Zwischen 1000 und 1500 Menschen steigen täglich am Bahnhof Ochsenfurt ein und aus. Doch nicht alle, die vor Ort auf die Bahn als öffentliches Verkehrsmittel angewiesen wären, können sie auch nutzen. Insgesamt 34 Stufen sind es, die von der Bahnhofsunterführung zu den Gleisen führen – genau 34 Stufen zuviel für all diejenigen, die im Rollstuhl, mit dem Rollator oder mit einem Kinderwagen unterwegs sind.
Dass der Bahnhof Ochsenfurt für Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, ohne fremde Hilfe nicht nutzbar ist, ist vielen schon lange ein Dorn im Auge. „Die Situation dort ist alles andere als behindertengerecht“, heißt es etwa in einem Schreiben des VdK Ochsenfurt an diese Redaktion. Bereits 2012 hatte sich der Verband an die Deutsche Bahn (DB) gewandt und um eine Prüfung gebeten, wann und mit welchen Maßnahmen der Bahnhof barrierefrei umgebaut werden könnte. Ochsenfurt könne aufgrund seines „relativ guten baulichen Zustands in der Tranche bis 2018“ nicht berücksichtigt werden, lautete damals die Antwort der Bahn.
Ochsenfurt aus finanziellen Gründen nicht berücksichtigt
Doch wie stehen die Chancen nach 2018? Das Innenministerium, das für den Schienenverkehr zuständig ist, hat eine Liste der Bahnhöfe veröffentlicht, die zum Teil bis 2021, zum Teil ab 2021 barrierefrei umgebaut werden sollen. Ochsenfurt ist nicht dabei. Und das, obwohl der Bahnhof mit seinen täglich bis zu 1500 Reisenden und einer Behindertenwerkstatt der Mainfränkischen Werkstätten in nur 600 Meter Entfernung zwei wichtige Kriterien für einen Umbau erfüllen würde.
Für die Deutsche Bahn, die die Bahnhöfe barrierefrei ausbauen soll, spielen bei der Entscheidung für einen Umbau noch weitere Faktoren eine Rolle – etwa die Frage, ob es sich um einen Umsteigebahnhof handelt. „In den aktuell laufenden Programmen von Bund und Freistaat konnte Ochsenfurt leider aus finanziellen Gründen noch nicht berücksichtigt werden“, so ein Bahnsprecher auf Nachfrage dieser Redaktion. In den vergangenen zehn Jahren habe die Deutsche Bahn rund 800 Millionen Euro in den barrierefreien Ausbau von größeren Bahnhöfen und von Umsteigebahnhöfen investiert. „Mittelfristig sehen wir daher keine Chance, dass Ochsenfurt barrierefrei ausgebaut werden kann“, so der Sprecher.
Das Ganze sei ein landes- und bundesweites Thema, wodurch sich die Frage nach der Gewichtung stelle: „Wo kann man mit geringen Mitteln die meisten Reisenden erreichen?“ Dies sei zum Beispiel bei Bahnhöfen im hochfrequentierten S-Bahn-Netz München der Fall.
Eine bauliche Herausforderung
Für Elisabeth Schäfer ist die Situation in Ochsenfurt dennoch so nicht hinnehmbar. Die kommunale Behindertenbeauftragte des Landkreises Würzburg, die gleichzeitig Vorstandsmitglied des VdK Ochsenfurt ist, erreichen regelmäßig Beschwerden von Menschen, die den Bahnhof in Ochsenfurt als „katastrophal“ empfinden. „Der VdK tritt generell für bewegungseingeschränkte Menschen ein“, erklärt Schäfer. Dazu gehören Menschen mit einer Behinderung ebenso wie beispielsweise Senioren. „Keine 80-Jährige, die auf ihren Rollator angewiesen ist, kommt in Ochsenfurt zum Bahnhof“, sagt Schäfer, deren Verband sich für generationengerechtes Bauen einsetzt. Auch Mütter mit Kinderwagen hätten keine Chance, den Bahnsteig ohne Hilfe zu erreichen.
Zwar ist es möglich, über eine Rampe in die Bahnhofsunterführung zu gelangen, spätestens dort aber ist Schluss. Die 34 Treppen zu den Gleisen bleiben ohne Hilfe für viele unüberwindbar. Bereits 2012 beurteilte ein Bahnsprecher die bauliche Lage in Ochsenfurt als kompliziert: Der Bahnsteig sei zu schmal, um einen Aufzug zu installieren, und eine mögliche Rampe als Alternative müsste fast 100 Meter lang sein. Dies wäre grundsätzlich möglich, aber mit sehr viel Aufwand verbunden, so die damalige Einschätzung des Sprechers. „Es gibt mit Sicherheit keine billige Lösung für das Problem“, bestätigt Schäfer. Sie ist der Meinung, dass die Stadt Ochsenfurt in der Angelegenheit aktiv werden sollte. „Wann hat man von Seiten der Stadt das letzte Mal nachgehakt und das Gespräch mit der Bahn gesucht? Die Stadt könnte Druck aufbauen“, ist sie überzeugt.
Die Bahn als schwieriger Verhandlungspartner
„Das Thema hat einen hohen Stellenwert, ein Umbau des Bahnhofs wäre richtig und notwendig“, räumt Ochsenfurts Bürgermeister Peter Juks ein. Er sieht aber diesbezüglich die Bahn in der Pflicht: „Das Ganze ist eine Grundsatzfrage: Kann man diese Verpflichtung auf der Kommune abladen, soll sich die Kommune einmischen? Ich denke, das wäre falsch.“ Die Bahn habe zudem ihre eigenen Gesetze, Verhandlungen gestalteten sich oft schwierig, so seine Erfahrung. „Wir werden immer wieder den Kontakt mit der Bahn suchen“, sagt Juks. Planungen oder Investitionen von Seiten der Stadt für einen Bahnhof-Umbau seien aber nicht vorgesehen.
Auch wenn Unterfranken bei barrierefreien Bahnhöfen Schlusslicht ist – bayernweit konnten zuletzt 71 Prozent der Passagiere barrierefreie Bahnhöfe nutzen, in Unterfranken waren es nur 25 Prozent – zieht Schäfer beim Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Raum insgesamt ein positives Zwischenfazit. Das Thema werde außerhalb der Bahn, beispielsweise im Nahverkehr mit Bussen, durchaus vorangetrieben, sagt Schäfer. So gäbe es zum Beispiel Zuschüsse für Unternehmer, die barrierefreie Fahrzeuge anschaffen: „Kein Busunternehmer kauft mehr ein Fahrzeug, das nicht barrierefrei ist.“ Und: Möchte eine Gemeinde eine Haltestelle neu gestalten, müsse diese immer barrierefrei sein, „sonst gibt es keine Konzession.“
Für das Projekt 21 in Stuttgart hätten separate ICE-Geise sowie Bahnhofsumbau auch gereicht. In welchem Jahrhundert sich dieser Tiefbau rentiert sei fraglich.
Als Bahnfahrer akzeptiere ich die Strecke München-Berlin sowie den Tunnelneubau "Schwarzkopf" nach Aschaffenburg.
Das Thema "Stellenwert" hat nicht mit "Wichtigkeit" zu tun.
OCH muss wenigstens Druck machen.