Das fragwürdige Liebesleben eines ehemaligen Lehramtsstudenten steht jetzt erneut im Mittelpunkt eines Prozesses am Landgericht Würzburg: Liebte der angeklagte 30-Jährige nur den unverbindlichen Sex mit häufig wechselnden Partnerinnen, wie er sagt? Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh ist überzeugt: Der Angeklagte habe junge Frauen als Objekte seiner Begierde angesehen und ihnen gegen ihren Willen brutal Gewalt angetan.
Im Mittelpunkt: mutmaßliche Vergewaltigung im Ringpark
Der schwerste Vorwurf: Nach einer Zechtour im Juni 2018 soll der damalige Student eine flüchtige Bekannte auf dem Heimweg in der Grünanlage beim Kriegerdenkmal neben der Residenz vergewaltigt haben. Laut Anklage beschuldigten drei Intimpartnerinnen den 30-Jährigen, sie geschlagen, gewürgt und zu unerwünschten Praktiken gezwungen zu haben. Ein Dutzend Frauen hatten nur durch Zufall erfahren, dass er intime Momente ohne ihr Wissen heimlich filmte. Dies gab er zu, die schweren Vorwürfe aber bestritt der Angeklagte im Prozess, der Ende Juni 2020 begonnen hatte.
Weitere Fälle in Würzburg und Schweinfurt bekannt geworden
Im Herbst wurden die Verhandlungen unterbrochen. Nachdem Berichte über die Erlebnisse der Opfer öffentlich geworden waren, hatte ein halbes Dutzend weiterer Frauen den Mut gefasst, ihr Schweigen zu brechen. Sie schilderten vergleichbare, bisher unbekannte Vorfälle, die nun Teil der Anklage werden.
Diese könnte noch umfangreicher sein, wenn das Landgericht drei weitere mutmaßliche Fälle gewaltsamer Intimitäten übernimmt, bei denen die Staatsanwaltschaft Schweinfurt ermittelt hatte. Dies soll nach Informationen aus Justizkreisen aber formal schwierig sein, weil den Angaben zufolge Fall bereits angeklagt und die beiden anderen mangels Beweisen eingestellt worden waren.
Ein Mann mit zwei Gesichtern
Der angeklagte Würzburger hatte als Model gearbeitet und als Kickboxer gewisse Bekanntheit erlangt. Im Internet gibt es Videos seiner Auftritte, die allerdings Jahre zurück liegen. Zum unverbindlichen Sex, der später sein Leben dominierte, sagt er: "Ich hatte viele Frauen." Er schätze, etwa 200. Stets sei man im gegenseitigen Einvernehmen intim geworden. Warum die Frauen das ganz anders in Erinnerung haben, könne er sich nicht so recht erklären.
Seine Tätowierungen würden seine gute und seine schlechte Seite zeigen, hatte der attraktive Frauenliebling 2016 in einem Zeitungsbericht kokettiert. Nach den Aussagen der Intimpartnerinnen zeigte er auch charakterlich zwei Gesichter: zunächst charmant, witzig, gewinnend, dann bestimmend, rücksichtslos, gewalttätig. Den Frauen zufolge ging es ihm letztlich um unverbindlichen Sex, schnell wechselnd, mit Würgen des Partners, Schlägen und erzwungenem Analverkehr. Und um Videos als Erinnerung, mit denen sich später angeben ließ.
Passantinnen hatten der wehrlosen Frau mutig geholfen
Der Angeklagte war nach der mutmaßlichen Vergewaltigung am Kriegerdenkmal in der Sommernacht 2018 in Tatortnähe festgenommen worden. Seine Bekannte war nur knapp mit dem Leben davongekommen – dank mutiger Passantinnen, die der wehrlosen Frau nachts im Park (ohne Rücksicht auf die eigene Gefahr) zu Hilfe geeilt waren. Das Gericht überlegte deshalb während des Verfahrens bereits, die Anklage in versuchten Mord zu ändern.
Wegen Corona Prozess in der Festhalle
Nun startet das Verfahren am kommenden Dienstag von vorne - mit weiteren Vorwürfen. Corona-bedingt findet der Prozess nicht im Landgericht selbst statt. Das Würzburger Gericht hat dafür erneut die Festhalle am Wöllrieder Hof angemietet. Dort hatte im Sommer 2020 bereits mit zahlreichen Beteiligten der große Prozess gegen fünf Betrüger eines Familienclans aus den Rheinland stattgefunden.