
Als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vergangene Woche erklärte, wie Bayern die Corona-Einschränkungen ab diesem Montag lockern will, deutete es sich schon an: Es wird kompliziert. Wie kompliziert, das wurde klar, als das bayerische Gesundheitsministerium am Sonntag eine Liste an Medien verschickte, auf der festgelegt ist, welche Regeln in welchen Regionen ab Montag gelten. In Unterfranken ergeben sich dabei bizarre Konstellationen.
Zum Hintergrund: Wie streng der Lockdown fortgeführt wird, hängt von der Sieben-Tage-Inzidenz in der jeweiligen Stadt oder dem Landkreis ab. Erste Lockerungen sind bei Inzidenzwerten von unter 100 vorgesehen; weitere Erleichterungen gibt es, wenn die Schwellenwerte 50 oder 35 unterschritten werden. Grundlage sind Zahlen des Robert Koch-Instituts. In den meisten unterfränkischen Regionen liegt die Inzidenz zwischen 50 und 100. So in den Landkreisen Bad Kissingen, Miltenberg, Rhön-Grabfeld, Main-Spessart, Aschaffenburg sowie in den Städten Aschaffenburg und Schweinfurt. Unter 50 liegen die Landkreise Schweinfurt, Haßberge und die Stadt Würzburg. Auf einen Wert von unter 35 kommen nur die Landkreise Kitzingen und Würzburg.

Konkret heißt das zum Beispiel, dass man sich etwa in Retzbach (Lkr. Main-Spessart) nur mit den Angehörigen des eigenen Hausstands und den Angehörigen eines weiteren Hausstands treffen darf, solange dabei nicht mehr als fünf Personen zusammenkommen. Im nur vier Kilometer entfernten Thüngersheim (Lkr. Würzburg) dürfen sich dagegen bis zu zehn Personen aus drei Hausständen treffen. Und während in Würzburg am Montag die Geschäfte öffnen dürfen, ist das in Schweinfurt nicht der Fall. Dort darf nur "Termin-Shopping" angeboten werden.
Werte müssen drei Tage lang stabil sein
Bevor Corona-Reglungen gelockert werden, müssen die entsprechenden Schwellenwerte – 35, 50 und 100 – "an drei aufeinanderfolgenden Tagen" unterschritten werden, heißt es in der am Samstag veröffentlichten, mittlerweile zwölften bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. So soll vermieden werden, dass es ein ständiges Hin und Her zwischen Lockerungen und Verschärfungen gibt.
In die andere Richtung gilt das gleiche: Erst wenn der Inzidenzwert in einer Region drei Tage über 35, 50 oder 100 liegt, werden die Maßnahmen wieder verschärft. Zudem gelten laut der Verordnung "die für den neuen Inzidenzbereich maßgeblichen Regelungen" erst "ab dem zweiten Tag nach Eintritt der Voraussetzung".
Freie Wähler stellen Aussagekraft der Inzidenzwerte infrage
In dem Stufenplan zeigt sich das Dilemma der Politik: So wurde der immer wuchtiger vorgetragenen Forderung nachgegeben, dass ein harter Lockdown in Regionen mit niedriger Inzidenz gegenüber den Menschen vor Ort nicht zu rechtfertigen wäre, gleichzeitig aber hält sie im Grundsatz an ihrem Kurs in der Bekämpfung der Pandemie fest. Das zentrale Argument dafür, eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner als Grenzwert zu bestimmen, der die spürbarsten Öffnungen mit sich bringt, war die Möglichkeit der Nachverfolgung der Infektionsketten. Wenn diese Möglichkeit zur Eindämmung der Pandemie in einer Region besteht, dann gibt es dort keine Rechtfertigung mehr für massive Einschränkungen von Grundrechten.
Unterdessen stellen die Freien Wähler die Orientierung an Inzidenzwerten infrage. Sollte demnächst, etwa durch die "massenhafte Durchführung von Selbsttests", noch mehr getestet werden, sei von einem sprunghaften Anstieg der Inzidenz auszugehen, "obwohl das wahre Infektionsgeschehen" abnehme.
Sie schreiben, Deutschland sollte es so wie Schweden machen "Macht alles wieder auf, wie in Schweden; und vertraut auf die Eigenvorsorge!" Kennen Sie die Sterbezahlen Schweden - Deutschland im Vergleich?
Hier die akteullen gemittelt auf Anzahl Covid-Tote pro 1 Million Einwohner:
Schweden mit Gesamt Bevölkerung 10.324.000 Einwohner und 13.003 bei Covid-19-Verstorbenen (Stand 5.3.2021, Dashboard Schweden https://experience.arcgis.com/experience/09f821667ce64bf7be6f9f87457ed9aa)
-> 1.260 Covid-Tote / pro 1 Million Einwohner
Deutschland Bevölkerung: 83.190.556 Einwohner und 71.934 Todesfällen mit Covid-19 (8.3.2021, RKI)
-> 865 Covid Tote / pro 1 Million Einwohner
Wollen Sie das wirklich?
PS: vielleicht hilft die App "Wo darf ich was?"
Andererseits, warum wollen Sie sich einem größeren Risiko aussetzen? 😀😀
Da bin ich bei Ihnen, aber den Inzidenzwert vom 9. März schon am 8. März zu kennen, halte ich dann doch für etwas zu gewagt.
Ohne Lockerungen ist man wieder bei über 50.
Statt zuerst Flächendeckend mit Schnelltests die notwendige Struktur zu schaffen, lockert man erst und schaut dann mal.
Man riskiert viel, für möglicherweise wenig.
Allein das Scheuer und Spahn sich zusammen um die Schnelltest kümmern sollen. Da ist die Katastrophale Ausführung doch schon abzusehen.
Bleibt nur die Hoffnung, das nun alle so verwirrt sind und freiwillig daheim bleiben.
Woher kommt eigentlich der Mythos in Schweden wäre alles freiwillig? Bitte mal informieren.
Und so gut, klappt das in Schweden nicht. Ich halte das für kein gutes Konzept für Deutschland, außer man möchte doch noch mal die Todesfälle anführen.
Neuinfektionen pro 1 Millionen Bevölkerung
https://ourworldindata.org/coronavirus-data-explorer?zoomToSelection=true&time=2020-10-24..latest&country=USA~GBR~CAN~DEU~FRA~SWE®ion=World&casesMetric=true&interval=smoothed&perCapita=true&smoothing=7&pickerMetric=new_cases_per_million&pickerSort=desc
Covid-19 Tode pro 1 Millionen Bevölkerung
https://ourworldindata.org/coronavirus-data-explorer?zoomToSelection=true&time=2020-07-02..latest&country=USA~GBR~CAN~DEU~FRA~SWE®ion=World&deathsMetric=true&interval=total&perCapita=true&smoothing=0&pickerMetric=new_deaths_per_million&pickerSort=desc
Das nur zum Nachdenken! Denn 1% hört sich wenig an, aber das sind schon bei 80k Menschen in Rhön-Grabfeld etwa 800 Menschen, die dann mal rein rechnerisch auf einmal auf der Intensivstation liegen.
Und da begreift auch der Dümmste, dass mit „weiter so“ und „öffnet mal eben“ ohne vernünftige Basis einer Herdenimmunität durch Impfungen nichts zu wollen ist.
Wir müssen noch länger die Pobacken zusammenkneifen. Noch viel länger als uns lieb sein wird.
Und bitte: wenn die Leute so vernünftig wären wie nötig, dann bräuchte es keinen Lockdown. Der Lockdown ist alleine der fehlenden Kontaktreduzierung geschuldet.
die Frage haben wir uns auch gestellt. Das war bis Samstag unklar, bis die Verordnung veröffentlicht wurde. Wie im Text geschrieben, sind die Zahlen des RKI maßgeblich. Das RKI veröffentlicht seine Zahlen immer nach Mitternacht. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir die LGL-Zahlen veröffentlichen. Das LGL liefert am Nachmittag Zahlen. Das sind die aktuellsten Zahlen, die vor dem Druck der Zeitung zuverlässig abrufbar sind. Die LGL-Zahlen unterscheiden sich dann i.d.R. nicht wesentlich von den RKI-Zahlen des darauffolgenden Morgen.
Viele Grüße
Benjamin Stahl
Alles klar. Vielen Dank für die Ergänzung.
Gruß,
Thherr