
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die etwas auf sich halten und Fördergelder einstreichen wollen, publizieren. Und zwar möglichst viel. Eine lange Liste eigener Beiträge in Sammelbänden oder Fachzeitschriften ist gut für Profil und Karriere. Was, wenn der gefühlte Veröffentlichungsdruck zwar groß, die Zeit für eigene Recherche aber gering ist? Dann wächst offenbar die Versuchung, sich bei Kolleginnen oder Kollegen aus dem Fachgebiet zu bedienen, deren Textpassagen etwas umzuformulieren und als die eigenen auszugeben. Was nichts anderes ist als: ein Plagiat. Ein besonders skurriler Fall ist nun an der Universität Würzburg bekannt geworden.
Wer eines Plagiats überführt wird, dem drohen Sanktionen. Abschreiben hat schon Ministerämter gekostet. Unerfreulich sind die Fälle auch für die betroffenen Hochschulen: Wissenschaftler, die geistiges Eigentum stehlen, befördern nicht gerade den Ruf einer Universität. Deshalb war das Interesse an öffentlicher Aufklärung in der Vergangenheit oft nicht allzu ausgeprägt. Ein Umstand, der den Salzburger Plagiatsprüfer Stefan Weber nervt. "Ich möchte beitragen, dass die Hochschulen so etwas nicht mehr unter den Tisch kehren", sagt der promovierte Medien- und Kommunikationswissenschaftler.
Ein Grund, weshalb Weber den Fall eines Professors der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) gemeldet hat. Auf die Schliche will ihm Weber durch einen anonymen Hinweis auf seiner Internetseite gekommen sein. Es geht um einen Forschungsbericht, den der Wissenschaftler 2007 im Rahmen eines Werkvertrages für ein deutsches Institut veröffentlicht hatte.
Teuflische Namen: Beim Abschreiben auch Fake-Quellen übernommen
Mit einer speziellen Plagiatssoftware konnte Weber den fraglichen Beitrag rasch überprüfen – und stieß dabei auf mehrere Textstellen, die der Autor bei einem österreichischen Professor abgeschrieben hatte. Nur einzelne Wörter oder Satzbauten waren verändert worden – offenkundig, um zumindest formal kein Plagiat zu begehen. Dumm nur, dass der Wissenschaftler in eine Falle des Originalverfassers tappte. Dieser hatte in seinem Text – in juxhafter Anspielung auf die österreichische Perchtentradition – drei Zitate und ihre Quellen frei erfunden. Die vorgeblich wissenschaftlichen Einschätzungen stammten von den Herren "Lucifer Hellman", "K. Rampus" und "H. Tajfel".

Als hätte er geahnt, dass andere bei ihm klauen könnten, erklärt der Verfasser später in einem Online-Hinweis: Sollten Leserinnen oder Leser auf einen der genannten Pseudo-Autoren und ihre zitierten Beiträge stoßen, "dann können diese sicher sein, dass es sich um ein Plagiat handelt".
So weit, so peinlich. Doch damit nicht genug. Laut Plagiatsjäger Weber hat der Würzburger Professor für seine Publikation auch seitenweise die Bibliografie – also das Verzeichnis von Literatur zum behandelten Thema – eins zu eins "abgekupfert".
Von dieser Redaktion mit den Vorwürfen konfrontiert, räumt der Uni-Professor ein "wissenschaftliches Versäumnis" ein, "hinter dem aber zu keinem Zeitpunkt Absicht stand". Gleichwohl, sagt er, "liegt der Fehler bei mir". In dem beanstandeten Kapitel habe er nicht darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um eine "Paraphrase", also Umschreibung des Originaltextes handle.
Band mit dem Plagiatstext nicht mehr veröffentlicht
Bereits vor zehn Jahren hatte sich der Originalautor darüber bei dem herausgebenden Institut beschwert. Dieses stellte daraufhin die Verbreitung des betreffenden Bandes ein. Der Würzburger Wissenschaftler teilt mit, dass er sich schon damals bei dem Verfasser des Originals entschuldigt habe. Eine wirkliche Erklärung für sein Plagiat fand er in seiner Entschuldigung allerdings nicht. Er verweist in der E-Mail an den Originalautor auf eine persönliche und berufliche Überlastungssituation: "Ich habe mir offenbar viel zu viel zugemutet."
Gegenüber der Redaktion weist der Professor darauf hin, dass der fragliche Beitrag bereits vor seinem Dienstantritt in Würzburg erschienen sei. Damals sei er noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer anderen Universität tätig gewesen. Das ist nicht unbedeutend für mögliche persönliche Konsequenzen.
An der Uni Würzburg prüft grundsätzlich eine "Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens" entsprechende Vorwürfe gegen Beschäftigte oder Absolventen. In diesem Fall aber sieht sie keine Zuständigkeit: Das in Frage stehende Verhalten stamme aus einer Zeit, zu der der Professor noch nicht an der Uni Würzburg war. Hier droht ihm also keine Sanktion.
Zuständigkeit: Zwei Universitäten zeigen aufeinander
Und von Seiten der vorherigen Universität des Wissenschaftlers? Dort will man nun den 15 Jahre alten Sachverhalt "gründlich prüfen", heißt es auf Anfrage. Gleichwohl sieht eine Sprecherin unabhängig vom Ausgang kaum eine rechtliche Handhabe. Die habe man nur bei einer Qualifizierungsarbeit wie einer Dissertation oder Habilitation. Bei sonstigen Publikationen, wie im vorliegenden Fall, müssten denkbare Maßnahmen andere ergreifen – etwa der gegenwärtige Arbeitgeber, also die Uni Würzburg.
So schiebt man sich den Ball gegenseitig zu. Plagiatsprüfer Stefan Weber fühlt sich einmal mehr bestätigt, dass Hochschulen derlei Vorgänge noch immer behandeln wie heiße Kartoffeln: "Möglichst schnell aus der Hand geben." Für die ertappten Wissenschaftssünder bedeute dies: "Je länger ein Plagiat unentdeckt bleibt, desto eher kommt der Plagiator davon."
In den Medien lässt man Anwälte den Anspruch auf Urheberrecht prüfen und einklagen.