Wo die Krebsdiagnose vor zehn bis 15 Jahren noch ein Todesurteil war, können Betroffene heute hoffen: Durch medizinische Fortschritte sind völlig neue Behandlungen möglich, die Therapien werden präziser und dadurch erfolgreicher. Ein Beispiel ist die Stammzelltherapie an der Würzburger Uniklinik, von der Patienten aus der Region und aus der ganzen Welt profitieren. So wie Brunhilde Röss aus Coburg.
Altersgrenze für Stammzelltransplantationen wurde erhöht
Noch vor einigen Jahren wäre die 69-Jährige nicht mit Spenderstammzellen behandelt worden – erst nach und nach wurde bei den Transplantationen die Altersgrenze hochgesetzt. Für Röss ein Riesenglück: „Ich habe ein neues Leben geschenkt bekommen.“
Herbst 2019: Sie fühlt sie sich schlapp, antriebslos, quält sich durch den Tag. Im Februar dieses Jahres, auf einer Autofahrt von München heim nach Coburg, klappt sie förmlich zusammen, schafft es nur noch mit Mühe nach Hause.
Dann geht alles ganz schnell: Blutbild beim Hausarzt, Überweisung erst in die Onkologie des Klinikums Coburg, dann zu den Spezialisten um den Hämatoonkologen Prof. Hermann Einsele von der Uniklinik Würzburg: Brunhilde Röss hat Krebs, das sogenannte Myelodysplastische Syndrom (MDS). Es tritt im frühen Stadium einer speziellen Art von Blut- und Knochenmarkkrebs auf.
Mit der Diagnose ist klar, dass sie nur eine allogene Stammzellentransplantation retten kann – sie braucht einen Fremdspender. Und die Coburgerin hat Glück: In der weltweit vernetzten Datei findet sich eine Frau aus Polen mit großer Übereinstimmung bei den Gewebemerkmalen. Im März soll die Transplantation stattfinden. Doch da kommt Corona, alle Flüge sind gestrichen.
Transplantation in Zeiten der Corona-Pandemie
Nach einiger Verzögerung können die Stammzellen der Spenderin aus Polen wenigstens tiefgefroren transportiert werden. Eine Woche lang bekommt Röss Chemo-, einen Tag Antikörpertherapie: Ihr Immunsystem wird komplett heruntergefahren, dann wird transplantiert. Aber die Stammzellen springen nicht richtig an, Röss braucht eine zweite Transplantation. Und tatsächlich ist die Frau aus Polen ein zweites Mal bereit, der unbekannten Patientin in Deutschland Stammzellen zu spenden - diesmal unmittelbar vor der geplanten Transplantation, ohne Einfrieren, ohne Zeitverzögerung. Und diesmal, einige Wochen später, klappt alles.
„Es ist wie eine Bluttransfusion, eine halbe Stunde lang läuft über die Nadel gelblich-klare Flüssigkeit in den Arm – das war’s“, schildert die Coburgerin den eigentlichen Vorgang. Röss verträgt die Transplantation diesmal gut, schnell geht es aufwärts, nach drei Wochen wird sie entlassen. Mit einer anderen Blutgruppe: Vorher Null, ist sie jetzt B positiv.
Ein seltsames Gefühl für viele transplantierte Patienten, doch Bruni Röss sieht nicht das Fremde, sondern das Geschenk eines neuen Lebens. „Ich bin meiner Spenderin wahnsinnig dankbar. Sie einmal kennenzulernen, das ist mein größter Wunsch.“ Vielleicht wird es möglich, laut gesetzlichen Vorgaben frühestens zwei Jahre nach der Transplantation und wenn die Spenderin damit einverstanden ist.
Das neue Leben fühlt sich für die 69-Jährige heute fast genauso an wie das alte: Nach Wochen mit keimarmer Ernährung kann sie wieder alles essen, ist wieder bei Kräften – aber noch vorsichtig wegen der höheren Infektanfälligkeit. Ohne FFP2-Maske tritt sie niemandem gegenüber. Geschafft habe sie die ganze Tortur nur mit Unterstützung von Ehemann Arno, sagt Brunhilde Röss. Sie hoffen, bald wieder auf Reisen gehen zu können – ganz wie früher.