zurück
Estenfeld
Testpflicht trotz Impfung: Warum Altenpflegerin Andrea Wolf vor Gericht zieht
Ist die Testpflicht in Seniorenheimen noch rechtens, wenn alle Bewohner geimpft sind? Altenpflegerin Andrea Wolf beantwortet diese Frage mit "nein" - und zieht vor Gericht.
Andrea Wolf, Pflegedienstleiterin im Seniorenzentrum Estenfeld, will die Corona-Testpflicht für Seniorenheime mit geimpften Bewohnern abschaffen.
Foto: Thomas Obermeier | Andrea Wolf, Pflegedienstleiterin im Seniorenzentrum Estenfeld, will die Corona-Testpflicht für Seniorenheime mit geimpften Bewohnern abschaffen.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:31 Uhr

Wer einen Angehörigen im Seniorenheim besuchen möchte, muss sich vorher auf Corona testen lassen. Diese Regel gilt auch für die Angestellten des Heims - auch wenn die Bewohner dort inzwischen ihre zweite Corona-Impfung erhalten haben. Jetzt regt sich in der Region Widerstand gegen die generelle Testpflicht: Die Altenpflegerin Andrea Wolf aus Estenfeld (Lkr. Würzburg) zieht gemeinsam mit dem Sohn einer Heimbewohnerin vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH).

Schützenhilfe erhalten die beiden dabei von den Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg. Deren Geschäftsführerin Eva von Vietinghoff-Scheel spricht von einem "Testwahn" zu Lasten von Pflegekräften, Bewohnern und deren Angehörigen. Auch andere Heimbetreiber drängen auf Lockerungen.

Nach der aktuellen bayerischen Infektionsschutzverordnung müssen sich Mitarbeiter von Pflegeheimen dreimal wöchentlich auf das Coronavirus testen lassen, auch wenn die Bewohner inzwischen den vollen Impfschutz haben. Besucher müssen einen negativen PCR- oder Antikörpertest vorlegen, der höchstens 72 beziehungsweise 48 Stunden zurückliegen darf. "Es ist eine Zumutung, wie wir unsere Pflegekräfte malträtieren müssen", beschreibt die Geschäftsführerin der sieben Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg, Eva von Vietinghoff-Scheel, die Situation.

Pflegekräfte klagen über anhaltenden Würgereiz

Andrea Wolf ist Altenpflegerin und Pflegedienstleiterin des Seniorenzentrums Estenfeld und bestätigt diese Schilderung. Viele Pflegekräfte klagen laut Wolf inzwischen über wunde Schleimhäute und anhaltenden Würgereiz bis hin zu Verletzungen der Schleimhäute, hervorgerufen durch den regelmäßigen Abstrich in Nase und Rachen. "Wir merken auch, dass  weniger Besucher kommen, weil sie mit den Tests nicht zurechtkommen", sagt Wolf. Das laste zusätzlich auf der Psyche der Bewohner.

Gemeinsam mit dem Sohn einer Bewohnerin des Seniorenzentrums in Eibelstadt hat Andrea Wolf deshalb einen Eilantrag an den VGH gestellt, mit dem Ziel, die Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher aufzuheben, wenn alle Bewohner geimpft sind. In den sieben Heimen des Landkreises haben Anfang der Woche die letzten Bewohner die zweite Impfung erhalten. Spätestens Anfang kommender Woche besteht damit der volle Infektionsschutz, sagt Eva von Vietinghoff-Scheel. Die Impfquote liege bei 98 Prozent. 

"Wir haben damit einen Impfschutz, der besser nicht sein könnte", so die Juristin. Der ursprüngliche Zweck der Testpflicht, nämlich einen großen Corona-Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung zu verhindern, sei damit erfüllt. Die Tests, die einen Eingriff ins Wohlbefinden der Beschäftigen und Besucher und damit in deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bedeuten, seien deshalb nicht länger zu rechtfertigen.

Rechtsanwalt sieht keine Grundlage für Grundrechtseingriff mehr

Das unterstreicht auch Rechtsanwalt Alexander Lang von der Würzburger Kanzlei Steinbock und Partner, der die beiden Antragsteller vor dem VGH vertritt. "Wenn eine staatliche Maßnahme in Grundrechte eingreift, muss sie verhältnismäßig und wirksam sein", sagt Lang. Wenn die Risikogruppe der Hochbetagten durch eine Impfung geschützt sei, gebe es keine Grundlage mehr, an der Testpflicht festzuhalten.

Lockerungen fordert auch Raimund Binder, Leiter des Marie-Juchacz-Hauses der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Würzburg. Bis auf vier seien inzwischen alle 103 Bewohner der Pflegeeinrichtung ein zweites Mal geimpft. "Deshalb muss es jetzt Erleichterung für die Beschäftigten und die Angehörigen geben", so Binder. Zumal weitere Schutzmaßnahmen, wie Abstandsgebot und das Tragen von FFP-2-Masken weiterhin gelten. "Das ist zwar anstrengend, schützt aber die Mitarbeiter davor, sich gegenseitig anzustecken." 

"Wir haben gesehen, wie verantwortungsvoll Pflegekräfte und Angehörige auch ohne diesen Testwahn mit der Situation umgegangen sind."
Eva von Vietinghoff-Scheel, Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg

Die Einschränkungen betreffen nicht nur die Heimbewohner, sondern auch die Besucher der Tagespflege des Marie-Juchacz-Hauses. Um das Abstandsgebot einhalten zu können, musste die Zahl der Betreuungsplätze dort von 18 auf zehn reduziert werden, so Raimund Binder. Inzwischen seien alle Besucher des Tagespflege ein zweites Mal geimpft. Deshalb sei es an der Zeit, die Beschränkung wieder aufzuheben, auch zur Entlastung der pflegenden Angehörigen.

Eva von Vietinghoff-Scheel fordert mehr Eigenverantwortung für die Einrichtungen. "Wir haben in der Hochphase der Pandemie gesehen, wie verantwortungsvoll Pflegekräfte und Angehörige auch ohne diesen Testwahn mit der Situation umgegangen sind", sagt sie. Ethisch sei es ebenfalls nicht zu rechtfertigen, die Einschränkungen nach der Impfung aufrecht zu erhalten, etwa die Beschränkung auf Besucher aus einem einzigen Hausstand.

Entscheidung über den Eilantrag fällt frühestens kommende Woche

"Viele Bewohner sehnen sich nach ihren Enkeln und Urenkeln, die sie seit Monaten nicht mehr gesehen haben", so von Vietinghoff-Scheel. "Es tut einem im Herzen weh, das zu sehen." Die Aufhebung der Testpflicht könne deshalb nur ein erster Schritt sein. Über den Eilantrag entscheidet der VGH nach Auskunft eines Sprechers frühestens Ende kommender Woche. Inzwischen haben alle 32 Seniorenpflegeeinrichtungen in Stadt und Landkreis Würzburg eine Erstimpfung erhalten. In neun Einrichtung in der Stadt und fünf im Landkreis steht die Zweitimpfung noch aus, so der Verwaltungsleiter der Impfzentren, Michael Dröse, auf Anfrage.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Eibelstadt
Estenfeld
Gerhard Meißner
Alexander Lang
Altenpfleger
Arbeiterwohlfahrt
Coronavirus
Einrichtungen im Pflegebereich
Impfungen
Infektionsschutz
Pflegeheime
Pflegepersonal
Raimund Binder
Schutzmaßnahmen
Seniorenheime
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • G. R.
    Heutige Meldungen über Virusnachweise bei Geimpften kennt hoffentlich auch der VGH und weißt die Anträge kostenpflichtig ab!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • L. S.
    Das wird doch alles Nebensache. Wir steuern auf Wahlen zu. Da werden wir das ein oder andere Gutti noch erhalten. Wenn nicht, siehts für die Regierungsparteien schlecht aus.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. K.
    dazu passt dieser Bericht perfekt...

    https://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/leitartikel/kommentar-zu-corona-wir-nehmen-das-virus-viel-zu-persoenlich-art-10561274

    Wir sollten uns nicht zu wichtig nehmen!

    Leider kann man heute gegen ALLES Klagen...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. E.
    Ich finde es grundsätzlich gut, wenn sich der VGH mit Fragen beschäftigt, die aus der Praxis kommen und bei denjenigen, die die Verordnung(en) beschlossen haben, keine bis kaum eine Rolle gespielt haben. Vielleicht gibt es ja auch Lösungen zwischen zwei Polen: nur 1-2 mal testen? nur Besucher? nur wechselnde Besucher? u.s.w.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. R.
    Das KU als Speerspitze des Widerstands? Dort sollte man eigentlich bemüht sein, dem Virus keine Chance zu bieten. Aber anscheinend weiß man genau, dass die Impfung 100 % Schutz bietet. Oder ist das eher politisch motiviert???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. K.
    Ach, und ein Besucher darf dann den anderen Besucher anstecken?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. R.
    Die Besucher treffen sich doch gar nicht. Waren sie in letzter Zeit schon einmal in einen Seniorenheim auf Besuch?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. M.
    Nur zur Klarheit: Es geht hier nur um die Testpflicht in Heimen, die geimpft sind. Die Maskenpflicht gilt dort weiter für Mitarbeiter und Besucher.

    mfg Gerhard Meißner, Redakteur
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. R.
    und wenn sich ein Besucher im Heim ansteckt? Aber das ist anscheinend egal... traurig
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. B.
    Kann man sich jetzt mit Corona infizieren und den Virus weitergeben trotzdem man geimpft ist ? Wenn dem so ist machen die Corona Tests doch weiterhin Sinn.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    @braunmatthias: es macht aber keinen Sinn als Pfegerin sich vor der Arbeit testen zu lassen wenn alle Bewohner geimpft sind oder die Chance dazu hatten!

    Da spielt es auch keine Rolle ob man den Virus dann weitergeben könnte - die Bewohner sind ja alle geimpft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. B.
    Ist aber nicht sicher ob die Impfung auch vor Mutationen schützt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Oder ob die Impfung auf Dauer schützt! Da wird auch kaum einer der Verantwortlichen eine konkrete Aussage treffen, sondern wird sich nur im Kreis drehen!!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. B.
    In der aktuellen Phase wo niemand so recht weiß wie ansteckend und gefährlich die Mutationen sind und welchen Schutz Geimpfte eigentlich genau haben macht das Testen weiterhin Sinn. Ich denke nicht dass ein Gericht hier anders entscheiden wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    Sicher kann man als Geimpfter den Virus weitergeben, auch an Geimpfte und ob dann Covid und seine Mutationen bei denen nicht, auch nicht erst verzögert ausbricht, ist noch alles offen, denn dazu weis man sicherlich noch viel zu wenig über die Langzeitwirkung des Impfstoffs! 🤷‍♀️🤷‍♂️
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. S.
    Das ganze ist doch bloß "Show-Gehabe"! Die Betonung liegt auf Gehabe. Oder sich in "Szene setzen". Ethisch nicht vertretbar. Komisch nur, dass die Ethikkommision da ganz anderer Meinung ist. Ist es nicht so, dass die einen gehen und andere kommen nach. Die Nachkommenden aber nicht geimpft sind. Wie reagieren die zu Pflegenden, wenn sie mitbekommen, dass viele nicht mehr getestet werden. Sie aber nicht wissen oder schnell vergessen, ist die jetzt geimpft oder nicht? Die ständige Fragerei, unnötig wie ein Kropf.
    Der sogenannte Schnelltestwahn ist in Wirklichkeit "Wahn", weil er einem vorgaukelt, frei und nicht Corvid-19 infiziert zu sein. Die berühmte Lücke, die Schwachstelle, das trojanische Pferd. Eigentlich müsste man diese Schnelltests abschaffen oder eben wie geschieht sehr oft - hier mind. dreimal die Woche - testen. Die Schlussfrage genauer Feststellung, plötzlich wollen sich andere Bewohner und Pflegepersonal "Nach-Impfen" lassen. Warum wohl? Der Zug ist halt erst mal abgefahren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    "...mit dem Ziel, die Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher aufzuheben, wenn alle Bewohner geimpft sind."

    Das ist nur recht und billig wenn die Testpflicht in dem Fall aufgehoben wird - offenbar hatte ja auch jeder die Chance sich impfen zu lassen.

    Alles andere würde ja bedeuten das die Maßnahmen bis in alle Ewigkeit so weitergehen - was will man denn noch erreichen wenn 98% geimpft sind?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. S.
    Das ist alles schön und gut. Doch wer kann garantieren das die Impfung wirklich ihren Zweck erfüllt ? Bisher gibt es keine klaren und verlässlichen Angaben z.B. schützt der Impfstoff wirklich, wie lange schützt der Impfstoff, Kann ein geimpfter andere noch anstecken ? Zu denken gibt mir das auch nach der Impfung noch der Mund-Nase-Schutz getragen werden soll. Um die Dinge feststellen zu können müssen auch nach der Impfung Kontrolltests durchgeführt werden. Selbst eine Altenpflegerin sollte doch wissen das Kontrolle besser ist als evtl. schwer erkrankte oder Tote durch den Virus. Aber man kann ja heute gegen alles klagen wenn es einem nicht gefällt !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten