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Würzburg
Verteufeltes Plagiat: Wie ein Würzburger Professor in eine Text-Falle tappte
Aufgepasst beim Abschreiben: Ein Wissenschaftler der Uni Würzburg ist auf skurrile Weise dem Autor des Originals auf den Leim gegangen. Was die Universität zu dem Fall sagt.
Fremde Quellen und Gedankengänge müssen in wissenschaftlichen Arbeit korrekt zitiert werden. Wer dies nicht kenntlich macht, begeht geistigen Diebstahl und arbeitet wissenschaftlich nicht sauber.
Foto: Robert Günther, dpa | Fremde Quellen und Gedankengänge müssen in wissenschaftlichen Arbeit korrekt zitiert werden. Wer dies nicht kenntlich macht, begeht geistigen Diebstahl und arbeitet wissenschaftlich nicht sauber.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:19 Uhr

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die etwas auf sich halten und Fördergelder einstreichen wollen, publizieren. Und zwar möglichst viel. Eine lange Liste eigener Beiträge in Sammelbänden oder Fachzeitschriften ist gut für Profil und Karriere. Was, wenn der gefühlte Veröffentlichungsdruck zwar groß, die Zeit für eigene Recherche aber gering ist? Dann wächst offenbar die Versuchung, sich bei Kolleginnen oder Kollegen aus dem Fachgebiet zu bedienen, deren Textpassagen etwas umzuformulieren und als die eigenen auszugeben. Was nichts anderes ist als: ein Plagiat. Ein besonders skurriler Fall ist nun an der Universität Würzburg bekannt geworden.

Wer eines Plagiats überführt wird, dem drohen Sanktionen. Abschreiben hat schon Ministerämter gekostet. Unerfreulich sind die Fälle auch für die betroffenen Hochschulen: Wissenschaftler, die geistiges Eigentum stehlen, befördern nicht gerade den Ruf einer Universität. Deshalb war das Interesse an öffentlicher Aufklärung in der Vergangenheit oft nicht allzu ausgeprägt. Ein Umstand, der den Salzburger Plagiatsprüfer Stefan Weber nervt. "Ich möchte beitragen, dass die Hochschulen so etwas nicht mehr unter den Tisch kehren", sagt der promovierte Medien- und Kommunikationswissenschaftler.

"Ich möchte dazu beitragen, dass die Hochschulen so etwas nicht mehr unter den Tisch kehren."
Stefan Weber, Plagiatsprüfer aus Salzburg

Ein Grund, weshalb Weber den Fall eines Professors der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) gemeldet hat. Auf die Schliche will ihm Weber durch einen anonymen Hinweis auf seiner Internetseite gekommen sein. Es geht um einen Forschungsbericht, den der Wissenschaftler 2007 im Rahmen eines Werkvertrages für ein deutsches Institut veröffentlicht hatte.

Teuflische Namen: Beim Abschreiben auch Fake-Quellen übernommen

Mit einer speziellen Plagiatssoftware konnte Weber den fraglichen Beitrag rasch überprüfen – und stieß dabei auf mehrere Textstellen, die der Autor bei einem österreichischen Professor abgeschrieben hatte. Nur einzelne Wörter oder Satzbauten waren verändert worden – offenkundig, um zumindest formal kein Plagiat zu begehen. Dumm nur, dass der Wissenschaftler in eine Falle des Originalverfassers tappte. Dieser hatte in seinem Text – in juxhafter Anspielung auf die österreichische Perchtentradition – drei Zitate und ihre Quellen frei erfunden. Die vorgeblich wissenschaftlichen Einschätzungen stammten von den Herren "Lucifer Hellman", "K. Rampus" und "H. Tajfel".

Der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber. Er hat jetzt den Fall eines Professors der Universität Würzburg gemeldet.
Foto: Joachim Bergauer | Der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber. Er hat jetzt den Fall eines Professors der Universität Würzburg gemeldet.

Als hätte er geahnt, dass andere bei ihm klauen könnten, erklärt der Verfasser später in einem Online-Hinweis: Sollten Leserinnen oder Leser auf einen der genannten Pseudo-Autoren und ihre zitierten Beiträge stoßen, "dann können diese sicher sein, dass es sich um ein Plagiat handelt".

So weit, so peinlich. Doch damit nicht genug. Laut Plagiatsjäger Weber hat der Würzburger Professor für seine Publikation auch seitenweise die Bibliografie – also das Verzeichnis von Literatur zum behandelten Thema – eins zu eins "abgekupfert".

Von dieser Redaktion mit den Vorwürfen konfrontiert, räumt der Uni-Professor ein "wissenschaftliches Versäumnis" ein, "hinter dem aber zu keinem Zeitpunkt Absicht stand". Gleichwohl, sagt er, "liegt der Fehler bei mir". In dem beanstandeten Kapitel habe er nicht darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um eine "Paraphrase", also Umschreibung des Originaltextes handle.

Band mit dem Plagiatstext nicht mehr veröffentlicht

Bereits vor zehn Jahren hatte sich der Originalautor darüber bei dem herausgebenden Institut beschwert. Dieses stellte daraufhin die Verbreitung des betreffenden Bandes ein. Der Würzburger Wissenschaftler teilt mit, dass er sich schon damals bei dem Verfasser des Originals entschuldigt habe. Eine wirkliche Erklärung für sein Plagiat fand er in seiner Entschuldigung allerdings nicht. Er verweist in der E-Mail an den Originalautor auf eine persönliche und berufliche Überlastungssituation: "Ich habe mir offenbar viel zu viel zugemutet."

Gegenüber der Redaktion weist der Professor darauf hin, dass der fragliche Beitrag bereits vor seinem Dienstantritt in Würzburg erschienen sei. Damals sei er noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer anderen Universität tätig gewesen. Das ist nicht unbedeutend für mögliche persönliche Konsequenzen.

An der Uni Würzburg prüft grundsätzlich eine "Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens" entsprechende Vorwürfe gegen Beschäftigte oder Absolventen. In diesem Fall aber sieht sie keine Zuständigkeit: Das in Frage stehende Verhalten stamme aus einer Zeit, zu der der Professor noch nicht an der Uni Würzburg war. Hier droht ihm also keine Sanktion.

Zuständigkeit: Zwei Universitäten zeigen aufeinander

Und von Seiten der vorherigen Universität des Wissenschaftlers? Dort will man nun den 15 Jahre alten Sachverhalt "gründlich prüfen", heißt es auf Anfrage. Gleichwohl sieht eine Sprecherin unabhängig vom Ausgang kaum eine rechtliche Handhabe. Die habe man nur bei einer Qualifizierungsarbeit wie einer Dissertation oder Habilitation. Bei sonstigen Publikationen, wie im vorliegenden Fall, müssten denkbare Maßnahmen andere ergreifen – etwa der gegenwärtige Arbeitgeber, also die Uni Würzburg.

So schiebt man sich den Ball gegenseitig zu. Plagiatsprüfer Stefan Weber fühlt sich einmal mehr bestätigt, dass Hochschulen derlei Vorgänge noch immer behandeln wie heiße Kartoffeln: "Möglichst schnell aus der Hand geben." Für die ertappten Wissenschaftssünder bedeute dies: "Je länger ein Plagiat unentdeckt bleibt, desto eher kommt der Plagiator davon."

Plagiate an der Uni Würzburg

Richtlinien: Um sauberes wissenschaftliches Arbeiten zu sichern und wissenschaftliches Fehlverhalten zu ahnden, hat die Universität Würzburg eigene Richtlinien erlassem. Zum Fehlverhalten zählen Falschangaben wie erfundene Daten, Plagiate oder die Sabotage von Forschungsvorhaben anderer. Jede Fakultät bestellt Vertrauenspersonen, an die man sich bei konkreten Verdachtsmomenten wenden kann – wie auch an alle Mitglieder der vom Senat eingesetzten "Ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens".
Vorgehen: Die Uni gehe jedem konkreten Verdacht nach, versichert Sprecherin Esther Knemeyer Pereira. Dabei werde unterschieden zwischen einer Vorprüfung und der Einleitung eines förmlichen Untersuchungsverfahrens. Wird ein Fehlverhalten nachgewiesen, sind je nach Schwere verschiedenste Sanktionen denkbar – von arbeitsrechtlichen wie einer Abmahnung oder Kündigung über beamtenrechtliche Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Entzug von akademischen Graden oder der Lehrbefugnis. Auch Schadensersatzansprüche oder – im drastischen Fall – eine Strafanzeige sind möglich. Eine Verjährungsfrist ist in den Richtlinien nicht vorgesehen.
Fälle: In den vergangenen fünf Jahren hat die Uni Würzburg in vier Fällen wissenschaftliche Plagiate sanktioniert. Nach Auskunft der Pressestelle wurde zweimal der Doktortitel entzogen, zwei weitere Verfahren laufen noch. In drei weiteren Fällen ging es nicht um ein Plagiat, sondern anderweitiges wissenschaftliches Fehlverhalten. Bei allen Betroffenen handelt es sich um Beschäftigte, nicht Studierende.
Quelle: Uni Würzburg
 
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  • M. R.
    Ach die Universitäten.
    In den Medien lässt man Anwälte den Anspruch auf Urheberrecht prüfen und einklagen.
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