

    Der Täter in Würzburg hatte kein Messer bei sich, als er in die Innenstadt ging. Er ging in die Haushaltsabteilung des Woolworth und hat sich dort einfach ein Messer genommen und es der nächsten Person in den Hals gerammt.

    Wie soll denn sowas verhindert werden? Höhere Strafen? Lachhaft! Das interessiert die Burschen nicht.

    Sollen jetzt alle Küchenmesser, deren Verkauf und Besitz verboten werden? Was ist mit Hämmern, Äxten, Schraubendrehern, Brieföffnern, etc.?

    Man kann auch jemand mit einem Löffel oder spitzen Bleistift umbringen.

    Mein Vorschlag: Wachsam bleiben aber sich nicht durch solche Idioten im eigenen Leben beirren lassen. Genau das wollen die. Dann haben die gewonnen!
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  • "Wir brauchen ein großes "Lagebild Messer", in dem belastbare Daten zu entsprechenden Vorfällen erhoben werden. Altersgruppen, Tätergruppen, Messergattungen, Tatorte – also vier oder fünf Parameter, aus denen man schließen kann, wo wir ein Problem haben und wo wir dann punktgenau ansetzen können."

    Ich denke, es liegen genügend Daten vor, um ganz genau zu wissen, wo wir ein Problem haben. Man darf es leider nur nicht sagen.
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  • Christa Steinmüller
    Dann fordern wir als nächstes ein Autoverbot, da durch Autos ja auch Menschen umkommen.
    Und dann können wir die Polizei ja auch abschaffen, wenn die nichts mehr zu tun haben.
    Nicht das Messer ist das Problem, sondern der Täter!
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  • Matthias Rothkegel
    Ist ein CH-Taschenmesser oder ein Multitool gefährlich und vor allem sind sie Delikt relevant? Küchenmesser dürften es mehr sein!

    Alle Messer ob in Solingen oder Mannheim waren bereits unter den jetzt geltenden §§ an den Orten verboten! Hat leider nichts genützt!

    Marc Henrichmann MdB hat heute in der Debatte die Änderungen des Waffenrechts kritisiert, da die Behörden mit zusätzlichen Bürokratieaufgaben weiter belastet werden und sie sich noch weniger um die wirklichen Probleme kümmern können!

    Bereits heute heißt es zB: WaffG § 5 Zuverlässigkeit ...(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht, ... 3. Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren ... a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind...

    Auf der Basis wurden schon Waffen eingezogen!

    §§ müssen genutzt werden!
    Nicht Aktivismus mit neuen §§ vorgetäusch und mit mehr Bürokratie die Umsetzung bestehnder verhindert werden!
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  • Dietmar Eberth
    Die Polizei braucht Gesetze damit sie handeln kann/darf.

    Das wichtigste ist aber mehr Personal. Egal ob sich das um Waffenbesitz (oder auch im Straßenverkehr) handelt. Aber Kontrollen sind überall nur Stichproben. Dafür sind aber die Länder verantwortlich.
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  • Matthias Rothkegel
    Ein Gesetz zur einfacheren Durchführung von anlaßlose Kontrollen würde der Polizei sicherlich viel einfacher helfen, als ein geändertes WG welches die Ordnungsbehörden überlastet!

    Die Rede von Marc Henrichmann MdB ist in diesem Zusammenhang wirklich hörens- und sehenswert: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7614999#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NjE0OTk5&mod=mediathek
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  • Patrick Rettner
    Derjenige, der mit Absicht loszieht, mit einem Messer auf Menschen einzustechen, wird sich von einem Messerverbot ganz bestimmt aufhalten lassen.
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  • Helga Scherendorn
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Helga Scherendorn
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