
"Vergesst Nordsee, Ostsee, Gardasee: Es gibt ja den Main!" - Nach diesem Motto haben in den Corona-Jahren die Menschen in Mainfranken ihren Fluss als Naherholungsgebiet neu entdeckt. Schon in den vergangenen zwei Sommern zog es sehr viele Menschen – auch aufgrund der Corona-bedingten Reiseeinschränkungen - an und auf den Main. "Aber in diesem Hitzesommer ist es extrem", sagt Polizeihauptkommissar Sven Zimmermann. "So viel wie heuer war auf dem Wasser noch nie los."
Zimmermann, 51 Jahre alt, kann das beurteilen - die Überprüfung des Mains gehört zu seinem Job. Der Mann, der in seiner Jugend "auch mal bei der Marine" war, ist mittlerweile seit langem Polizist und seit 2018 Leiter der Wasserschutzpolizei (WaPo) Würzburg und damit eines Teams von 15 Leuten.

Hochbetrieb auf dem Wasser, sagt Zimmermann, bedeute natürlich auch: Hochbetrieb für die Wasserschutzpolizei. Was er für besonders auffällig hält in diesem Extremhitze-Sommer? "Um sich abzukühlen, gehen die Leute aufs Wasser mit allem, was irgendwie schwimmt. Und mit allem, was nur irgendwie aufblasbar ist", sagt der Polizeihauptkommissar. Rosarote Schwimm-Einhörner auf den Mainwellen hat er erst kürzlich gesichtet. Mal sehen, ob an diesem Abend erneut Schwimmtiere auf Kollisionskurs mit Gütertransportschiffen gehen.
Die Wasserschutzpolizei Würzburg muss 150 Streckenkilometer kontrollieren
Der Main-Abschnitt, den Zimmermanns Team kontrollieren muss, erstreckt sich über rund 150 Kilometer; von der Schleuse Faulbach nahe Wertheim bis Volkach (Lkr. Kitzingen). Eine der meistfrequentierten Teilstrecken ist jene zwischen Würzburg und Randersacker - und diese "bestreift" jetzt das offene Polizeiboot.

Einhörner auf Kollisionskurs sind gerade nicht unterwegs, dafür aber vier neonbunte, zusammengebundene Schwimmringe, auf denen vier junge Männer sich treiben lassen. Mitten auf dem Main. Also mitten in der Fahrrinne der großen Binnenschiffe und Flusskreuzfahrtsschiffe, die – trotz niedrigen Wasserstands –aktuell weiter den Main befahren, und zwar rund um die Uhr.
Praktisch jede Minute kann also einer dieser 135-Meter-Kübel, deren Bremswege mehrere hundert Meter lang sind, hinter der nächsten Uferböschung auftauchen. "Bleiben Sie mal lieber in Ufernähe! Wenn nämlich ein Gütertransportschiff um die Ecke kommt, dann sind Sie weg!", ruft Zimmermanns Kollegin vom Polizeiboot aus den Männern zu.
Badende würden sich oft zu wenig Gedanken darüber machen, welche Sogwirkung große Schiffe entwickeln und welche – manchmal tödliche – Gefahr von ihnen ausgehe, sagt das WaPo-Team. Die jungen Männer nehmen sich den Hinweis der Polizistin zu Herzen und paddeln Richtung Ufer.
Die Leute fahren vorsichtiger, wenn die Polizei kommt – auch auf dem Main
"Unsere Arbeit ist zu einem Gutteil Prävention", erklärt Polizeihauptkommissar Zimmermann. Tauche auf der Straße ein Streifenwagen auf, werde sofort vorsichtiger gefahren. "Genauso ist das bei uns hier auf dem Main", sagt der WaPo-Chef. Allein schon das Wissen, dass die Wasserschutzpolizei die Mainabschnitte kontrolliere, lasse die Leute vernünftiger handeln – meistens jedenfalls. Aber nicht immer.
Zusammenstöße oder Beinahe-Unfälle zwischen Ruderern und unerfahrenen Stand-Up-Paddlern, zwischen Bootsnovizen und Luftmatratzen-Helden, zwischen Schlauchboot-Träumern und Rückenschwimmern – die gebe es immer wieder.
Und dann deutet Zimmermann auf die zahlreichen Partyboote und Grillboote, die an diesem Abend zwischen Stadtstrand und Sebastian-Kneipp-Steg herumdümpeln. Wer sie mietet, muss üblicherweise für ein paar Stunden deutlich über 200 Euro zahlen, braucht aber keinen Bootsführerschein.
Wenn Bootsführer betrunken sind, schleppt die Polizei ein Grillboot auch schon mal ab
Dass zum Feiern Bierkästen und Sektflaschen und auch mal Wasserpfeifen mit aufs Partyboot geschleppt werden, ist eher die Regel als die Ausnahme. Weshalb Zimmermanns junge Kollegin, die seit März das Würzburger WaPo-Team verstärkt, gerade alle Partyboote sehr genau mustert: Wo hat ein Bootsführer sein Gefährt nicht mehr im Griff? Wo hat augenscheinlich einer der Bootsführer genauso stark gebechert wie seine Partygäste?

Für eine Kontrolle vertäut die WaPo üblicherweise ihr Boot mit dem Partyboot und "bittet den Bootsführer an Bord" – zum Alkotest. Denn auch wenn der Bootsführer keinen Führerschein braucht: Nüchternheit ist beim Bootfahren Bedingung. Und wenn der Bootsführer einen übern Durst getrunken hat? "Dann schauen wir erst, ob einer der anderen Partygäste das Boot zurückfahren kann", sagt Zimmermann. "Wenn nicht, dann müssen wir das Ding halt abschleppen." In letzter Zeit habe es einen solchen Vorfall mit einem Partyboot und zwei Vorfälle mit Grillbooten gegeben.
Auch am Abend ist auf dem Main noch viel los
"Fahrt doch mal lieber in die andere Richtung!" ruft ein Polizist scherzhaft einer Gruppe Ruderinnen zu, deren Gefährt offenbar durch die Polizeiboot-Wellen außer Takt geraten ist.
Das Polizeiboot fährt weiter Richtung Randersacker, später nach Eibelstadt. Obwohl die Sonne schon sinkt, bevölkern Paddlerinnen im Bikini den Main, schwimmen weiter ganze Familien im seichten Flusswasser, trainieren Sportler in ihren Achtern, brettern Sportbootfahrer manchmal haarscharf an Mini-Schlauchbooten vorbei.
Kurz vor Schichtende: eine Frau wird vermisst
Und auch Angler werfen jetzt ihre Leinen aus – Main-Angeln liege wieder stark im Trend, berichten die Polizistinnen und Polizisten der Wasserschutzpolizei. Zimmermanns Team überprüft an diesem Abend noch etliche Angler daraufhin, ob sie einen Angelschein haben und lässt sich von einigen Sportbootfahrern den Bootsführerschein zeigen.
Kurz vor Schichtende: "Eine Vermissung!", so formuliert es Polizeihauptkommissar Sven Zimmermann. Der Ehemann einer Stand-Up-Paddlerin hat in Sorge bei der Polizei angerufen, als Frau und Kind von einem Mainausflug nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückkehrten. Spät am Abend sucht das WaPo-Team noch den Main bei Eibelstadt ab - vergeblich. "Die Frau hatte aber glücklicherweise gar keinen Unfall, sie hatte sich nur verspätet", berichtet Zimmermann nach Schichtende.