
Wird an der Uni Würzburg Geschichte von rechtslastigen Dozenten gelehrt? Und wenn ja – wie ist damit umzugehen? Studierende haben dazu jetzt einen Antrag an die Leitung der Julius-Maximilians-Universität (JMU) formuliert. Sie warnen vor einer "neurechten Diskursverschiebung". Das Thema gärt schon seit längerem.
So wurde in sozialen Medien und hinter vorgehaltener Hand immer wieder über neurechte Strömungen am Lehrstuhl für Neueste Geschichte spekuliert. Hinweise darauf hatten zuletzt auch Main-Post und Bayerischen Rundfunk (BR) erreicht, was zu gemeinsamen Recherchen führte.
Verfassungsschutz: Ziel ist eine "Kulturrevolution von rechts"
Die "Neue Rechte" ist – verkürzt gesagt – der intellektuelle Überbau der rechtsradikalen oder rechtsextremen Szene. Sie unterhält Akademien, Vereine und gibt rechte Publikationen heraus. Laut Verfassungsschutz handelt es sich um ein "informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen, in dem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um antiliberale bis antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen". Neurechte Akteure würden versuchen, Einfluss auf den vorpolitischen Raum zu nehmen. Ziel: eine "Kulturrevolution von rechts".
Und so etwas an der Uni Würzburg? Im Fokus stehen Lehrstuhlinhaber Prof. Peter Hoeres (53) und Mitarbeiter Dr. Dr. Benjamin Hasselhorn (38), Akademischer Rat auf Zeit. Beide treten mit markant konservativen Positionen in Erscheinung und veröffentlichen in entsprechenden Organen. So verglich Hoeres erst vor wenigen Tagen in einem Beitrag für das Magazin "Cicero" die Bundeszentrale für Politische Bildung, die dem Innenministerium unterstellt ist, mit einer "linksgrünen Vorfeldorganisation".
Auch sonst kritisiert Hoeres eine angeblich linke Dominanz in den Medien, übt öffentlich Kritik an der Migrationsgesellschaft und Gendersprache und wirbt für eine positive Besetzung des Begriffes "rechts". Gleichzeitig beklagt er den aktuell wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Im vergangenen Jahr trat der Lehrstuhlinhaber aus dem Historikerverband aus, weil er ihm zu palästinafreundlich war.
Benjamin Hasselhorn geriet bereits vor fünf Jahren durch Veröffentlichungen von "Süddeutscher Zeitung" und "taz" in die Schlagzeilen. Damals warf ihm der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderte Historiker Niklas Weber vor, für die rechte Jugendzeitschrift "Blaue Narzisse" geschrieben und unter einem Pseudonym auch in der "Sezession" veröffentlicht zu haben.
Die Zeitschrift wurde bis 2024 vom "Institut für Staatspolitik" (IfS) herausgegeben, das der rechtsextreme Vordenker Götz Kubitschek und Hasselhorns früherer Schullehrer Karlheinz Weißmann gegründet haben. Der Verfassungsschutz stufte das IfS als rechtsextrem und verfassungsfeindlich ein. Hasselhorns Doktorvater, der Passauer Historiker und Lehrstuhlinhaber Hans-Christof Kraus, steht ebenfalls wegen neurechter Verbindungen – unter anderem zu Weißmann – in der Kritik.
Der renommierte Historiker Eckart Conze attestierte Hasselhorn in einem Zeitschriftenbeitrag revisionistische Positionen und seinem Professoren-Kollegen Hoeres, "sich immer weiter nach rechts zu bewegen" – aus Sicht des so Gescholtenen eine Retourkutsche, weil man ein Buch von Conze kritisch besprochen habe.
Studierendenparlament beantragt Erklärung der Hochschulleitung
Studierende der Uni Würzburg sind jedenfalls in Sorge, dass der Diskurs am Lehrstuhl für Neueste Geschichte eingeschränkt und nach rechts verschoben wird. Auf Antrag der Linken Liste, der Grünen Hochschulgruppe und der Volt Hochschulgruppe hat das Studierendenparlament in der vergangenen Woche die Uni-Leitung aufgefordert, zu "politischen Färbungen, Auslassungen und Haltungen" sowie zur "Beschäftigung von Lehrpersonal mit Kontakten in offen rechtsextreme Kreise" Stellung zu nehmen.
Außerdem wollen die Antragsteller eine Ausweitung des Lehrangebotes, so dass es mehr Auswahl bei Vorlesungen und Seminaren gibt. Studierende kritisieren, dass der Holocaust am Lehrstuhl kaum thematisiert werde. Mit Blick auf die Ausbildung künftiger Geschichtslehrkräfte sei dies nicht tragbar.
Von Benjamin Hasselhorn verlangt das Studierendenparlament eine eidesstattliche Erklärung, nicht unter einem Pseudonym in der "Sezession" veröffentlicht zu haben. Es geht dabei um den konkreten Beitrag "Demokratie von rechts" von Juni 2014, der aus Sicht der Antragsteller die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellt.
Hasselhorn, seit 2019 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der JMU beschäftigt, bestreitet dies gegenüber Main-Post und BR vehement und führt Beiträge an, die das Gegenteil belegen sollen. Der gerade habilitierte Historiker wittert eine "politische Kampagne gegen mich", sie laufe seit fünf Jahren. Er spricht von einer "Verschwörungserzählung", wonach der Lehrstuhl zu Strukturen der Neuen Rechten gehöre. "Das ist Unsinn", meint Hasselhorn. "Weder ich noch irgendjemand sonst an unserem Lehrstuhl steht personell oder inhaltlich der 'Neuen Rechten' nah." Als CSU-Mitglied engagiere er sich für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Historiker Hasselhorn bestätigt Veröffentlichungen in "Sezession"
Allerdings räumt er auf Anfrage von Main-Post und BR jetzt erstmals überhaupt ein, tatsächlich Autor von unter Pseudonym erschienenen "Sezession"-Beiträgen zu sein. Damals sei die Zeitschrift noch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet worden. In seinen Texten habe er für einen "dezidiert demokratischen deutschen Tory-Konservativismus" geworben. Angesichts einer problematischen Entwicklung der "Sezession" habe er 2014 jeden Kontakt zu der Zeitschrift abgebrochen und dort nie wieder publiziert.
Er habe nie die Unwahrheit gesagt, beteuert Hasselhorn. 2021 habe er zu den "Vorwürfen, Unterstellungen und Verschwörungserzählungen" geschwiegen, "um nicht selbst noch eine mediale Empörungslogik zu bedienen, die für Differenzierungen leider selten Raum lässt". Hasselhorn bedauert, dass die Beschwerdeführer aus den Reihen der Studierenden nicht das Gespräch mit ihm gesucht, sondern sich direkt an die Uni-Leitung gewandt hätten.
Lehrstuhlinhaber Hoeres vermutet "politisch motivierte Kampagne"
Auch Peter Hoeres dementiert eine Verbindung zur Neuen Rechten als "Verschwörungstheorie". Er verweist auf "Sozialdemokraten, Liberale und Konservative" am Lehrstuhl. Der Historiker vermutet eine "politisch motivierte Kampagne" und "Cancel Culture". Sie zu bekämpfen ist auch Ziel des bundesweiten Netzwerks Wissenschaftsfreiheit, das Hoeres vor einigen Jahren mitbegründet hat.
Er sieht den Beschluss des Studierendenparlaments (Stupa) kritisch: "Das Stupa kann die grundgesetzlich geschützte Lehre weder beurteilen, noch hat es die Kompetenz dafür, noch darf es einzelne Mitarbeiter versuchen zu canceln." Politische Färbungen am Lehrstuhl mit Einfluss auf die Lehre bestreitet Hoeres ebenso wie Kontakte von Lehrpersonal in rechtsextreme Kreise.
An der Verfassungstreue Hasselhorns zweifele er in keiner Weise. Den Vorwurf eines eingeschränkten Lehrangebotes kontert Hoeres mit dem Hinweis auf "zahlreiche Veranstaltungen", in denen Nationalsozialismus und Holocaust behandelt würden. Vorschläge aus der Studentenschaft seien bisher ausgeblieben.
Universität äußert sich zu Vorwürfen nur spärlich
Und die Uni-Leitung? Sagt erstmal wenig. Die Ausrichtung der Lehre an der Universität Würzburg falle unter die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre, so Sprecherin Esther Knemeyer. "Gleichzeitig achten wir darauf, dass die Lehre an unserer Universität im Rahmen der Treue zur Verfassung stattfindet, der alle beim Freistaat angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichtet sind." Die Uni wolle alle von den Studierenden vorgebrachten Punkte sorgfältig untersuchen.
Der Beschluss des Studierendenparlaments und die Berichterstattung von Main-Post und BR blieben nicht ohne Reaktionen:
Geht es nicht um extremistische Strömungen oder Nähe an der Uni Wü?
Das gilt sowohl für Rechts als auch links!
Das ist aber nicht Aufgabe einer Stups oder sonst Studentenvertretung sonder der Uni und der Regierung
Das hier hat schon sehr stark den Ruch davon, dass die Antragsteller nicht wollen, dass mal andere Meinungen als ihre eigenen in den Diskurs einfließen.
Das eine hat mit dem anderen nichts gemeinsam!
Daher muss manchem Einhalt geboten werden!