
Wenn an diesem Dienstag der "Gong zur ersten Runde" ertönt, steht dem Kickboxer Ilker A. ein schwerer Kampf bevor - nicht im Ring, sondern auf der Anklagebank: Der Staatsanwalt geht davon aus, dass der heute 30-jährige Würzburger Frauen mit Gewalt zu Intimitäten gezwungen und ohne ihr Wissen beim Sex gefilmt hat.
Im Vorfeld abgestempelt
Wegen der öffentlichen Fahndung nach einem der mutmaßlichen Opfer ist der Sonnyboy mit dem gewinnenden Lächeln von Boulevard-Medien schon vor Prozessbeginn als "Serien-Vergewaltiger" abgestempelt und vorverurteilt worden. Der Lehramtsstudent ab Dienstag kämpft vor dem Würzburger Landgericht deshalb nicht nur um seine Freiheit, sondern auch gegen Vourteile und Klischees. Ein Kampfsportler mit Migrationshintergrund, der sich mit Gewalt nimmt, was ihm gefällt?
Auch ohne die Sex-Videos wäre der 30-Jährige laut Anklage wegen des Verdachts der Vergewaltigung vor Gericht gelandet. Mit den Aufnahmen lieferte er den Ermittlern viel Material - und das Fahndungsfoto machte ihn bekannter als all seine Kämpfe, die im Internet zu sehen sind, seine Auftritte als Model auf dem Laufsteg oder seine ungewöhnlichen Tätowierungen, die er früher gerne präsentierte.
In diesem Frühjahr bat die Würzburger Polizei die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche nach einer Frau, von der die Ermittler Bilder, aber keinen Namen hatten. Sie ist eine von rund einem Dutzend Frauen, die der Verdächtige bei intimen Begegnungen zwischen 2015 und 2018 insgeheim gefilmt haben soll.
Mit körperlicher Kraft den Widerstand gebrochen
Den Ermittler stellte sich nicht nur die Frage, was Ilker A. mit den Aufnahmen bezweckte. Die Aufnahmen nähren laut Staatsanwalt Tobias Knahn auch den Verdacht, dass sich manche der Frauen gegen bestimmte Sexpraktiken wehrten, aber A. mit seiner körperlichen Überlegenheit ihren Widerstand brach.
Eines der Opfer, dessen Identität sie nicht kannte, suchte die Polizei deshalb öffentlich. Ilker A. musste als Verdächtiger das Fahndungsfoto mit seinem Gesicht hinnehmen - trotz Unschuldsvermutung und Persönlichkeitsrechten. Inzwischen meldete sich die gesuchte Zeugin bei der Polizei. Ermittlern zufolge soll sie noch immer angegriffen wirken von der vier Jahre zurück liegenden Begegnung - und sie soll ausgesagt haben.
Viele Filme und einige Zeugen
Für den Prozess sind 17 Verhandlungstage angesetzt - ein Hinweis darauf, das der Angeklagte schweigt oder die Taten bestreitet. Laut Anklage zeigen zwei Filmsequenzen, wie Frauen sich wehrten, hörbar „nein“ sagten oder um Hilfe riefen. Eine der Frauen soll der 30-Jährige zu ungeschütztem Verkehr gezwungen haben.
Von dem gravierendsten Fall der Anklage gibt es keinen Film, aber Zeugen: A. soll im Sommer 2018 gegen 3 Uhr morgens eine Frau von einer Bar aus nach Hause begleitet haben. Unterwegs, im Ringpark, soll er laut Anklage Lust auf Sex gehabt haben, seine alkoholisierte Begleiterin angeblich nicht. Andere Kneipen-Heimkehrer hörten in der Nähe des Kriegerdenkmals Hilferufe, die dann unterdrückt wurden. Verletzungen am Hals legen die Vermutung nahe, dass A. die Frau gewaltsam am Schreien hinderte.
Zeugen ließen sich nicht abwimmeln
Als sich die Passanten näherten, soll A. den Eindruck erweckt haben, sie würden das Paar beim einvernehmlichen Sex stören. Doch die Zeugen ließen sich nicht abwimmeln. Der Streit eskalierte, der Angeklagte soll einer störenden Passantin ins Gesicht geschlagen haben und davon gerannt sein. Zwei Zeugen verfolgten ihn und riefen die Polizei, die Ilker A. schließlich festnahm - auf einer Parkbank sitzend.
Für seinen Mandanten gelte die Unschuldsvermutung, sagt Anwalt Martin Reitmaier. Zu Details will er erst vor Gericht Stellung nehmen. Möglicherweise findet der erfahrene Strafverteidiger einen Weg, zumindest einem Teil der Frauen den öffentlichen Auftritt vor Gericht zu ersparen.
Der Prozess beginnt am Dienstag um 13 Uhr.
Bei dem Anklagekatalog???