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Würzburg/München
Verfassungsklage: Benachteiligt das bayerische Wahlrecht die Unterfranken?
Um in Unterfranken Sitze zu erringen, benötigte ein Landtagskandidat 25 Prozent mehr Stimmen als in Niederbayern. Ist das gerecht? Verfassungsrichter müssen nun urteilen.
Der Bayerische Landtag zählt aktuell 25 Abgeordnete mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 180. Nur für Unterfranken gibt es keine Überhang- und Ausgleichsmandate.
Foto: Peter Kneffel, dpa | Der Bayerische Landtag zählt aktuell 25 Abgeordnete mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 180. Nur für Unterfranken gibt es keine Überhang- und Ausgleichsmandate.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:03 Uhr

Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten zählt der Bayerische Landtag aktuell 205 statt der gesetzlich vorgeschriebenen 180 Sitze. Die 25 zusätzlichen Abgeordneten kommen aus ganz Bayern, nur nicht aus Unterfranken. Die Region ist – rein zahlenmäßig – deutlich schlechter im Maximilianeum vertreten als andere Regierungsbezirke. Grund dafür sind Regelungen im Wahlrecht, die nach Ansicht von vier Wählern aus Unterfranken nicht verfassungsgemäß sind. Deshalb haben die vier, darunter drei Politiker der Grünen, jetzt beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Popularklage eingereicht.

"Jede Stimme muss gleich viel wert sein", sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen), die die Kläger federführend vertritt. Genau dieser Grundsatz werde aktuell nicht eingehalten: Um ein Mandat zu erringen, mussten Kandidaten bei der Landtagswahl in Unterfranken im Schnitt knapp 70 000 Stimmen gewinnen, das sind rund 25 Prozent mehr als beispielsweise in Niederbayern, wo pro Sitz nur 56 000 Stimmen erforderlich waren. Betrachtet man einzelne Parteien, sind die Unterschiede noch größer: Während die FDP in Schwaben 88 000 Stimmen für einen Sitz  benötigte, reichten für die SPD in Niederbayern knapp 41 000 Stimmen.

Überhang- und Ausgleichsmandate werden nicht bayernweit berechnet

Grund für diese Ungleichheit sind die Regelungen im Wahlgesetz, laut denen die Überhang- und Ausgleichsmandate nicht bayernweit, sondern auf Wahlkreisebene berechnet werden. Wahlkreise bei der Landtagswahl sind die Regierungsbezirke. Bei der Landtagswahl 2018 gewann die CSU in sechs Wahlkreisen mehr Direktmandate als ihr nach dem Gesamtstimmen-Ergebnis zustanden. Diese Sitze mussten ausgeglichen werden. Nur in Unterfranken, wo die CSU mit 41,4 Prozent (bayernweit: 37,2 Prozent) ihr bestes Wahlkreis-Ergebnis erzielte, ergaben sich keine Überhang- und damit auch keine Ausgleichsmandate.

Durch die gesonderte Ermittlung von Überhang- und Ausgleichsmandaten in den einzelnen Wahlkreisen werde die Repräsentation von Regionen und Parteien im Landtag "verzerrt", sagt Klägerin Rottmann. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass jeder Stimme grundsätzlich das gleiche Gewicht zukommen muss. Ein Prinzip, das der Verfassungsgerichtshof immer wieder in Urteilen bestätigt habe. 

Landtag wies Petition aus Unterfranken zurück

Die Mehrheit im Landtag hat Kritik am Wahlrecht zuletzt zurückgewiesen. Im April behandelte der Verfassungsausschuss eine Eingabe von Franz Gebhart aus Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen). In einer Petition hatte der ehemalige Finanzbuchhalter, der jetzt zu den vier Klägern gehört, anhand eines komplexen Rechenmodells gefordert, noch im aktuellen Landtag  zwölf Abgeordnete nachzunominieren, davon drei aus Unterfranken. Während Grüne und SPD vorschlugen, über eine Lösung für das Proporz-Problem ab den nächsten Wahlen zu diskutieren, lehnten CSU, Freie Wähler, AfD und FDP jegliche Nachbesserungen ab. Dass in manchen Wahlkreisen Überhangmandate entstünden und in anderen nicht, sei "nicht eine notwendige Folge des Wahlrechts, sondern eine Folge des tatsächlichen Wahlverhaltens", hieß es in einer Stellungnahme von Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU).

Juristin Rottmann will sich mit dieser Argumentation nicht abfinden. Sie hofft, dass die Verfassungsrichter den Landtag auffordern, das Wahlgesetz gerechter zu gestalten, ohne dabei das Parlament weiter aufzublähen.  Mit einer Entscheidung ist erst im neuen Jahr zu rechnen.

 
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  • A. G.
    wenn es um die eigenen interessen unserer politiker geht tut man sich halt schwer etwas zu ändern, es soll ja jeder sein pöstchen bekommen.
    das man dafür den bundes bzw. landtag immer weiter aufbläht ist ja nicht die schuld der politik, schuld ist der wähler.
    dessen wahlverhalten führt ja zur jetzigen situation, meint zumindest der herr eck.
    kostet halt ein paar millionen mehr im jahr, aber der steuerzahler berappt es ja.
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  • R. D.
    Vielleicht ist es manchmal besser die Würzburger haben in Bayern nicht soviel zu sagen....?
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  • H. M.
    Sehr gehrte Damen und Herren,

    warum und mit welchem Recht hat eine Stadt (München) mehr Vertreter als ein ganzer Regierungsbezirk (Unterfranken)?

    Die Fläche müsste auch eine Berücksichtigung finden.
    Der Freistaat Bayern, das größte Land der Bundesrepublik Deutschland, gliedert sich heute in 71 Landkreise und 25 kreisfreie Städte, die in ihren Rechten und Aufgaben den Landkreisen gleichgestellt sind.

    Dieses Wissen als Hintergrund könnte man für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt einen (würde den Landtag verschlanken) oder zwei Landtagsabgeordnete entsenden.

    Diese Frage zu klären, liebe Leserinnen und Leser und Pressevertreter, müsste Parteiübergreifend unsere größte Sorge sein!!!!

    Wann verlieren wir rechnerisch unser nächstes Mandat nach München und ab wann sind wir nicht mehr, dann im Bayerischen „Stadttag“ vertreten?

    Gruß
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