
Erst zwei Tage Beweisaufnahme mit zahlreichen Zeugen, dann zwei Stunden lang die Plädoyers, und anschließend nahm sich die 1. Strafkammer des Würzburger Landgerichts mehr als zwei Stunden Zeit, um das Urteil zu beraten: Für seinen brutalen Angriff auf einen Polizeibeamten Anfang des Jahres in Ochsenfurt ist der heute 24-jährige Angeklagte aus Rodgau in Hessen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Die Vorwürfe aus der Anklageschrift sind nach Auffassung des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage durch die Hauptverhandlung weitgehend bestätigt worden. Demnach ist der 24-Jährige, der auf der A3 mit einem gefälschten KfZ-Kennzeichen unterwegs war, nach einer halsbrecherischen Flucht vor der Polizei in Ochsenfurt mit einem Defekt liegen geblieben. Dort wurde er von einem 42 Jahre alten Polizeibeamten nach seinen Personalien gefragt und durchsucht und rannte weg, bevor ihm Handschellen angelegt werden konnten.
Bei der Verfolgung kam es in einem Hinterhof in der Ochsenfurter Altstadt unter den Augen mehrerer Anwohner zu einem heftigen Kampf, in dessen Verlauf der Angeklagte die Dienstwaffe des Polizisten zu fassen bekam und versuchte, sie Richtung Gesicht des Polizisten zu drehen. Dabei löste sich ein Schuss, durch den zum Glück niemand verletzt wurde.
Polizeibeamter konnte seine Waffe noch rechtzeitig entladen
Weil der Beamte beim Gerangel gedankenschnell das Magazin aus de Waffe gelöst hatte, war ein zweiter Schussversuch des Angeklagten mit der entladenen Pistole erfolglos: Während der 42-Jährige versuchte, an sein Funkgerät zu kommen, "zielte der Angeklagte auf ihn und drückte ab" sagte der Vorsitzende der 1. Strafkammer, Thomas Schuster.
Auch an einem Griff ins Auge und mehreren brutalen Schlägen mit Pistole und Funkgerät auf den Kopf des Polizisten sowie bis zu acht wuchtigen Tritten gegen den Kopf, als der Beamte bereits bewusstlos am Boden lag, hatte die Kammer keinerlei Zweifel: "Danach ging er davon aus, dass der Geschädigte tot war, oder es war ihm scheissegal", so Schuster. Der 24-Jährige habe bei der Tat tödliche Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen. Die Version des Angeklagten, der Erinnerungslücken geltend machte und nur zwei Schläge mit dem Funkgerät einräumte, bezeichnete der Vorsitzende als "Minimalstgeständnis" und "Pseudo-Teilamnesie".
Staatsanwaltschaft plädierte auf versuchten Mord
Für die Nebenklage und die Staatsanwaltschaft war die Tat des Angeklagten ein versuchter Mord, die Anklagevertreterin forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe für den 24-Jährigen. Seine beiden Anwälte waren sich nicht einig: Während Pflichtverteidigerin Vanessa Gerber aus Würzburg vier Jahre Gefängnis für gefährliche Körperverletzung beantragte, hielt Wahlverteidiger Wolfgang Köhl aus Frankfurt eine zweijährige Bewährungsstrafe für angemessen: "Haft wird aus ihm keinen besseren Menschen machen, er wird im Gefängnis höchstens dazu lernen".
Bei der Strafzumessung überraschte das Gericht dann mit einer rechtlichen Bewertung, die in keinem der vier Plädoyers zur Sprache gekommen war. Es müsse zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dass ihm bei der Kontrolle durch die Polizei der Tatvorwurf nicht mitgeteilt worden sei, erläuterte der Vorsitzende. Dadurch sei laut eindeutiger Rechtsprechung die gesamte polizeiliche Maßnahme rechtswidrig gewesen: "Ob man das für praxisnah hält oder nicht, ist eine andere Frage", sagte Schuster.
Polizeiliche Maßnahme war möglicherweise rechtswidrig
Jedenfalls habe sich der Angeklagte objektiv in einer Notwehrlage befunden. Seine brutalen Schläge und Tritte seien dadurch zwar nicht gerechtfertigt und "völlig außer Verhältnis" gewesen. Die Rechtswidrigkeit der Polizeikontrolle musste nach den Worten des Vorsitzenden aber bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Erheblich ins Gewicht fielen dabei auch eine späte Entschuldigung des Angeklagten und die Ankündigung kurz vor den Plädoyers, dem Polizisten ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zahlen zu wollen. "Es tut mir alles wirklich sehr leid. Ich hatte Angst, dass ich im Knast lande", sagte der 24-Jährige in Richtung des Geschädigten. Der Polizeibeamte war nach der Tat sieben Wochen lang dienstunfähig und wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung.
Er hatte nach den brutalen Schlägen und Tritten seine Dienstwaffe wieder geladen, erneut die Verfolgung aufgenommen und den Angeklagten, der auf einem gestohlenen Fahrrad flüchten wollte, schließlich mit einem Schuss ins Bein gestoppt. Auch diese Verletzung des 24-Jährigen hatte Einfluss auf die Höhe seiner Strafe. Unter Berücksichtigung aller Umstände ging das Gericht von einem so genannten minder schweren Fall des Totschlags aus (Höchststrafe zehn Jahre) und verurteilte ihn zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Ob die Staatsanwaltschaft Revision einlegen wird, war am Freitag noch nicht bekannt.
War der betroffene Beamte da alleine ? Das ist ja irgendwie sehr rätselhaft
Wer sich aber mit einer schlecht bezahlten Pflichtverteidigerin vertreten läßt schaut vor Gericht halt „alt“ aus.
Während Manfred Engler, mit Schaum vorm Mund, noch härtere strafen fordern, lachen sich die Straftäter, die über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, ins Fäustchen.
Denn:“ Der Wahlverteidiger und der Pflichtverteidiger erhalten im Grunde dieselben Gebühren, nur dass die jeweilige Gebühr für den Pflichtverteidiger niedriger ausfällt als für den Wahlverteidiger. Außerdem sind die Gebühren für den Wahlverteidiger Betragsrahmengebühren, wogegen der Pflichtverteidiger nur Festgebühren erhält.“
Wie soll das der einfache Bürger verstehen?
Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag ist:
- Totschlag = vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen
- Mord = vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen + Verwirklichung der Mordmerkmale von § 211 StGB
Dass die Strafe im Ergebnis "nur" etwas mehr als fünf Jahre beträgt, liegt an der objektiven Notwehrlage. Diese war deshalb anzunehmen, weil die polizeiliche Maßnahme rechtswidrig war. Allerdings hat der Täter gerade nicht notwehrkonform gehandelt, das nennt man "Notwehrexzess". Deshalb wurde er bestraft.
Das Urteil ist gut vertretbar
Meine Meinung: das Strafmaß ist zu niedrig.
Hätte der Polizist den Grund der Kontrolle genannt, wäre alles anders?
Die Brutalität und die Tötungsabsicht, sowie die schweren Verletzungen des Beamten waren dieselben.
Ob das Strafmaß angemessen ist, wird man nur anhand der vorliegenden Informationen nicht hinreichend beurteilen können. Egal wie es ausgefallen wäre, i-jemandem ist es immer zu niedrig.
Ist das Verhalten des Täters brutal und abscheulich? Absolut. Sollte er eingesperrt werden? Natürlich. Sollte man der Frage nachgehen, woher seine Brutalität kommt und ob sie etwas mit seiner sozialen Prägung (um nicht "Herkunft" zu sagen) zu tun hat? Wäre sinnvoll.
P.S.: Die Tötungsabsicht können Sie im Rahmen der Strafzumessung nicht berücksichtigen, da sie bereits die Strafbarkeit an sich begründet (Doppelverwertungsverbot).
Durch Überbewertung wird viel verzerrt!
Die Gesetzeslage sollte so schnell als möglich dahingehend geändert werden, daß auch der "Totschlag" härter zu ahnden ist.
Und außerdem sollte bei Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit bei solch schweren Delikten aufgehoben werden können und diese Straftäter nach Verbüßung ihrer Taten ausgewiesen werden.
Sie sagen, dass der Strafrahmen von Totschlag zu niedrig ist. Wo liegt er denn?