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Würzburg
Was den Residenz-Maler Tiepolo nach Würzburg lockte
Nur die Besten wollten der Fürstbischof für die Ausgestaltung seiner Residenz. Bevor er Tiepolo nach Würzburg holte, wäre er beinahe auf einen Hochstapler hereingefallen.
Dr. Erich Schneider zeigt einen Entwurf für das Deckenfresko im Kaisersaal. Das Gemälde hängt im Museum für Franken auf der Festung Marienberg.
Foto: Kirsten Schlüter | Dr. Erich Schneider zeigt einen Entwurf für das Deckenfresko im Kaisersaal. Das Gemälde hängt im Museum für Franken auf der Festung Marienberg.
Kirsten Schlüter
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:55 Uhr

Giovanni Battista Tiepolo ist der Beste seiner Zeit. Der Meister der venezianischen Malerei. In seiner Heimat hat er sich in den 1720er-Jahren durch kühne Farbkontraste und die besondere Flächenwirkung seiner Bilder längst einen Namen gemacht, und so verwundert es nicht, dass bald auch Aufträge aus Nordeuropa folgen. Als Tiepolo 1735 das Angebot erhält, ein Schloss im schwedischen Stockholm auszugestalten, lehnt er allerdings ab. Zu beschäftigt ist er in seiner Heimat, und das bleibt auch die kommenden Jahre so.

Der berühmte Freskenmaler dekoriert Paläste, Villen und Kirchen unter anderem in Mailand, Vicenza und Venedig. Und doch vermag ein besonderer Auftrag ihn aus seiner Heimat wegzulocken: Im Winter 1750 macht der Künstler sich auf die Reise nach Würzburg. Drei Jahre später, am 29. November 1753, dokumentiert ein Brief, dass dies die Stadt fast in den Ruin trieb. Was führte den berühmten Maler ausgerechnet nach Franken?

Ein fürstliches Gehalt für den Künstler aus Italien

„Ihm wurde eine große Menge Geld bezahlt“, sagt Dr. Erich Schneider, Gründungsdirektor des Museums für Franken in der Festung Marienberg. In der Tat: Giovanni Battista Tiepolo werden vertraglich 10.000 rheinische Gulden zugesichert, dazu freie Kost und Unterkunft. Zum Vergleich: Damals verdient ein Maurerpolier 200 rheinische Gulden im Jahr, ein Tagelöhner nicht einmal die Hälfte davon. Außerdem sollen Materialkosten wie Gold und Farben vom Würzburger Hof übernommen werden.

"Man wollte den bestmöglichen Künstler und veranstaltete ein regelrechtes Casting."
Erich Schneider, Gründungsdirektor des Museums für Franken

Mit diesen Voraussetzungen will Fürstbischof Karl Philipp von Greiffenclau ganz sicher gehen, dass sein Lieblingsmaler Tiepolo auch wirklich nach Würzburg reist. Dort soll der Maler den „hochfürstlichen Speis-Saal“ in der Residenz ausmalen, die 1744 unter der Leitung von Baumeister Balthasar Neumann fertiggestellt worden war. Doch für die Innenausstattung war Tiepolo gar nicht erste Wahl gewesen. „Man wollte den bestmöglichen Künstler für die Innenräume der Residenz und veranstaltete ein regelrechtes Casting“, erzählt Erich Schneider.

Ein Hochstapler stellt sich beim Fürstbischof vor

Verschiedene Maler werden um Entwürfe gebeten. Die Wahl fällt auf Giuseppe Visconti, der mit einem Empfehlungsschreiben nach Würzburg kommt und den Fürstbischof schnell für sich gewinnt. Doch Visconti ist ein Hochstapler, er hatte sich mit fremden Plänen beworben. „Und als er mit seiner Arbeit begann, verhängte er die auszumalenden Räume mit Tüchern und ließ niemanden hinein“, sagt Schneider. Dennoch wird die dilettantische Ausführung offensichtlich und Viscontis Werk von der Decke abgeschlagen. Das ist ein übler Reinfall, denn die Würzburger Hofkammer hatte dem Scheinkünstler im Voraus ein überaus üppiges Honorar von 6000 fränkischen Gulden bezahlt. Visconti wird des Landes verwiesen, und der Fürstbischof wagt einen zweiten Versuch.

Dieses Mal soll nichts schiefgehen. Karl Philipp von Greiffenclau lässt nun gezielt nach dem Maler fragen, dessen Ruhm bereits zu ihm durchgedrungen war. Über den Würzburger Kaufmann Lorenz Jacob Mehling, der in Venedig lebt, lässt der Fürstbischof den Kontakt zu Tiepolo herstellen. Tatsächlich ist Mehling erfolgreich und schreibt im Mai 1750 an die Würzburger Hofkammer, Signor Tiepolo, „um seinen Nahmen und Kunst in Teutschland ebenmäßig zu verewigen, sich anhero auf Wirtzburg zu begeben sich entschlossen“. Der Fürstbischof ist hocherfreut, die Hofkammer weniger: Würde doch der neue Künstler erneut einen Batzen Geld kosten.

Die Hofkammer protestiert gegen die Einstellung Tiepolos

Tiepolo bekommt ein Reisegeld von 1000 Gulden, 2000 weitere Gulden werden ihm für den Tag seiner Ankunft in Würzburg versprochen. Mehling schließt im Oktober 1750 mit Tiepolo einen Vertrag ab, unter Protest der Hofkammer. Doch Karl Philipp von Greiffenclau verbietet jegliches Herunterhandeln des Honorars. Und so trifft der venezianische Meister mit seinen Söhnen Domenico und Lorenzo sowie einem Diener am 2. Dezember 1750 in Würzburg ein. Dort erhalten die Gäste fünf Zimmer in der Residenz, Tiepolo darf an der hochfürstlichen Tafel speisen, und auch sonst fehlt es ihm an nichts. Der Meister kann mit der Arbeit beginnen.

Der „hochfürstliche Speis-Saal“, später Kaisersaal genannt, liegt im Mittelteil der Residenz zum Garten hin und gilt als Höhepunkt der Repräsentationsräume. Hier soll Tiepolo die Vermählung von Kaiser Friedrich Barbarossa mit Beatrix von Burgund abbilden sowie das Geschehen des Würzburger Reichstags von 1168. Verbunden werden sollen die Gemälde durch mythologische Symbole in der Mitte.

Für Tiepolo hat sich der Auftrag gelohnt, für die Nachwelt aus

Am 27. April 1751 beginnt Tiepolo mit seinem Werk, und er enttäuscht nicht: Seine künstlerische Ausdruckskraft sucht ihresgleichen, wie Kunsthistoriker Frank Büttner urteilt: „An Reichtum, Leichtigkeit und koloristischem Glanz (…) wird er nicht leicht von einem anderen seines Jahrhunderts übertroffen.“ An Honorar aber auch nicht. So schreibt Hofkammerpräsident Adam Friedrich von Seinsheim am 29. November 1753 an seinen Bruder, Tiepolo habe „mit seinem Verdienst, Reys Geld und Unterhaltung diese 3 Jahr bey Hof gegen 40.000 fl. gekostet“. Von Seinsheim führt weiter aus, dass der Würzburger Kammer ein übles Jahr bevorstehe, weil wenig Getreide gewachsen sei und „die wenigste leith bis aufs neie Jahr Brod haben werden“. Alle Bautätigkeiten müssen eingestellt werden, damit der Würzburger Hof über die Runden kommt.

Giovanni Battista Tiepolo aber kann ein unbeschwertes Leben führen und reist von Würzburg aus nach München – ausgestattet mit einem überschwänglichen Empfehlungsschreiben des Hofkammerpräsidenten. Am Ende hat sich der tiefe Griff in die Tasche für Würzburg gelohnt: Tiepolos Fresken im Kaisersaal, aber auch im berühmten Treppenhaus, versetzen noch heute die Besucher in großes Staunen.

Was Würzburg prägte
Das Buch „Was Würzburg prägte“ enthält 52 Texte über Jahrestage aus der Würzburger Geschichte, also für jede Woche des Jahres einen Text. Präsentiert werden die historischen Geschehnisse jeweils von Würzburger Bürgern.
Das Buch der beiden Autorinnen Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter entstand in Zusammenarbeit mit der Main-Post. Erschienen ist das Buch im Verlag Bast Medien GmbH, in dem auch die erfolgreichen „Würzburger Geheimnisse“ veröffentlicht wurden, die ebenfalls in Kooperation mit der Main-Post entstanden sind.
Erhältlich ist „Was Würzburg prägte – große und kleine Begegnungen mit der Stadtgeschichte“ von Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter Überlingen 2017, ISBN: 978-3-946581-24-6 in den Main-Post-Geschäftsstellen (14,90 Euro).
 
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