Überraschung zu Wochenbeginn: Am Montag veröffentlichte der Vatikan ein umfangreiches Papier. Der Titel hat nichts provokantes: "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche". Das Dokument der Kleruskongregation hat es dennoch in sich. Es sorgt in der deutschen katholischen Kirche teilweise für heftige Empörung. Die Kritik entzündet sich vor allem an der Aussage, dass Laien keine Pfarreien leiten sollen, nur Priester – als gäbe es keine Priestermangel. Für die Zusammenlegung von Pfarreien sind begründete Einzelfallentscheidungen der Bischöfe erforderlich. Kirchengebäude dürfen wegen Finanzknappheit nicht aufgegeben werden.
Stehen nun Strukturreformen in den deutschen Bistümern auf der Kippe? Muss die "Pastoral der Zukunft" im Bistum Würzburg neu diskutiert werden?
Die deutschen Bischöfe waren derart überrascht, dass sie zunächst dazu schwiegen. Mit zu den ersten, die sich zu Wort meldeten, gehörte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. In seiner am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme schreibt der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz von einer "Umkehr zur Klerikalisierung". Er befürchte, "dass noch so verbindlich dargestellte Normen nicht greifen, wenn sie zu einem großen Teil von der Realität längst überholt sind". Er sieht keinen Änderungsbedarf an den neuen Leitungsmodellen in seinem Bistum. Dort stehen bereits Laien an der Spitze von Kirchengemeinden. Bode sieht diese Instruktion vielmehr als eine starke Bremse der Motivation und Wertschätzung und Dienste von Laien.
Am Donnerstag veröffentlichte Bambergs Erzbischof Ludwig Schick auf der Bistumshomepage seine Stellungnahme: "Wozu die Kleruskongregation diese Instruktion herausgeben hat, wird nirgends deutlich: Weder Anlass noch Zweck werden ausdrücklich genannt." Das sei ein großes Manko und eröffne Raum für alle möglichen Spekulationen, "die Schaden anrichten." Auch Erzbischof Schick sieht wie Bischof Bode keinen Handlungsbedarf. "Unsere Strukturreform" sei im Geist des Vatikanischen Konzils, das die Kirche als Gemeinschaft aller Getauften definiert, eingerichtet. Ebenso nach dem Grundsatz, "was alle angeht, muss von allen behandelt und angenommen werden".
Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" sieht die Instruktion "als ungeheuerlichen Versuch Roms", die dringend anstehenden Pastoralreformen auszubremsen. "Diese Instruktion erscheint wie ein letzter Aufschrei einer sterbenden Religionsdiktatur", schreiben die "Wir sind Kirche"-Sprecher Magnus Lux aus Schonungen (Lkr. Schweinfurt) und Christian Weisner in ihrer Pressemitteilung. Sie appellieren "an die Gemeinden, die kirchlichen Gremien, aber auch an die Bischöfe und Mitglieder des Synodalen Weges, sich nicht mehr kleinlich und diskriminierend vorschreiben zu lassen, wie sie ihr Leben als Glaubende zu gestalten hätten". Denn, so Lux, "Kirche ereignet sich, wo Gemeinde im Namen Jesu zusammenkommt, nicht wo zufällig ein Priester anwesend ist".
Am Freitag äußerte sich auf Nachfrage dieser Redaktion auch Würzburgs Bischof Franz Jung zur Instruktion. Im ersten Teil würden "zutreffend" die rasanten Veränderungen beschrieben, mit denen die heutige Pastoral sich weltweit konfrontiert sieht. Jung verweist auf die "aufmunternden und geradezu provozierenden Äußerungen von Papst Franziskus". Dieser träume von einer Kirche, "die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient". Doch wer dann im weiteren Text "Neues erwartet hat, wird enttäuscht", so Jung. Etliche Regelungen könne man nur schwer nachvollziehen.
Die Deutsche Bischofskonferenz wird sich laut Bischof Jung im Herbst mit dem Dokument auseinandersetzen und nach möglichen Konsequenzen für die diözesanen Erneuerungsprozesse fragen. "Die Kriterien der Instruktion für die Bildung Pastoraler Räume, für Leitungsmodelle und Rätestrukturen dienen dabei als Orientierung auch für den Prozess im Bistum Würzburg." Unmittelbarer Handlungsbedarf sei im Bistum Würzburg jedoch momentan nicht gegeben, "weil die Fragen nach den Leitungsmodellen und der inneren Gestaltung der Pastoralen Räume erst in der nächsten Etappe unseres Prozesses diskutiert werden", so Jung.