Am vergangenen Mittwoch hat das Amtsgericht Würzburg die Ordensschwester Juliana Seelmann verwarnt. Sie gewährte 2019 und 2020 zwei jungen Frauen aus Nigeria Kirchenasyl und verhinderte somit deren Abschiebung. Das Amtsgericht wertete dies als "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt". Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Die 38-Jährige, die seit rund zehn Jahren den Franziskanerinnen im Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) angehört, will sich gegen das Urteil wehren und Rechtsmittel einlegen. Das bestätigte ihr Anwalt am Montag gegenüber dieser Redaktion.
Den Franziskanerinnen geht es ums Prinzip
Nachdem die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens ablehnte, wählte Richter René Uehlin eine denkbar milde Strafe: Seelmann muss, so die Auflagen des Gerichts, 500 Euro an eine karitative Einrichtung spenden und darf sich zwei Jahre lang nichts zu Schulden kommen lassen. Sie darf kein weiteres Kirchenasyl gewähren, sonst drohen ihr zusätzliche 600 Euro Geldstrafe und ein neues Strafverfahren.
Für die Klostergemeinschaft wäre es sicherlich kein Problem, die Strafe zu zahlen. Doch es geht den Franziskanerinnen ums Prinzip. Schwester Juliana wehrt sich gegen einen Schuldspruch, den sie persönlich als Enttäuschung empfindet. Mit diesem Gefühl ist sie nicht allein. Viele Unterstützer solidarisierten sich mit der 38-Jährigen – darunter der Würzburger Bischof Franz Jung.
Wortwahl des Richters sorgte für heftige Irritationen
Im Prozess hatte sie sich auf Artikel 4 des Grundgesetzes, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, berufen. "Ich konnte nicht anders", beteuerte Schwester Juliana im Gespräch mit dieser Redaktion. Wenn jungen Frauen Zwangsprostitution und Gewalt droht, müsse sie die Klosterpforte öffnen. Das Gericht argumentierte dagegen mit dem ebenfalls in der Verfassung verankerten Rechtsstaatsprinzip. Am Ende ist es eine Frage der rechtlichen Abwägung. Es brauche beim Kirchenasyl ein Grundsatzurteil, heißt es aus Justizkreisen.
Für heftige Irritationen sorgte die Wortwahl des Richters: "Ich spreche kein Urteil im Namen Gottes, sondern im Namen des Volkes", sagte Uehlin in der Verhandlung – und ergänzte: "Wir leben in einer Demokratie, nicht in einem Gottesstaat."
Richter: "Offener Rechtsbruch, der nicht entschuldigt werden kann"
Da würden falsche Assoziierungen geweckt, kritisiert Seelmanns Verteidiger Franz Bethäuser und spricht von einer "diskriminierenden Wirkung" des Urteils. Die Gewissensfreiheit sei eindeutig in der Verfassung verbürgt und jeder könne sich darauf berufen – auch eine Ordensschwester. Kirchenasyl habe "nichts mit einem Gottesstaat zu tun", heißt es in einer Mitteilung des Würzburger Flüchtlingsrats.
Doch wie lautete der Kontext des Zitats? Uehlin sprach in der Verhandlung von einem "offenen Rechtsbruch, der nicht entschuldigt werden kann", somit könne es auch keine strafrechtlichen Privilegien für die Kirchen geben. Und er sprach aus, was sich viele im Saal dachten: Es sei ein "Unding", dass Fälle von Kirchenasyl vor den Strafgerichten landen.
Welche Möglichkeiten Schwester Juliana jetzt hat
Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" und die Grüne Jugend Würzburg forderten nach dem Urteil eine "Entkriminalisierung von Kirchenasyl". Auch der Würzburger Flüchtlingsrat pocht auf eine politische Lösung, um die offensichtlichen Lücken in der Asylgesetzgebung zu schließen.
Schwester Juliana hat indes zwei Möglichkeiten: Sie könnte Berufung am Landgericht Würzburg einlegen oder direkt die Option einer Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht in Bamberg wählen. Das entscheidet sich, sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg will die Entscheidung des Amtsgerichts akzeptieren. Das Urteil sei "vertretbar", teilte Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch am Montag mit. Für die Behörde sei der Schuldspruch entscheidend, gleichzeitig stellt er klar: Natürlich habe auch die Staatsanwaltschaft die Grundrechte von Schwester Juliana abgewogen – jedoch mit einem anderen Ergebnis.
Insbesondere die Argumentation der Ordensschwester, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beurteile Härtefälle falsch und deshalb sei ein Kirchenasyl notwendig, sei nicht nachvollziehbar. Laut Kostuch treffe das Bamf seine Entscheidungen unter anderem auf Basis von "diplomatischen Erkenntnissen", während sich die Geistlichen auf die Schilderungen der Geflüchteten verließen.
Gerade beim Thema "Kirchenasyl" besteht ein hohes Risiko der sicher im Einzelfall gut gemeinten, aber dennoch missbräuchlichen Ausübung der Gewissensfreiheit. Sollte dieses Grundrecht höher als das Rechtsstaatsprinzip bewertet werden, ist das eine faktische Kapitulation des Rechtsstaates. Höhere Instanzen werden es aber hoffentlich nicht so weit kommen lassen.
Der Richter hat weise entschieden. Prinzipienreiterei, wie sie die Ordensschwester jetzt betreibt, ist völlig fehl am Platz. Sie sollte sich in Demut und Gehorsam auch gegenüber der weltlichen Obrigkeit üben. Dass sich der Bischof vor diesen Karren spannen lässt, ist allerdings unfassbar. Die Kirche mit ihrem ganz besonderen Rechtsverständnis hat derzeit andere Sorgen ...
Vielleicht ist es aber auch umgekehrt und der Bischof spannt an: Bei der Ordensfrau ist im Haftungsfall nichts zu holen und die Tagessätze sind deutlich niedriger.
Und eine demonstrative Zurschaustellung von moralischer Überlegenheit, Menschlichkeit und Barmherzigkeit ist angesichts der 'derzeitigen anderen Sorgen der Kirche' vielleicht nicht die schlechteste Idee.
Die Ordensfrau steht zwar im Vordergrund, aber dem Gehorsam verpflichtet, hat wohl im Hintergrund der Bischof die Fäden in der Hand.
Wie wäre der Stand bei einem Bürger ohne Lobby?
Es soll schon so mancher totgelacht haben...
Lachen ist oftmals ein Zeichen für nicht verstehen.
Und offensichtlich haben Sie nicht verstanden, dass es hier nicht um die Höhe der Strafe geht, sondern darum, die Sache mit dem Kirchenasyl höchstrichterlich und grundsätzlich klären zu wollen.
Wie so schon sagten ist dies höchstrichterlich zu entscheiden und bis dies so ist solange gilt das was der Richter entscheidet und nicht die Kirche. Die Kirche steht nicht über das Gesetz auch wenn sie sich das einbildet. Im übrigen ist das Kirchenasyl durch die Härtefallkommission obsolet geworden.