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Würzburg
Tests, Hygiene, Quarantäne: Unterfränkische Schulleiter an der Belastungsgrenze
Die Organisation der Corona-Maßnahmen überlastet Bayerns Schulleitungen zunehmend. Wo hakt es derzeit am meisten? Eine Rektorin aus dem Landkreis Bad Kissingen berichtet von ihrem Alltag unter Pandemie-Bedingungen.
PCR-Pooltests müssen Bayerns Grundschulkinder aktuell zwei Mal wöchentlich machen, damit klar ist, ob sich Schülerinnen oder Schüler mit Corona infiziert haben. Das Problem: Labore, die diese Tests auswerten, sind aktuell zunehmend belastet.
Foto: Roland Weihrauch, dpa | PCR-Pooltests müssen Bayerns Grundschulkinder aktuell zwei Mal wöchentlich machen, damit klar ist, ob sich Schülerinnen oder Schüler mit Corona infiziert haben.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 09.02.2024 14:49 Uhr

Schulleiterin oder Schulleiter werden? Nein danke, eher nicht: In Bayern wollen immer weniger Lehrkräfte eine Schulleitung übernehmen. Während in früheren Jahren oft mehrere Interessenten um einen Leitungsposten konkurrierten, melden sich in letzter Zeit an manchen Schulen überhaupt keine Bewerberinnen und Bewerber mehr. Gerade an Grund- und Förderschulen bleiben deshalb zunehmend Leitungsfunktionen unbesetzt.

Auf ganz Bayern bezogen, fehlen an diesen Schularten 65 Schulleiterinnen und Schulleiter; Unterfranken hat sieben vakante plus 16 krankheitsbedingt unbesetzte Schulleiterstellen. Laut dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat sich diese Entwicklung schon seit einigen Jahren angedeutet und sich seit Pandemiebeginn verschärft. "Die Schulleitungen sind total überlastet. Was da an Bürokratie zu bewältigen ist, ist ein Wahnsinn", klagt der ehemalige Schulleiter Tomi Neckov aus Schweinfurt. Er hat selbst jüngst den Job gewechselt: Neckov wurde in den Vorstand des Hauptpersonalrats am Bayerischen Kultusministerium in München gewählt und ist zudem BLLV-Vizepräsident.

Bereits vor Unterrichtsbeginn muss einiges organisiert werden

Welche zusätzlichen Aufgaben die Pandemie den Leitungskräften beschert hat und wie zermürbend und zeitraubend diese Aufgaben sind, kann man recht gut an Sabine Oschmann-Hockgeigers Tagesablauf ablesen: Die Rektorin der kleinen Oberleichtersbacher Grundschule (Lkr. Bad Kissingen) ist immer früh auf den Beinen, aber mittlerweile stellt sie den Wecker noch früher als sonst. Kurz vor fünf Uhr beginnt für Oschmann-Hockgeiger der Schultag – sie muss herausfinden, ob und wie viele ihrer 74 Schulkinder coronapositiv sind.

Kann sie über das Pooltest-Portal auf ihrem Handy ablesen, dass es an ihrer Schule Positivfälle gibt, bedeutet dies für die Rektorin Stress pur: Betroffene Kinder in Quarantäne schicken, Eltern und Lehrkräfte informieren, mit dem zuständigen Gesundheitsamt Maßnahmen absprechen - und betroffene Lehrerinnen und Lehrer sicherheitshalber vom Unterricht abziehen. All das möglichst, bevor sich die ersten Kinder auf den Schulweg begeben und die Eltern auf den Weg zur Arbeit gemacht haben.

Ergebnisse der Lolli-Tests lassen manchmal auf sich warten

Die Lolli-PCR-Pooltests seien erfolgreich etabliert worden und machten Schulen noch sicherer - das hat Bayerns Kultusminster Michael Piazolo (Freie Wähler) Ende Oktober verkündet. Doch in der Praxis funktionieren gerade auch in Unterfranken die Testungen - und besonders die zeitnahe Auswertung - nicht reibungslos. Aus Grundschulen etwa in Großwallstadt (Lkr. Miltenberg), Würzburg und Schwarzach (Lkr. Kitzingen) ist zu hören, dass in Einzelfällen Pooltest-Ergebnisse, die spätestens am Abend nach der morgendlichen Testung hätten mitgeteilt werden sollen, auch am Morgen des nächsten Tages noch nicht vorliegen.

Zum Schuljahresanfang wurden die Lolli-Tests in Bayerns Grundschulen flächendeckend eingeführt. Das Testen zu Unterrichtsbeginn gehört mittlerweile für die Kinder zum Alltag. 
Foto: Peter Kneffel, dpa | Zum Schuljahresanfang wurden die Lolli-Tests in Bayerns Grundschulen flächendeckend eingeführt. Das Testen zu Unterrichtsbeginn gehört mittlerweile für die Kinder zum Alltag. 

Genau in dieser Situation steckt gerade Sabine Oschmann-Hockgeiger: "Auf das Vortagsergebnis meiner zweiten Klasse warte ich immer noch", sagt die Oberleichtersbacher Rektorin am Donnerstagmorgen um 9 Uhr. Am Vortag seien an ihrer Schule die zweiten Klassen per PCR-Lollitest wie üblich getestet worden. Die Sekretärin der Schule habe die Teströhrchen dann einem Fahrer übergeben, der sie ins Testlabor gebracht habe. "Im Labor habe ich angerufen, habe gemailt, habe natürlich auch mehrfach das Pooltest-Portal gecheckt – keine Antwort bis jetzt", sagt Oschmann-Hockgeiger.

Problematisch dabei: Wegen der fehlenden Testergebnisse weiß die Rektorin nicht, ob nicht doch in ihrer zweiten Klasse infizierte Kinder sitzen, die die Lehrkräfte eigentlich gar nicht unterrichten dürften. Laut Tomi Neckov vom BLLV sind Verzögerungen bei der Übermittlung der Pooltest-Ergebnisse aktuell verbreitet - gerade in den Regionen um München und auch in Unterfranken. Medien gegenüber hat das bayerische Gesundheitsministerium an diesem Freitagmorgen die extreme Auslastung der Testlabore und daraus folgende Verzögerungen bestätigt.

Unsicherheit bezüglich möglicher Infektionen gehört zum Schulalltag

Die Unsicherheit bezüglich etwaiger Infektionen, die Oschmann-Hockgeiger gerade durchlebt, gehört mittlerweile zum bayerischen Pandemie-Schulalltag wie die Maske im Schulbus und das Lüften und Händewaschen im Unterricht. Tests, Hygiene- und Quarantänemaßnahmen, 3G-Regel und deren Kontrolle und Dokumentation – das sei nur ein Ausschnitt der coronabedingten Sonderaufgaben, die Schulleitungen zu bewältigen hätten, klagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: "Die Schulleitungen sind es, die vor Ort jeden Tag und zu jeder Stunde – nicht selten auch nachts – Entscheidungen treffen müssen. Entscheidungen, für die es oftmals keine rechtliche Grundlage gibt. Sie sind Pädagogen und keine Mediziner, sie fühlen sich alleingelassen von ihrem Dienstherrn." Fleischmann verweist in diesem Zusammenhang auf jahrelange Forderungen des BLLV nach besseren Arbeitsbedingungen für Schulleitungen, insbesondere nach mehr Anrechnungsstunden zur Erfüllung besonderer Aufgaben.

Die Hälfte der Schulleiter würde den Job nicht weiterempfehlen

"Immer mehr Schulleiterinnen und Schulleiter schmeißen hin und lassen sich entpflichten", warnt der BLLV am Freitag. Einer Umfrage des Verbands zufolge würden 51 Prozent der bayerischen Schulleiterinnen und Schulleiter ihren Beruf nicht weiterempfehlen. "Ja, gerade macht Schulleitung nicht besonders Spaß", sagt auch die Unterfränkin Sabine Oschmann-Hockgeiger, selbst BLLV-Vorstandsmitglied. Sie hat ausgerechnet, dass sie während der Pandemie gut 50 Stunden pro Woche arbeitet, ihr die Mehrarbeit aufgrund ihrer Funktion aber gerade mal mit 250 Euro mehr vergütet wird.

 
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Kommentare
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  • Albatros
    Die Kassiererin, die Friseuse, der Bäcker, die Polizeibeamten, die Postzusteller............, viele von diesen Menschen sind ebenso an der Belastungsgrenze. Nur haben die eben nicht so eine Lobby, als dass sich irgend jemand für sie interessiert.
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  • marent1@hotmail.de
    im Übrigen sind auch die Lehrkräfte böse an der Belastungsgrenze... manche schon drüber hinaus...
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