Genauso haben es die Strategen vom III. Weg geplant. Erst die Plakate mit der Aufschrift "Hängt die Grünen", jetzt die Diskussion um den pietätlosen Auftritt am Barbarossaplatz in Würzburg: Die neonazistische Splitterpartei, die laut Verfassungsschutzbericht deutschlandweit gerade einmal 580 Mitglieder und Sympathisanten zählt – darunter 160 in Bayern –, ist wenige Tage vor der Bundestagswahl in aller Munde. Im Internet wird das von den rechtsextremen Demokratiefeinden vollmundig gefeiert.
Hätte man den III. Weg also einfach gewähren und gleichzeitig weitgehend ignorieren sollen? Auf den ersten Blick mag das eine Verlockung sein, für eine Demokratie, die im Zweifel wehrhaft sein möchte, kann "Augen zu – und durch" aber kein Rezept sein. Da ist politisches Handeln gefragt. Dass die Zivilgesellschaft in Würzburg sich den 15 bis 20 rechten Aktivisten mit 300 Menschen wieder einmal lautstark entgegenstellte, ist ein ebenso eingeübtes wie wichtiges Ritual. Aber es reicht nicht.
Ein Demo-Verbot wäre ein starkes Signal gewesen
Die Behörden hätten es den Neonazis nicht so leicht machen dürfen. Dass der III. Weg ausgerechnet am Tatort der Messerattacke eine Inszenierung mit blutüberströmten Puppen, die drei Leichen symbolisieren, plante, um so gegen die Asyl-und Migrationspolitik zu protestieren, war schon bei der Demo-Anmeldung bekannt. Man habe keine Möglichkeit gesehen, einen solchen Aufzug zu verbieten, heißt es aus dem Rathaus. Mit den Experten von Innenministerium, Polizei und Staatsanwaltschaft sei man sich in dieser Einschätzung einig gewesen.
Muss der Rechtsstaat wirklich ertragen, dass die Opfer eines brutalen Verbrechens ohne Rücksicht auf die Gefühle der Angehörigen derart instrumentalisiert werden? Vielleicht ist das so, aber das hätte man dann gerne von einem unabhängigen Gericht geklärt und begründet haben wollen. Das Risiko, mit einem Verbotsantrag durchzufallen, bestand für die Stadt Würzburg zweifelsohne. Meinungsfreiheit ist schließlich ein hohes Gut, die Demokratie muss auch Geschmacklosigkeiten aushalten. Doch ein Demo-Verbot wäre ein starkes Signal gewesen – selbst dann, wenn es das Verwaltungsgericht am Ende kassiert hätte.
Kein gutes Zeugnis für die Staatsanwaltschaft
Eingreifmöglichkeiten bestanden aber auch dann noch, als die Inszenierung bereits begonnen hatte. Dass man das Aufstellen der drei Kanzlerkandidaten-Fotos hinter die symbolischen Leichen als Mordaufruf gegen Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz werten kann, hätte einem erfahrenen Staatsanwalt vor Ort schon auffallen können. Dass man keinen Straftatbestand erkennen konnte, ja zunächst nicht mal eine Überprüfung auf Rechtsverstöße ankündigte, stellt den Strafverfolgern kein gutes Zeugnis aus.
Zumal Staatsschützer ja eigentlich wissen, dass eine Partei wie der III. Weg solche Uneindeutigkeiten sehr bewusst einsetzt: Dass die Leichen-Puppen sowohl als Opfer des Messerangreifers sowie als ermordete Politiker verstanden werden konnten, damit haben die Neonazis gespielt. Beim Streit um die in Bayern und jetzt endlich auch in Sachsen verbotenen Plakate mit dem Slogan "Hängt die Grünen" bestand exakt das gleiche Handlungsmuster. Hier behaupteten die Rechten vor Gericht, mit "Grünen" seien ihre eigenen Plakate gemeint gewesen, Grün sei schließlich auch ihre Parteifarbe.
Demokratie funktioniert nicht von selbst. Wehret den Anfängen, muss das Motto gegen ihre Feinde lauten – und zwar auf allen Ebenen. Ob ein Parteienverbot, wie es jetzt wieder vor allem Grüne fordern, der richtige Weg in der Auseinandersetzung ist, darüber muss debattiert werden. Richtig ist aber auch, was der Terrorexperte Peter Neumann sagt: Wenn Parteiverbote Sinn haben, dann bei einer so menschenverachtenden Partei wie dem III. Weg.
...warum hat denn bitte der rechte Rand zuerst mit Kultur und nur wenig mit Politik zu tun?
Hier lassen Sie mich ratlos.
Im Übrigen bin ich der Meinung von Herrn Czygan "...ein Demo-Verbot wäre ein starkes Signal gewesen – selbst dann, wenn es das Verwaltungsgericht am Ende kassiert hätte."
Die Gegen-Demo von u.A. Omas gegen Rechts und Gleichgesinnten verdient vollen Respekt und Anerkennung!
Jetzt wurden ja nun endlich Strafanzeigen gestellt.
Quelle: "https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-09/der-dritte-weg-protestaktion-leichen-ermittlungen-wuerzburg"
Natürlich kann man das als politische Position auffassen – aber die Grundlage dafür ist im Welt- und Menschenbild dieser Gruppe verankert. Und auch wenn sie eine Minderheit in unserer Gesellschaft darstellen, so sind diese Muster doch Teil unserer Kultur.
Ein Beispiel:
Eine Diskussion über das Asylrecht ist grundsätzlich eine politische Diskussion.
Aber die Frage dahinter, ob Menschen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit als gleichwertig angesehen werden, ist eigentlich eine Diskussion über Kulturstandards – die eben nur in einem politischen Rahmen geführt wird.
Gerade bei den rechten Positionen ist die Abgrenzung von politischen Themen gegenüber gesellschaftlichen Werten häufig besonders schwierig ...
sollte mMn sein, dass alle Menschen (von) überall von vorneherein als gleichwertig aufgefasst werden. Und zwar unabhängig von Kultur oder Ethnie.
Je eher "wir" das mit gleichen Rechten/ gleichen Pflichten für alle hinkriegen, umso weniger Lehrgeld wird uns das kosten, je länger irgendwer glaubt etwas Besseres zu sein, umso langwieriger und schmerzhafter wird der Lernprozess - vorausgesetzt es schafft nicht sogar noch jemand im Banne irgendeines hirnverbrannten "-ismus", die Erde komplett von homo sapiens zu kurieren...
warum manche Leute nicht verstehen (wollen), dass Nationalismus, Diskriminierung und Hasspredigen nur immer in eine Richtung führen: nämlich abwärts.
Mit Tunnelblick löst man keine Probleme, sondern schafft (sich) höchstens welche.
Ein Verbot hätte das gerade in den rechten Gruppierungen dauerpräsente Selbstbild der (selbstgewählten) Opferrolle nur wieder befeuert.
Es wäre wieder Wasser auf die Mühlen derer gewesen, die staatliche Willkür, Missachtung der Grundrechte und Ausgrenzung „Andersdenkender“ beklagen wollen. Die Geknechteten des Diktats des linksgrünen Gutmenschentums hätte man damit nur wieder bestärkt. Und ein Verbot würde nur rein symptomatisch wirken.
Nein, ich denke, gerade das war ein starkes Zeichen einer demokratisch wehrhaften Gesellschaft. Diese Menschen sind Teil der Gesellschaft – also ist es auch die Aufgabe der Gesellschaft, diesen Menschen zu zeigen, dass die Mehrheit die Meinung der Anhänger des III. Wegs nicht teilt. Und genau das hat in Würzburg ziemlich gut geklappt …
Die Auseinandersetzung mit Parteien am rechten Rand ist in erster Linie ein kulturelles Thema – und erst in zweiter Linie ein politisches.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg ist eine Skandalbehörde, zu der längst ein Untersuchungsausschuss angezeigt ist. Die Arroganz der Macht einer CSU-Behörde, die seit 50 Jahren ohne jedes Korrektiv und ohne jede Dienstaufsicht agiert.
Die Taten von Volksverhetzern und Rechtsextremisten werden bagatellisiert, schöngeredet und mit formaljuristischen Tricksereien "legitimiert".
Gleichzeitig verfolgt diese Behörde drakonisch Menschen, die die Justiz kritisieren, Ladendiebe, Schwarzfahrer und ähnliche "Kriminelle". Erst vor zwei Wochen wurde wegen Ladendiebstahls (Kosmetika, 6 Euro) in der Region von einer Staatsanwältin 6 Monate Haft ohne Bewährung beantragt. Die Richterin war "gnädig": 6 Monate Haft mit Bewährung.....
Als ehemaliger Polizeibeamter frage ich mich, wann endlich etwas gegen derarte "Missstände" innerhalb der Justiz unternommen wird, die den gesamten gesellschaftlichen Zusammenhalt zersetzt.
Nein.
Hätten sie eben nicht.