
Die "Pastoral der Zukunft" im Bistum Würzburg ist wieder einen Schritt weiter. Bis Jahresende waren Hauptamtliche und Dekanatsräte aufgerufen, ihre Voten zur anstehenden Strukturreform abzugeben. Die neuen geografischen Einheiten sollen dann, so hat es Bischof Franz Jung festgelegt, bis Herbst 2020 etabliert werden. Die Kirchenstiftungen bleiben davon unberührt.

Laut Dompfarrer Jürgen Vorndran, Domkapitular und Dekan des Dekanats Würzburg-Stadt, liegen alle Voten aus den Dekanaten vor. "Sie dokumentieren, wo es noch rumpelt und wo es glatt läuft." Die Diskussion, welche Pfarreien in und um Würzburg künftig zusammenarbeiten, ist laut Vorndran weit vorangeschritten. "Wir können nicht so weiter machen wie bisher. Die Weichen werden neu gestellt." Er und Dekanatsratsvorsitzende Helga Neudert erläutern, was für den "urbanen Raum Würzburg" geplant ist.
Die Ausgangssituation: Noch existiert das Dekanat Würzburg-Stadt in der Zusammenarbeit von 29 Pfarreien und einer Kuratie mit rund 74.000 Katholiken in zehn Pfarreiengemeinschaften und einer Einzelpfarrei. Es steht - wie in allen anderen Dekanaten - seit Jahren über allen Diskussionen die Frage: "Wie kann man die Kirche zukunftsfähig machen?" Dompfarrer Vorndrans Antwort: "Indem man der untersten Ebene das meiste zutraut." Gemeint sind die Pfarreien, die im künftigen "Nahbereich kirchlichen Lebens" kooperieren.
Das Gemeindeleben hat sich in den vergangenen Jahren bereits verändert. Aber es seien Unsicherheiten entstanden, so Vorndran. Durch Bündelung von Ressourcen soll nun nach seinen Worten nicht nur neues Bewusstsein eingepflanzt werden: "Wir wollen uns ein Stück weit neu erfinden." Wie das aussehen im Raum Würzburg aussehen könnte, das sei "experimentell" in einem Prozess entwickelt worden. "Drei Jahre lang haben wir diskutiert und darum gerungen", sagt Helga Neudert.
Gestaltung eines "urbanen Raums" mit elf Nahbereichen kirchlichen Lebens
Geplant ist die Gestaltung eines "urbanen Raums", erläutert der Dompfarrer. "Er reicht von Leinach bis Sommerhausen, von Kürnach bis Fuchsstadt." In diesem urbanen Raum wird es elf erweiterte Pfarreiengemeinschaften geben - laut dem Konzeptentwurf sind das die "Nahbereiche kirchlichen Lebens". Ziel sei, so Präsenz und Erreichbarkeit von Kirche zu gewährleisten - und den Erhalt der Kirchenstiftungen. "Sie bleiben", betont Vorndran.

Wichtig sei ein offener Blick, so Vorndran: "Wir gehen auch über Dekanatsgrenzen und knüpfen an bisherige Pfarreiengemeinschaften an." Es soll nicht mehr in vorgegebenen kommunalen Grenzen gedacht werden: "Jede Pfarreiengemeinschaft muss einen oder mehr neue Partner hinzunehmen, so entstehen die neuen Nahbereiche kirchlichen Lebens." Die Menschen würden nicht mehr festen Territorien zugeordnet: "Sie beheimaten sich selbst", sagt Vorndran."Dort, wo sie sich geistlich beheimatet fühlen“, ergänzt Dekanatsratsvorsitzende Neudert.
Als "Pioniere" bezeichnet Vorndran diesbezüglich die Pfarreiengemeinschaft Würzburg-Ost, die seit 2017 mit Rottendorf kooperiert. Zuvor bestand sie aus den Pfarreien Unsere Liebe Frau (Frauenland), St. Barbara (Mönchberg/Heimgarten), St. Alfons (Keesburg) und St. Nikolaus (Gerbrunn). "Sie warten nun auf die Bestätigung durch den Bischof, erst dann können sie eine gemeinsame Homepage im Internet anbieten."
Die Pfarreiengemeinschaft Würzburg-Innenstadt wird wieder geteilt. "Die Dompfarrei und St. Peter und Paul entwickeln sich künftig in Richtung Sanderau", sagt Vorndran, "Stift Haug und St. Gertraud in Richtung Grombühl". Generell seien die Grenzen jedoch nicht hermetisch. Sie sollen durchlässig sein, damit Bewährtes auch in der Innenstadt weiter geht. Es gelte eine neue Raumphilosophie: Vernetzung und gegenseitige Unterstützung. "Früher war eine Pfarrei wie ein Container. Alles war darin enthalten. Dieses Raumverständnis greift jedoch nicht mehr. Die untere Ebene, die wir stärken wollen, ist künftig die Gemeinschaft von kooperierenden Pfarreien."
Vier Sektoren für Hauptamtliche
Die elf "Nahbereiche des kirchlichen Lebens" werden in vier Sektoren gegliedert. In diesen Sektoren sollen Hauptamtliche in einer Teamgröße von acht bis zehn Personen zusammenarbeiten. "Sektor ist ein Arbeitsbegriff", so Vorndran. Er bevorzugt ihn, denn: "Sektor steht für den Teil eines Kreises, der vom Rand bis zur Mitte führt."
Dekanatsratsvorsitzende Neudert blickt positiv auf die anstehenden Veränderungen, die weit mehr beinhalten als die pastorale Arbeit in größeren Räumen: "Kirche sind nicht nur 'die da oben', Kirche sind wir alle." Jeder könne wirken, wirksam sein, so Neudert. "Die Kirche liefert die Struktur, die Hauptamtlichen sind die Begleiter." Vorndran fügt hinzu: "Die Kirche lebt subsidiär; das heißt: Was die unterste Ebene kann, tut sie selbständig. Von oben kommt Rat und Unterstützung."
Helga Neudert spricht von "Chancen, wenn wir uns neu aufstellen", von "Mut und Kreativität und Gestaltungsfreiheit vor Ort". Die Herausforderung sei, dass die Menschen Verantwortung übernehmen. Neudert ist sich sicher: "Die vier Sektoren und elf Nahbereiche werden Synergieeffekte hervorrufen. Kirche wird anders sein und es wird weitergehen."