
Seit Giambattista Tiepolo 1753 Würzburg verließ, ist die Zahl seiner Gemälde in der Stadt gleichgeblieben. Das hat sich nun geändert: Seit Kurzem sind es zwei mehr. Prof. Damian Dombrowski, Leiter der Neueren Abteilung des Martin von Wagner Museums der Universität, hat bei einem Münchner Auktionshaus ein Bildpaar aus einer kalifornischen Privatsammlung ersteigert. Bezahlt hat es der Unternehmer Joachim Kuhn (va-Q-tec), der es dem Museum als Dauerleihgabe überlassen wird.
Dombrowski nennt die Erwerbung, die am 10. Dezember bei der Winckelmannfeier des Museums erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird, nichts weniger als "sensationell". Giambattista Tiepolo (1696-1770) war einer der großen Stars des venezianischen Barock. Sein Hauptwerk ist aber nicht in Venedig zu bewundern, sondern eben in Würzburg: Es ist das Deckenfresko der Residenz, bis heute das größte zusammenhängende Deckenfresko überhaupt. Tiepolo malte es in den Jahren 1752/53, danach kehrte er zunächst nach Venedig zurück, bevor er seine letzten Jahre in Madrid verbrachte.
Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart
Über den Kaufpreis der beiden neuen Bilder sei Stillschweigen vereinbart worden, so Dombrowski. "Bedenkt man, dass einzelne Tiepolo-Zeichnungen derzeit am Markt mit über 50.000 Euro gehandelt werden, lässt sich der Wert der beiden Gemälde vielleicht erahnen", sagt er.

Was aber macht die beiden 50 mal 40 Zentimeter großen und damit vergleichsweise kleinen Bilder so besonders? Die Begeisterung, mit der der Museumsleiter die Gemälde erläutert, lässt es erahnen: viele Aspekte. Zum Beispiel, dass die Bilder - im Gegensatz zum Deckenfresko - es erlauben, den meisterhaften Maler ganz aus der Nähe zu erleben.
Es sind fein ausgearbeitete Ölskizzen, die zwei beziehungsweise drei Tugend-Personifikationen zeigen - offensichtlich Entwürfe für größere Darstellungen: Zwischen 1739 und 1740 lieferte Tiepolo neun Gemälde für die Decke des Kapitelsaals der Scuola Grande dei Carmini, einer von mehreren typisch venezianischen karitativen Stiftungen, die für die künstlerisch hochwertige Ausstattung ihrer Häuser berühmt sind. Zwei Eckfelder dieser Decke zeigen genau die Motive der Neuwürzburger Gemälde.

"Ich habe mich schon selbst befragt", sagt Dombrowski. "Will ich jetzt, dass das Tiepolos sind?" Denkbar wäre durchaus gewesen, dass die Bilder Kopien sind. Von einem Schüler Tiepolos etwa. Aber der Museumsleiter ist sich inzwischen sehr sicher, dass das nicht der Fall ist. Darauf weise allein schon die malerische Qualität hin. Der Begriff "Skizze" ist angesichts der Vollkommenheit der Darstellung irreführend. Aber so arbeitete Tiepolo: Selbst seine Entwürfe sind meisterhaft.
Tiepolo geht immer sehr frei mit mythologischen Themen um
Das stützt laut Dombrowski auch die Expertise von Restaurator Georg Pracher: Die nass in nass ausgeführten Pinselstriche sind schnell und sehr souverän gesetzt. Architektonische Elemente sind gegenüber der finalen, fast fünfmal so großen Version in Venedig vereinfacht dargestellt, so als habe Tiepolo vor allem die Komposition testen wollen. Ein Kopist hätte hier viel detailgetreuer gearbeitet.
Tatsächlich gibt es Kopien von den Deckengemälden, in Udine etwa wird die eines Tiepolo-Schülers aufbewart. Dombrowski zeigt eine Abbildung davon: "Sehen Sie das Gesicht hier - es ist richtig platt. Das ist bei Tiepolo ein ganz anderer Wurf."

Was noch auf den Meister des Würzburger Deckenfreskos hindeutet: Er geht immer sehr frei mit mythologischen Themen um. So auch mit den hier personifizierten Tugenden, von denen laut Dombrowski deshalb auch nicht alle ganz eindeutig identifizierbar sind. Während auf dem einen Gemälde Gerechtigkeit und Starkmut unzweifelhaft sind, weist der Kunsthistoriker der sinnlich hingegossenen Frau mit entblößtem Oberkörper auf dem anderen - wegen des Lamms, das sie im Arm hält - vorläufig die Rolle der "Mansuetudo" (Sanftmut) zu. "Wenn auch in einer ungewohnt erotischen Version."
Tiepolo sei ein sehr zeichnerischer Maler, sagt Damian Dombrowski. "Seine Figuren sind sehr konturenbetont. Deshalb ist er kein Maler des Rokoko, in dem sich ja die Konturen auflösen." Während bei anderen, etwa den Brüdern Asam, ein regelrechter "Figurenbrei" entstehe, sei die Prägnanz das eigentliche Geheimnis Tiepolos. "Das ist mir jetzt, nach 15 Jahren Nachdenken, aufgefallen."
Derzeit werden die Bilder mit Rahmen versehen. Am 10. Dezember werden sie bei der Winckelmannfeier des Museums erstmals präsentiert. Kurz nach Tiepolos Geburtstag am 5. März soll es außerdem eine Führung geben, im Rahmen einer Initiative des Netzwerks "I luoghi dei Tiepolo" (Tiepolo-Orte), dem das Museum seit dessen Gründung 2021 angehört.