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Würzburg/Schweinfurt
Rund 75 Prozent der Abschiebungen aus Unterfranken gescheitert: Was sind die Gründe?
Nur jede vierte Rückführung in der Region gelingt. Personen, die abgeschoben werden sollen, tauchen unter oder täuschen akute Krankheiten vor, sagen die Behörden.
Ein Großteil der Abschiebungen wird nicht durchgeführt. Auch in Unterfranken ist die Quote der gescheiterten Rückführungen hoch.
Foto: Ivana Biscan | Ein Großteil der Abschiebungen wird nicht durchgeführt. Auch in Unterfranken ist die Quote der gescheiterten Rückführungen hoch.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.09.2024 02:29 Uhr

Ein Großteil der Abschiebungen in Deutschland scheitert. Bundesweit konnten im Jahr 2023 laut Bundespolizei 60 Prozent der rund 53.000 geplanten Abschiebungen nicht durchgeführt werden. In der Region fällt die Bilanz noch weit deutlicher aus. Im vergangenen Jahr wurden durch die Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken 226 Personen abgeschoben. Bei 725 Personen scheiterte die geplante Abschiebung, teilt die Regierung von Unterfranken auf Anfrage mit. Das ist eine Quote von 76 Prozent.

Was sind die Gründe? Zuständig für die Durchführung der sogenannten Rückführungen ist die Polizei, insbesondere die Koordinierungsgruppe Asyl bei der Polizeiinspektion Schweinfurt als Zentralstelle für Unterfranken. Dort werden laut Polizeipräsidium Unterfranken die Einsätze geplant. Gemessen an den vorliegenden Zahlen sind es mehrere pro Woche.

Chef der Polizeigewerkschaft: "Müssen uns an der Nase herumführen lassen"

Für seine Kolleginnen und Kollegen sei die aktuelle Situation "nicht akzeptabel", sagt Thorsten Grimm, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Unterfranken. Das Thema Abschiebungen führe innerhalb der Polizei seit langem "zu großer Frustration, weil wir uns da an der Nase herumführen lassen müssen".

Laut dem Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen werden den Betroffenen nur noch in Einzelfällen ihre anstehende Abschiebung angekündigt - etwa bei Familien mit kleinen Kindern. Früher sei grundsätzlich schriftlich über Ort und Zeitpunkt der geplanten Abschiebung informiert worden, sagt Polizeigewerkschafter Grimm. "Das hat man korrigiert."

"Sich einer Abschiebung zu entziehen, ist viel zu einfach."
Polizeigewerkschafter Thorsten Grimm

Aber, sagt Grimm: "Die Abzuschiebenden wissen, was zu tun ist. Sie reden untereinander und kennen unsere Abläufe." Konkret bedeute das, die Personen könnten sich darauf einstellen, dass die Polizei in einem Zeitraum auftaucht. Sie seien dann eben nicht auffindbar, sagt der Polizeigewerkschafter:  "Sich einer Abschiebung zu entziehen, ist viel zu einfach."

Personen tauchen unter oder leisten "passiven Widerstand"

Die Folge lässt sich an Zahlen der Regierung von Unterfranken ablesen. Tatsächlich scheitern in 50 Prozent der Fälle Abschiebungen daran, dass die betreffende Person von der Polizei am Tag der Abschiebung schlicht nicht angetroffen wird. Der zweithäufigste Grund - 13 Prozent der Fälle - ist demnach, dass die Person untergetaucht ist. Neun Prozent der Abschiebungen scheitern auf der Fahrt zum oder am Flughafen, wegen passiven Widerstands.

Was darunter zu verstehen ist, erfährt man aus Polizeikreisen schnell. Am häufigsten ist die Rede vom Vortäuschen akuter Krankheiten. Grimm berichtet von einem Fall, bei dem "die Person bei einem Toilettengang Seife geschluckt hat, um sich gezielt zu erbrechen". Selbst auf dem Rollfeld oder dann im Flugzeug komme es noch zu Widerstand. Etwa, indem andere Passagiere belästigt werden. Ob eine abzuschiebende Person letztlich mitfliegt, "entscheidet immer der Pilot", sagt der Gewerkschaftschef.

Wie es nach einer gescheiterten Abschiebung weitergeht

Was passiert, wenn eine Abschiebung gescheitert ist? Offizielle Stellen geben nur vage Einblicke. Von einer "Prüfung von geeigneten Anschlussmaßnahmen", die "anlassbezogen" und in Abstimmung mit den "beteiligten Stellen" erfolge, spricht etwa die Regierung von Unterfranken.

"In der Regel bekommen die Betreffenden eine sogenannte Anlaufbescheinigung", berichtet Grimm und bezieht sich dabei auf die Praxiserfahrung von Kollegen. Auf dem Papier stehe, wo sich die Person nun wieder zu melden habe. Dort müssten die Menschen selbstständig hinkommen. "Ob sie dann auch tatsächlich dorthin gehen, ist die zweite Frage."

 
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  • Willi Rößner
    Die Gesetzgebung zur Migration ist neben der EU auch Bundesangelegenheit.
    Bitte endlich um Migration kümmern und weniger um Gendern und Cannabis.
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  • Bernhard Renner
    Ums gendern kümmert sich nur Markus Söder also Landesebene 😉
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  • Rudolf Thomas
    Wenn Recht und Gesetz nicht mehr ordentlich durchgreifen, dann herrscht am Ende Anarchie.
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  • Erich Spiegel
    Die westliche Politik müsste sich international stärker einmischen und hart durchgreifen. Aber man hält sich lieber feige raus. Hätte man z.b. in Afghanistan durchgegriffen und die Taliban unschädlich gemacht, wäre der dortigen Bevölkerung viel erspart geblieben. Uns auch, weil davon viele Flüchtlinge kommen. Wehrhafte Demokratie statt Hampelei.
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  • Erich Spiegel
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  • Klaus B. Fiederling
    Knackpunkt ist, viele Imigranten sehen Deutschland noch als das "gelobte Land" wo Milch und Honig fließen,... diese Zeit ist aber längst Geschichte.
    Problem ist, dass zur Zeit viel zu viel Falsch gemacht wird in der Politik und so manch einer viel zu brav behandelt wird.
    Als vor Jahren Ex-Merkel um ausländische Fachkräfte geworben hatte, konnte keiner ahnen, dass so viele Deutschland bevölkern würden.
    Jetzt haben wir den Salat.
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  • Helga Scherendorn
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  • Astrid Geiger-Schmitt
    Allen abzuschiebenden Personen kein Geld mehr geben. Essen , Hygieneartikel und was sie nötig brauchen wird gestellt und das wars. In anderen Ländern wird nicht so zimperlich damit umgegangen.
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  • Klaus B. Fiederling
    wird zur Zeit sogar in Politik gehandelt.
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  • Anne Bernau
    Amerika,Canada,Australien und Neuseeland sind da nicht so zimperlich aber bei uns deutschen kann man ja auf dem Kopf rumtanzen…diese Länder sind auch Welt offen aber nehmen nicht jeden auf aber wir empfangen alle ob wir Platz ,Geld haben interessiert ja niemanden hier!!! Irgendwann knallt es…aber wir schaffen das schon 😅
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  • Roland Rösch
    Diese Zahlen müssen nicht freigegeben werden, sie wurden recherchiert.
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  • Ulrike Schneider
    Wäre es ein Film würde man es als Komödie bezeichnen. Oder unter "versteckte Kamera" senden.

    Leider ist es deutsche Realität.
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  • Manfred Englert
    Der Knackpunkt ist, daß jemand, der abgeschoben werden soll, alle Tricks und Kniffe kennt, um sich dieser Maßnahme zu entziehen.
    Hierin bekommen die meisten der Abzuschiebenden tatkräftig Untestützung.
    Deshalb müssen zwingend diese Kandidaten in Abschiebehaft genommen werden und nicht nur für die jetzt von Regierungsampel vorgeschlagenen 28 Tage, sondern ab Verfügung bis zum Tag der Ausreise.
    In diesen "Abschiebecamps" wird den Ausreisepflichtigen frei Kost und Logis gewährt, jedoch keinerlei finanzielle Vergütungen mehr ausgezahlt.

    Zu bedenken gilt hier, dass, wenn wir es jetzt nicht tun, andere kommen werden, die es dann auf ihre Art und Weise vollziehen werden!
    Und das möchte ich nicht unbedingt erleben.
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  • Dietmar Eberth
    In Deutschland gibt es nur 750 Abschiebeplätze. Da müssten die Länder wesentlich mehr ausbauen.
    https://www.welt.de/politik/deutschland/article248344196/Abschiebungen-Die-Rueckfuehrungsoffensive-und-was-davon-in-der-Praxis-uebrig-bleibt.html

    Das kann sich nicht mal Bayern leisten.
    "... über den neu gebauten Abschiebehangar am Münchner Flughafen berichtet ... 400.000 Euro zahlt das Land Bayern jeden Monat an Miete, um gleichzeitig bis zu 30 Abschiebehäftlinge unterzubringen."
    https://www.focus.de/politik/deutschland/bundespolizeichef-klagt-ueber-zu-wenig-abschiebehaftplaetze_id_11493289.html
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  • Jette Kreissl
    Wenn die Kuschelmethode nicht funktioniert muss man halt kurzfristig, ggfs auch nachts die entsprechenden Personen aufsuchen und verwahren. Solange bis ein Flieger voll ist. Dann los mit One-Way-Ticket…

    Wer illegal hier ist kann nicht auch noch erwarten mit Samthandschuhen angefasst zu werden.
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  • Werner Rau
    Unser Staat muss hier dringend nachbessern - das ist wirklich ein Schlag ins Gesicht der zuständigen Polizei.
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  • Norbert Meyer
    Vielleicht ist das ja so gewollt... dieser Regierung traue ich alles zu !!
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  • Silke Müller
    So ein Quatsch. Für Abschiebungen sind die Länder zuständig.
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  • Barbara Fersch
    Gesetze ändern geht nicht ohne den Bund, wie sollen die Länder dann ihr Vorhaben regeln?
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  • Manfred Englert
    Kennen Sie alle Außenminister unserer Bundesländer, Frau Müller, welche solche Abschiebeverfahren mit allen Ländern der Welt vereinbart haben?
    Nein, Frau Müller, können Sie nicht kennen, da es diese nicht geben kann.
    Denn wir leben in einer föderalen Republik in welcher alle Bundesländer, also die Republik, durch den Bund nach außen vertreten werden!
    Also, wenn Sie für solch einen "Quatsch"kein Verständnis aufbringen dann liegt es vielleicht an Ihrem Nichtwissen und einfachem Nachplappern von Frau Faesers Behauptungen?!
    Wenn Sie den Vollzug der Abschiebung meinen, dann stimmt es, daß die Landespolizei dies durchführt, sofern dies gelänge.
    Aber Sie lasen doch, welche Tricksereien von im Hintergrund arbeitenden Maschinerien angewendez werden!
    Herrn Meyers besorgte Andeutung kann ich aus Wahrnehmung eines Ex SPD Kreisvorstandsmitglieds nachvollziehen. Vor ca 30 Jahren schon konstatierte ein MdB der SPD, daß das Wahlklientel in Migrantenkreisen zu suchen sei, das alte würde abspringen!
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