
Durch den Anschlag von Solingen mit drei Toten und acht Verletzten ist der islamistische Terror zurück in Deutschland. Acht Jahre, nachdem das erste Mal ein Attentäter im Namen des sogenannten Islamischen Staats (IS) hierzulande zugeschlagen hatte: Am 18. Juli 2016 verletzte ein junger Geflüchteter vier Menschen in einem Regionalzug bei Würzburg und eine weitere Person auf seiner Flucht durch den Stadtteil Heidingsfeld. Bis heute hat die Generalbundesanwaltschaft die Akte nicht geschlossen.
Der Täter war von Spezialkräften der Polizei kurz nach dem Anschlag vor acht Jahren erschossen worden. Doch eine Sprecherin der Karlsruher Behörde bestätigte auf Anfrage: "Die Ermittlungen dauern an." Doch was soll noch ermittelt werden?
Nach Informationen dieser Redaktion aus Sicherheitskreisen werden Verfahren mit einem möglichen IS-Bezug immer offen gehalten. Die Hoffnung der Ermittler sei es, bei Taten einzelner Radikalisierter die Leute im Hintergrund zu finden. Sowohl der Axt-Attentäter von Würzburg als auch der Islamist, der sich nur eine Woche später bei einem Musikfestival im mittelfränkischen Ansbach mit einer Rucksackbombe in die Luft sprengte und 15 Menschen verletzte, hatten von IS-Kontaktpersonen im Ausland Anweisungen erhalten und waren bis zuletzt per Handy gesteuert worden.
Axt-Attentäter chattete am Tattag unmittelbar vor Angriff mit mutmaßlichem IS-Mann
"Ich werde heute in Deutschland einen Anschlag mit einer Axt unternehmen", hatte der Attentäter von Würzburg am 18. Juli 2016 seinen Chat-Protokollen zufolge an einen mutmaßlichen IS-Kontakt geschrieben. Wenig später schob er nach: "Bete, dass ich zum Märtyrer werde. Ich warte jetzt auf den Zug." Als er in die Regionalbahn Ochsenfurt–Würzburg eingestiegen war, meldete er sich erneut: "Fang jetzt an." Der Chat-Partner antwortete: "Jetzt erlangst du das Paradies."
Schon in den Tagen zuvor hatte sich der junge Geflüchtete mit seinem IS-Kontakt über die Planung des Anschlags ausgetauscht. Dabei ging es unter anderem um die Wahl der Tatwaffe und um den Umgang mit dem Bekennervideo, das er an eine IS-Propaganda-Agentur schicken sollte.
Täter war älter als zunächst angenommen
Ob es jemals gelingt, den unbekannten Chat-Partner festzunehmen, ist fraglich. Deutsche Ermittler sind auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden angewiesen - etwa in Syrien oder im Irak. Bereits vor einigen Jahren hatte diese Redaktion aus Ermittlerkreisen erfahren, dass die Behörden offenbar immerhin wissen, wer der mutmaßliche IS-Kontaktmann war. Ausgeliefert wurde er demnach bislang aber nicht.
Auf viele offene Fragen, etwa ob sich der Attentäter erst in Deutschland radikalisiert hatte, gibt es weiterhin keine Antworten. 2021 hatte die Generalbundesanwaltschaft gegenüber der Redaktion allerdings erklärt, dass der Geflüchtete älter war als angenommen. Zunächst war immer von einem 17-Jährigen die Rede gewesen. Laut einer rechtsmedizinischen Untersuchung sei er "zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt" gewesen, erklärten die Ermittler schließlich - also volljährig.
Herkunft weiter unklar: Afghanistan oder Pakistan oder anderes Heimatland?
Zudem gab es Zweifel an seiner tatsächlichen Herkunft. Anfangs war Afghanistan als Heimatland angenommen worden. Fünf Jahre nach dem Anschlag hieß es, seine Herkunft habe noch "nicht zweifelsfrei geklärt werden" können. Es gebe aber "Anhaltspunkte dafür, dass er sich eine gewisse Zeit in Pakistan aufgehalten hat".
Ermittlungen zu Terroranschlägen können sehr lange fortgeführt werden. Möglich ist das, wenn Fälle wie beim Axt-Anschlag im Sommer 2016 unter "versuchter Mord" oder - wie beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 - unter "Mord" laufen. Beide Straftaten verjähren nicht.