Aufgrund des Kriegs in der Ukraine werden in den Kliniken im Krisengebiet die Hilfsgüter zur medizinischen Versorgung knapp. Ein Korridor an der rumänisch-ukrainischen Grenze soll die Versorgung der Menschen im Kriegsgebiet jetzt sichern. Dirk Growe aus Würzburg war als Einsatzkraft für die Hilfsorganisation LandsAid vor Ort. Gemeinsam mit seinem Kollegen Hans Musswessels, ehemaliger Vorsitzender und heutiger Beirat im LandsAid-Vorstand, traf er die Vorbereitungen für Hilfslieferungen in die Ukraine.
"Die Größe dessen, was da auf uns zukommt, hat mich erschlagen", sagt Dirk Growe über seine Erfahrungen an der Grenze."Es kommen immer mehr Frauen mit kleinen Kindern an", so der 51-jährige Würzburger, "und was ich von unseren Kontakten in der Ukraine gehört habe, ist das noch nicht einmal ansatzweise alles".
Kälte an der rumänischen Grenze macht ukrainischen Flüchtlingen zu schaffen
Eine Woche waren Dirk Growe und Hans Musswessels für LandsAid an der Grenzstation nahe Siret, einer Kleinstadt im Nordosten Rumäniens, im Einsatz. Die Lage vor Ort sei angespannt, doch die Versorgung der ankommenden Flüchtlinge funktioniere gut, sagt Growe. "Ich habe wirklich schon einige Krisen und Katastrophen gesehen, und ich muss sagen, vor Ort ist alles sehr gut organisiert. Es gibt wenig Chaos, das ist nicht bei allen Krisen so." Bereits seit 2008 engagiert Growe sich für Hilfsorganisationen wie LandsAid und Apotheker ohne Grenzen, war zuletzt auch viel im Bereich Asyl und der Unterbringung von Flüchtlingen aktiv.
Was den ankommenden Flüchtlingen an der rumänischen Grenze derzeit besonders zu schaffen mache, seien die niedrigen Temperaturen, sagt Growe. "In Rumänien ist es noch bitter kalt", so der 51-Jährige, "am Morgen hatten wir oft um die minus sieben Grad". Unter diesen Bedingungen müssten die Menschen wegen des großen Andrangs teilweise mehrere Stunden an der Grenze warten.
Von rumänischer Seite aus komme man aber nur mit triftigen Gründen direkt an den Grenzübergang, berichtet Growe. Die Polizei kontrolliere jeden, der sich dem Bereich nähert. "So verhindern sie Katastrophentourismus", sagt Growe, "das machen sie wirklich sehr gut".
Auf rumänischem Boden werden die Flüchtenden dann von Behörden, der Feuerwehr, dem Roten Kreuz und Hilfsorganisationen in Empfang genommen und in beheizten Bussen in Sammelunterkünfte gebracht. Verschiedene Organisationen hätten vor Ort Suppenküchen und warme Zelte aufgebaut, es gäbe Teams für die Kinderbetreuung und medizinische Erstversorgung, berichtet Growe. Immer wieder gingen auch Hilfskonvois in die Ukraine. "Das sind natürlich aber längst nicht die Güterbewegungen, die man vorher hatte, als es noch einen freien Warenwirtschaftsverkehr gab", sagt der Würzburger, "wir müssen jetzt schauen, inwieweit humanitäre Hilfen das auffangen kann".
In den Kliniken werden auch Powerbanks und Stirnlampen gebraucht
Ein besonders dringendes Problem sei die Versorgung der ukrainischen Kliniken mit Medizinprodukten. Es fehle dringend an Material zur Wundversorgung, Antibiotika und OP-Zubehör. Um die Versorgung zu gewährleisten, habe man den Hilfskorridor errichtet, sagt Growe. "Wir haben die Lager organisiert, Kontakte aufgebaut und uns um die Formalitäten wie den Zoll an der EU-Außengrenze gekümmert", so der 51-Jährige.
Zukünftig wird ein Zentrallager auf der rumänischen Seite die Hilfsgüter entgegennehmen und einlagern. Fahrer bringen die Güter dann über die Grenze in ein weiteres Lager nahe Czernowitz in der Ukraine, von wo aus ukrainische Behörden sie je nach Bedarf zielgerichtet an die Kliniken im Krisengebiet verteilen. Wo genau die Lager sich befinden, möchte die Organisation lieber verschweigen. "Wir wollen nicht riskieren, dass die Lager von den Russen bombardiert oder leergeräumt werden", sagt Growe.
Wichtig sei, dass genau auf den Bedarf der Kliniken eingegangen werde. "Wir liefern nicht einfach irgendwas", sagt Growe, "wir sind mit den Behörden auf ukrainischer Seite in Kontakt und bekommen konkrete Bedarfsanforderungen von den Krankenhäusern, das heißt Listen mit medizinischen Materialien, die gebraucht werden. Das ist extrem wichtig". Kleiderspenden seien in der Grenzregion hingegen deutlich weniger zielführend, meint Growe. "Am sinnvollsten sind Powerbanks und Stirnlampen, die wir zu den Lieferungen an die Krankenhäuser dazu packen, falls der Strom ausfallen sollte".
Mittlerweile ist Dirk Growe zurück in Würzburg. Sein Einsatz in Rumänien hat ihm vor allem eines klargemacht: "Der Krieg ist ein Thema, das uns noch sehr lange begleiten wird".