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Würzburg
FDP unter Druck: Wie Andrew Ullmann einen schwierigen Wahlkampf für seine Partei führt – und auch für sich
Andrew Ullmann steht vor einer Herausforderung: Sein Listenplatz ist praktisch aussichtslos, und die FDP kämpft um die 5-Prozent-Hürde. Wie geht er mit dieser Situation um?
Am Wahlstand: Andrew Ullmann (links) beim Winterwahlkampf in der Würzburger Innenstadt.
Foto: Patty Varasano | Am Wahlstand: Andrew Ullmann (links) beim Winterwahlkampf in der Würzburger Innenstadt.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 18.02.2025 02:37 Uhr

Für ihren Wahlkampfstand hat sich die Würzburger FDP in der Eichhornstraße zweifellos die unterhaltsamste Ecke ausgesucht, gleich nebenan spielt ein Straßenmusiker. Aus dem Saxophon klingt Louis Armstrong, What A Wonderful World. Das gelbe Zeltdach steht an diesem frostigen Samstagvormittag noch im Schatten, während gegenüber beim ehemaligen Ampelpartner SPD schon die Sonne lacht. "Keine Sorge, die Sonne wandert nachher zu uns rüber", sagt Andrew Ullmann.

An diesem Stand hat der FDP-Bundestagsabgeordnete schon -zigmal für liberale Politik geworben, bei Bundes, Landtags- und Kommunalwahlen, doch der Winterwahlkampf des Jahres 2025 fordert den 62-Jährigen auf besondere Weise. Auch wenn Ullmann in der Fußgängerzone für die Ziele und den Wiedereinzug seiner Partei in den Bundestag kämpft – für ihn selbst wird es nach über sieben Jahren in Berlin wohl vorerst keine Rückkehr ins Parlament geben: Platz 8 auf der Landesliste hatte er angestrebt, Platz 18 war es beim Parteitag im Dezember geworden – weit entfernt von einer realistischen Chance.

Für die FDP geht es ums parlamentarische Überleben

"Natürlich bin ich traurig, dass ich ziemlich sicher keine Verlängerung bekommen werde. Aber ich wusste immer: Das ist ein Mandat auf Zeit." Was ihn dennoch motiviert? "Ich will, dass meine Partei in den Bundestag kommt", sagt Ullmann, "ich bin und bleibe liberal". Seine Kindheit hat er in den USA verbracht. Freiheit, das Grundthema der Liberalen, hat ihn schon früh eingenommen. "Ich hasse es, eingeengt zu sein", sagt er und erzählt, wie er als Kriegsdienstverweigerer einen Kurs belegen musste: "14 Tage kaserniert, man durfte nicht rausgehen." Individuelle Freiheit will er indes nicht mit Egoismus verwechselt wissen: Soziale Verantwortung gehöre dazu.

Will seine Partei auch nach dem 23. Februar im Bundestag wissen: FDP-Bundestagsabgeordneter Andrew Ullmann.
Foto: Patty Varasano | Will seine Partei auch nach dem 23. Februar im Bundestag wissen: FDP-Bundestagsabgeordneter Andrew Ullmann.

Zum Jahresanfang 2025 ist die FDP indes stark unter Druck, es geht ums parlamentarische Überleben. Das Trauma von 2013, als die Partei aus dem Bundestag flog, steht als Schreckgespenst im Raum. "Ich habe mir vorgenommen, das nie wieder zu erleben", sagt Andrew Ullmann. Da tut es ihm gut, wenn die Passanten am Wahlkampfstand nicht nur Kugelschreiber und Luftballons abgreifen, sondern auch mal ermutigende Worte zurückgeben. "Ihr müsst unbedingt wieder reinkommen!", sagt eine Frau, "Viel Erfolg in den nächsten Wochen!" wünscht eine andere. Ja, hier und da gebe es auch mal Beschimpfungen, erzählt Ullmann, "aber die halten sich in Grenzen". 

In Grenzen halten sich indes auch die Wahlprognosen für die FDP. Aber wie kann die Partei noch über die magische Fünf-Prozent-Hürde kommen? "Für eine liberale Partei gibt es in Deutschland ein Potenzial von 25 Prozent, aber davon sind wir meilenweit entfernt", räumt Ullmann ein. Er setzt auf einen Markenkern der Liberalen: "Wenn wir Abklatsch der Union oder SPD sind, dann wählt man das Original. Deshalb haben wir die wirtschaftliche Stärke Deutschlands als Thema aufgenommen, sie spielt in allen Bereichen eine Rolle."

Mehr Luft zum Atmen für Unternehmen

Einen Schlüssel zum wirtschaftlichen Wiederaufstieg sieht Ullmann im Abschmelzen der Bürokratie. "Man sollte Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Luft zum Atmen geben" bringt er urliberale Ansätze ins Spiel, "schaffen wir eine Bürokratie an, müssen wir zwei abschaffen, das gilt auch für das Gesundheitswesen". Dort sieht der gesundheitspolitische Fraktionssprecher und Mediziner Ullmann die Probleme in der Struktur, nicht in der Finanzierung. "Wir haben kein Einnahmeproblem. Unser Gesundheitssystem ist eines der teuersten der Welt, aber zugleich eines der ineffektivsten." Leistungen müssten effektiver eingesetzt, die ambulante Versorgung gestärkt werden.

Andrew Ullmann, der Wissenschaftler, ist auch als Politiker der Erklärer, nicht der Beißer. Am Wahlkampfstand hört er geduldig zu, lässt sich auch auf längere Gespräche ein. "Wir brauchen endlich mal Steuervergünstigungen, uns wird immer mehr abgezogen! Warum hat der Lindner das nicht mehr durchgebracht?", beschwert sich ein Mann. – "Weil wir nicht fünfzig Prozent haben, sondern nur elf." Und dann geht es weiter: Krankenkassenbeiträge, Bürgergeld, elektronische Patientenakte, das Attentat in Magdeburg. Bald ist klar: Der Besucher am Stand kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Ullmann erklärt und erklärt, es ist mühsam. Aber das Gespräch einfach abzuwürgen, ist nicht sein Ding.

"Man kann eine ruhige Kugel schieben, oder man macht es richtig. Und ich kann nicht anders, als es richtigzumachen", erklärt er sein Selbstverständnis als Bundestagsabgeordneter. Inzwischen ist es nicht mehr ganz so kalt, die Sonne ist ein Stück in Richtung FDP-Stand gewandert. Nebenan spielt immer noch der Mann auf dem Saxophon: Frank Sinatra, My Way.

Andrew Ullmann

Alter: 62
Beruf: Facharzt für Innere Medizin, Universitätsprofessor.
Politischer Werdegang: 2003 FDP-Eintritt, seit 2015 Vorsitzender der FDP Würzburg-Stadt, seit 2017 Bundestagsabgeordneter, seit 2020 Stadtrat.
Familienstand: verheiratet, zwei erwachsene Kinder.
Quelle: tsc
 
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Kommentare
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  • Walter Seubert
    Der gesundheitspolitische Fraktionssprecher in Bayern nur auf Platz 18 da sieht man den Stellenwert des Herrn Professor in der Lindnerpartei.
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  • Johannes Metzger
    Jede Stimme für die FDP ist eine verlorene Stimme
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  • Manfred Englert
    Sehe ich auch so, jedoch drücke ich dieser Partei die Daumen, damit sie den Einzug ins Parlament schaffen.
    Wenn nicht, ginge viel Kompetenz verloren, welche durch so manch andere Partei-en nicht ersetzt werden können!
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  • Dietmar Eberth
    Politische Kompetenz FDP, LOL 🤣
    1 (!!!) Prozent der Wähler traut der FDP Lösungen für aktuelle Probleme zu.

    https://www.n-tv.de/politik/Neue-Forsa-Umfrage-Union-unter-30-Linke-bei-6-FDP-raus-article25554006.html
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  • Walter Seubert
    Kompetenz in Klientelpolitik
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