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OCHSENFURT
Stillstand am Bahnhof Ochsenfurt
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:33 Uhr

Zwischen 1000 und 1500 Menschen steigen täglich am Bahnhof Ochsenfurt ein und aus. Doch nicht alle, die vor Ort auf die Bahn als öffentliches Verkehrsmittel angewiesen wären, können sie auch nutzen. Insgesamt 34 Stufen sind es, die von der Bahnhofsunterführung zu den Gleisen führen – genau 34 Stufen zuviel für all diejenigen, die im Rollstuhl, mit dem Rollator oder mit einem Kinderwagen unterwegs sind.

Dass der Bahnhof Ochsenfurt für Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, ohne fremde Hilfe nicht nutzbar ist, ist vielen schon lange ein Dorn im Auge. „Die Situation dort ist alles andere als behindertengerecht“, heißt es etwa in einem Schreiben des VdK Ochsenfurt an diese Redaktion. Bereits 2012 hatte sich der Verband an die Deutsche Bahn (DB) gewandt und um eine Prüfung gebeten, wann und mit welchen Maßnahmen der Bahnhof barrierefrei umgebaut werden könnte. Ochsenfurt könne aufgrund seines „relativ guten baulichen Zustands in der Tranche bis 2018“ nicht berücksichtigt werden, lautete damals die Antwort der Bahn.

Ochsenfurt aus finanziellen Gründen nicht berücksichtigt

Doch wie stehen die Chancen nach 2018? Das Innenministerium, das für den Schienenverkehr zuständig ist, hat eine Liste der Bahnhöfe veröffentlicht, die zum Teil bis 2021, zum Teil ab 2021 barrierefrei umgebaut werden sollen. Ochsenfurt ist nicht dabei. Und das, obwohl der Bahnhof mit seinen täglich bis zu 1500 Reisenden und einer Behindertenwerkstatt der Mainfränkischen Werkstätten in nur 600 Meter Entfernung zwei wichtige Kriterien für einen Umbau erfüllen würde.

Für die Deutsche Bahn, die die Bahnhöfe barrierefrei ausbauen soll, spielen bei der Entscheidung für einen Umbau noch weitere Faktoren eine Rolle – etwa die Frage, ob es sich um einen Umsteigebahnhof handelt. „In den aktuell laufenden Programmen von Bund und Freistaat konnte Ochsenfurt leider aus finanziellen Gründen noch nicht berücksichtigt werden“, so ein Bahnsprecher auf Nachfrage dieser Redaktion. In den vergangenen zehn Jahren habe die Deutsche Bahn rund 800 Millionen Euro in den barrierefreien Ausbau von größeren Bahnhöfen und von Umsteigebahnhöfen investiert. „Mittelfristig sehen wir daher keine Chance, dass Ochsenfurt barrierefrei ausgebaut werden kann“, so der Sprecher.

Das Ganze sei ein landes- und bundesweites Thema, wodurch sich die Frage nach der Gewichtung stelle: „Wo kann man mit geringen Mitteln die meisten Reisenden erreichen?“ Dies sei zum Beispiel bei Bahnhöfen im hochfrequentierten S-Bahn-Netz München der Fall.

Eine bauliche Herausforderung

Für Elisabeth Schäfer ist die Situation in Ochsenfurt dennoch so nicht hinnehmbar. Die kommunale Behindertenbeauftragte des Landkreises Würzburg, die gleichzeitig Vorstandsmitglied des VdK Ochsenfurt ist, erreichen regelmäßig Beschwerden von Menschen, die den Bahnhof in Ochsenfurt als „katastrophal“ empfinden. „Der VdK tritt generell für bewegungseingeschränkte Menschen ein“, erklärt Schäfer. Dazu gehören Menschen mit einer Behinderung ebenso wie beispielsweise Senioren. „Keine 80-Jährige, die auf ihren Rollator angewiesen ist, kommt in Ochsenfurt zum Bahnhof“, sagt Schäfer, deren Verband sich für generationengerechtes Bauen einsetzt. Auch Mütter mit Kinderwagen hätten keine Chance, den Bahnsteig ohne Hilfe zu erreichen.

Zwar ist es möglich, über eine Rampe in die Bahnhofsunterführung zu gelangen, spätestens dort aber ist Schluss. Die 34 Treppen zu den Gleisen bleiben ohne Hilfe für viele unüberwindbar. Bereits 2012 beurteilte ein Bahnsprecher die bauliche Lage in Ochsenfurt als kompliziert: Der Bahnsteig sei zu schmal, um einen Aufzug zu installieren, und eine mögliche Rampe als Alternative müsste fast 100 Meter lang sein. Dies wäre grundsätzlich möglich, aber mit sehr viel Aufwand verbunden, so die damalige Einschätzung des Sprechers. „Es gibt mit Sicherheit keine billige Lösung für das Problem“, bestätigt Schäfer. Sie ist der Meinung, dass die Stadt Ochsenfurt in der Angelegenheit aktiv werden sollte. „Wann hat man von Seiten der Stadt das letzte Mal nachgehakt und das Gespräch mit der Bahn gesucht? Die Stadt könnte Druck aufbauen“, ist sie überzeugt.

Die Bahn als schwieriger Verhandlungspartner

„Das Thema hat einen hohen Stellenwert, ein Umbau des Bahnhofs wäre richtig und notwendig“, räumt Ochsenfurts Bürgermeister Peter Juks ein. Er sieht aber diesbezüglich die Bahn in der Pflicht: „Das Ganze ist eine Grundsatzfrage: Kann man diese Verpflichtung auf der Kommune abladen, soll sich die Kommune einmischen? Ich denke, das wäre falsch.“ Die Bahn habe zudem ihre eigenen Gesetze, Verhandlungen gestalteten sich oft schwierig, so seine Erfahrung. „Wir werden immer wieder den Kontakt mit der Bahn suchen“, sagt Juks. Planungen oder Investitionen von Seiten der Stadt für einen Bahnhof-Umbau seien aber nicht vorgesehen.

Auch wenn Unterfranken bei barrierefreien Bahnhöfen Schlusslicht ist – bayernweit konnten zuletzt 71 Prozent der Passagiere barrierefreie Bahnhöfe nutzen, in Unterfranken waren es nur 25 Prozent – zieht Schäfer beim Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Raum insgesamt ein positives Zwischenfazit. Das Thema werde außerhalb der Bahn, beispielsweise im Nahverkehr mit Bussen, durchaus vorangetrieben, sagt Schäfer. So gäbe es zum Beispiel Zuschüsse für Unternehmer, die barrierefreie Fahrzeuge anschaffen: „Kein Busunternehmer kauft mehr ein Fahrzeug, das nicht barrierefrei ist.“ Und: Möchte eine Gemeinde eine Haltestelle neu gestalten, müsse diese immer barrierefrei sein, „sonst gibt es keine Konzession.“

Barrierefreiheit an Bahnhöfen

2013 versprach der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bis 2023 völlige Barrierefreiheit für Behinderte im öffentlichen Raum. Derzeit sind laut Angaben der Deutschen Bahn 400 von insgesamt 1014 Bahnhöfen in Bayern barrierefrei ausgebaut; bis 2021 kommen 115 dazu. Die Ausbauprogramme basieren auf Auswahlkriterien von Bund und Freistaat. In Unterfranken sollen bis spätestens 2021 der Würzburger und der Schweinfurter Hauptbahnhof sowie der Bahnhof in Rottendorf (Lkr. Würzburg) umgebaut sein. Nach 2021 ist außerdem die Barrierefreiheit der Stationen in Haßfurt (Lkr. Haßberge), Iphofen (Lkr. Kitzingen) sowie Gemünden und Partenstein (Lkr. Main-Spessart) geplant.
 
Barrierefreiheit ist am Bahnhof Ochsenfurt auch in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.
Foto: Catharina Hettiger | Barrierefreiheit ist am Bahnhof Ochsenfurt auch in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.
 
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  • tillmann
    Mein Kommentar zu diesem Problem: Der Umbau am Würzburger Hauptbahnhof hätte schon vor 35 Jahren in Angriff genommen werden müssen. Der Weiterbau an Bahnhöfen hat in Deutschland 25 Jahre geschlafen!!!!
    Für das Projekt 21 in Stuttgart hätten separate ICE-Geise sowie Bahnhofsumbau auch gereicht. In welchem Jahrhundert sich dieser Tiefbau rentiert sei fraglich.
    Als Bahnfahrer akzeptiere ich die Strecke München-Berlin sowie den Tunnelneubau "Schwarzkopf" nach Aschaffenburg.
    Das Thema "Stellenwert" hat nicht mit "Wichtigkeit" zu tun.
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  • 2ostsee
    Na ja, Stuttgart 21 wird halt von den vielen anderen mitfinanziert. Geld nur für Prestigeobjekte der Bahn!
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  • Unbestechlich
    Da gebe ich Arcus recht, unglaublich! Wie viel Euro hat noch einmal die Strecke München Berlin gekostet? Hahahaha .... Wenn nicht wollen, wollen die (Bahn) nicht. Da kann die Stadt auch nicht viel ausrichten. Aber vielleicht wäre es möglich, die Züge auf Gleis 1 einfahren zu lassen.
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  • Arcus
    Das kann doch wohl nicht sein. Da wird der Diesel jährlich mit 8mrd. € subventioniert und für den barrierefreien Zugang zu öffentlichen Verkehrsmittel fehlt das Geld. Die 8mrd € Subventionen müssen so schnell als möglich abgebaut werden und ein großer Teil davon in den Ausbau der Schiene, des ÖPN'V und der Radverkehrsinfrastruktur gesteckt werden. Zu allererst aber in barrierefrei Zugänge des ÖPNV. Ich kann das Geschwätz - wir haben keine Geld - nicht mehr hören. Freilich brauchts dafür auch eine Verkehrspolitik die sich nicht ausschließlich an der Autoindustrie orientiert. Dobrindt und seine unterfränkische Staatsekretärin Doro Bär haben sich in den letzten Jahren ausschließlich als Marionetten einer betrügerischen Autoindustrie verstanden. Viel bla bla wenns um Behinderung geht. Keine einzige Initiative für verstärkten barrierefreien Ausbau. Keine einzige Initiative, wenns darum ging Subventionen für die Autoindustrie zu streichen und umzuschichten.
    OCH muss wenigstens Druck machen.
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