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Würzburg
"Sterben ist keine Frage des Alters": Wie eine Würzburgerin mit einem Palliativexperten und ihrem Vater spricht
Sie wirbt mit Michael Reinhard und Psychologen Ernst Engelke für den offenen Umgang mit den Tabuthemen Tod und Trauer. Warum das Journalistin Lea Reinhard so wichtig ist.
Die Würzburger Autoren des Buchs 'Sterben ungeschminkt': Palliativpsychologe Prof. Ernst Engelke und die Journalisten Lea Reinhard und Michael Reinhard.
Foto: Norma Reinhard | Die Würzburger Autoren des Buchs "Sterben ungeschminkt": Palliativpsychologe Prof. Ernst Engelke und die Journalisten Lea Reinhard und Michael Reinhard.
Julia Graber       -  Julia Graber ist im Landkreis Würzburg aufgewachsen. Sie studierte Politik und Geschichte in Würzburg und Jena. Seit 2022 arbeitet Julia Graber für die Mediengruppe Main-Post, zunächst als Praktikantin in der Stadtredaktion Würzburg, dann als Werkstudentin und schließlich als Vollzeitkraft im Bereich Custom Content, Sonderpublikationen. Julia Graber ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Julia Graber
 |  aktualisiert: 02.03.2025 02:45 Uhr

Warum ist "Scheiße" das Lieblingswort von Sterbenskranken? Mit dieser Frage startet das Buch "Sterben ungeschminkt - Ein Gespräch ohne Tabus über Abschied, Tod und Trauer". Die drei Autoren kommen aus Würzburg: Professor Ernst Engelke (83), Mitbegründer der Hospiz- und Palliativbewegung, Journalist Michael Reinhard (66), ehemaliger Chefredakteur der "Main-Post", und seine Tochter, die Journalistin und Podcasterin Lea Reinhard (35).

Gemeinsam widmen sich die drei den Themen Sterben, Tod und Trauer aus verschiedenen Blickrichtungen. Grundlage des Buchs sind einzelne verschriftlichte Gespräche aus dem Podcast "Sterben & Trauern" mit ergänzenden Informationen. 

Im Interview erzählt Autorin Lea Reinhard, wann sie das erste Mal über das Sterben nachdachte, welche Bedeutung das Thema für sie als Mutter hat und warum Kommunikation mit Kranken wichtig ist.

Frage: Frau Reinhard, wann haben Sie das letzte Mal über das Sterben nachgedacht? 

Lea Reinhard: Das letzte Mal habe ich über das Sterben nachgedacht, als der Mann einer lieben Kollegin starb. Aber ich setze mich tagtäglich mit dem Gedanken auseinander, allein wegen des Buchs und des Podcasts. Das letzte Mal ge- und betroffen war ich Mitte Januar.

Es gibt viele Bücher über den Tod. Warum sollten Menschen "Sterben ungeschminkt" lesen? 

Reinhard: Das Interessante ist, dass es schon viele Bücher und Podcasts gibt. Und trotzdem ist Sterben und Trauern noch immer ein Tabuthema. Dabei ist es das Natürlichste der Welt, denn wir alle müssen irgendwann gehen. Trotzdem verdrängen ganz viele Menschen dieses Thema, weil sie Angst haben vor der eigenen Sterblichkeit. Unser Buch ist ein Dreigenerationen-Gespräch und wir haben die Blickwinkel eines Palliativpsychologen, der Menschen seit mehr als 50 Jahren am Ende ihres Lebens begleitet. Hinzu kommt unsere Perspektive. Wir beide sind Angehörige und Journalisten mit anderen Fragen. Mit unserem Buch wollen wir dazu beitragen, dass das Thema Sterben und Trauern noch mehr Menschen ungeschminkt erreicht und sie ihr Leben bewusster leben. 

Grundlage des Buchs 'Sterben ungeschminkt' sind die Gespräche zwischen Palliativpsychologe Ernst Engelke und den Journalisten Lea Reinhard und Michael Reinhard im Podcast 'Sterben & Trauern'.
Foto: Lea Reinhard | Grundlage des Buchs "Sterben ungeschminkt" sind die Gespräche zwischen Palliativpsychologe Ernst Engelke und den Journalisten Lea Reinhard und Michael Reinhard im Podcast "Sterben & Trauern".
Leben Sie Ihr Leben bewusster, seitdem Sie sich intensiv mit Trauern und Sterben beschäftigen? 

Reinhard: Ja, aber ich beschäftige mich nicht erst seit dem Podcast und dem Buch mit dem Thema. Seit meiner Kindheit bin ich mit dem Sterben indirekt konfrontiert, da meine Mutter früh an Krebs erkrankte und seitdem damit lebt. Auch mein Vater, der Journalist Michael Reinhard, erkrankte an Krebs. Wir haben schon immer das offene Gespräch über den Tod und schwere Krankheiten gefördert. Daher ist es für mich keine Hürde, das Thema jetzt anzugehen.

Sie haben eine kleine Tochter. Wie hat das Muttersein Ihre Sicht verändert?

Reinhard: Seitdem ich Mama einer zweijährigen Tochter bin, beschäftigt mich das Thema noch mal ganz anders. Ich habe mich schon oft gefragt: Was ist, wenn ich jetzt sterben würde? Natürlich wünsche auch ich mir, dass ich noch lange lebe und glücklich mit meiner Familie zusammen sein kann. Aber ich mache mir jetzt mehr Gedanken darüber. Daher kommuniziere ich klar innerhalb der Familie. Mein Partner und meine Eltern wissen ganz genau, wie ich mir mein Ende vorstellen würde.

Also haben Sie Ihren Tod durchgeplant?

Reinhard: Nein, ich habe meinen eigenen Tod nicht geplant. Was heißt auch planen? Natürlich stelle ich mir vor, dass ich in einem geschützten Umfeld, umgeben von Familie und Freunden, die bei mir sind, mir ein gutes Gefühl geben und ein Nest schaffen, sterbe. Aber mehr plane ich darüber hinaus nicht.

Sie sind die Jüngste im Dreigenerationen-Gespräch. Wie klappt das?

Reinhard: Es klappt sehr gut, wie wir miteinander sprechen. Wir können voneinander lernen, wir bringen unterschiedliche Blickwinkel ein und haben trotzdem die eine gemeinsame Überzeugung, mehr über den Tod und das Trauern sprechen zu wollen. Ich glaube, wir können emotional Themen rüberbringen, ohne dass sie zu schwer wirken. Palliativpsychologe Ernst Engelke verknüpft die Wissenschaft mit der Praxis, dass es verständlich und interessant für eine breite Masse ist.

"Miteinander zu sprechen, das ist der Schlüssel."
Lea Reinhard über die Schwierigkeit, mit Tod und Trauer umzugehen
Inwiefern hat der Austausch mit ihm und mit Ihrem Vater Ihre Sicht auf das Sterben und Trauern verändert? 

Reinhard: Es ist ein realistischeres Bild entstanden, das sich bei mir festgesetzt hat. Der Austausch macht aber auch Mut, weil Ernst Engelke durch seine Erfahrung so viel erzählt und Perspektiven aufgezeigt hat. Viele haben Angst davor, Sterbenskranken zu begegnen. Oder wissen nicht, wie sie reagieren sollen, wenn etwa die Freundin sagt: "Ich habe Krebs." Doch die meisten Menschen reagieren intuitiv richtig. Das vermittelt auch Ernst Engelke: Du kannst nichts falsch machen, wenn du es ansprichst.

Warum sollten sich junge Menschen auch mit Sterben und Trauern beschäftigen?

Reinhard: Weil es jeden überall treffen kann. Sterben ist keine Frage des Alters. Junge Menschen sterben genauso wie ältere. Deswegen ist es so erstaunlich, dass wir nicht gelernt haben, damit umzugehen, die meisten überfordert sind und das Thema verdrängen.

Was würde gegen das Verdrängen helfen? 

Reinhard: Kommunikation. Miteinander zu sprechen, das ist der Schlüssel. Das Buch soll dazu anregen, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt und mit Freunden und Familienmitgliedern darüber diskutieren kann. Ich würde mir auch wünschen, dass es die Leserin oder den Leser nachdenklich stimmt.

"Sterben ungeschminkt" - Das Buch und eine Veranstaltung

Das Buch: "Sterben ungeschminkt - Ein Gespräch ohne Tabus über Abschied, Tod und Trauer", von Ernst Engelke, Lea Reinhard, Michael Reinhard, Herder Verlag, 176 Seiten, 22 Euro.
Lesung und Diskussion: Die drei Autoren veranstalten am Dienstag, 18. März, um 19.30 Uhr eine Lesung mit Gespräch in der Buchhandlung Hugendubel in Würzburg, Kürschnerhof 4-6. Zuhörerinnen und Zuhörer können sich aktiv am Austausch über Abschied, Tod und Trauern einbringen. Karten: eventbrite.de
jug
 
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Kommentare
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  • Simone Eckenroth
    Lieber Martin Dobat, am besten lesen Sie das Buch!
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  • Martin Dobat
    Liebe Simone Eckenroth, ich befürchte Gottes Wort wird darin, nicht wirklich vorkommen.
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  • Martin Dobat
    Liebe Autoren des Buches: "Sterben ungeschminkt".
    Zumindest in dem vorliegenden Text, haben Sie den allmächtigen Gott, seinen auferstandenen Sohn Jesus, der von sich sagt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben" (Joh.11,25) - keine Stimme geschenkt. In der Offenbarung lesen wir, dass Jesus, die Schlüssel in der Hand hat: "„Ich habe die Schlüssel des Todes und des Totenreichs“ (Off.1,18).
    Aus meiner Sicht, haben Sie das "Wichtigste" - ignoriert, bzw. kennes Sie es nicht?.
    Lieber Gruß
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  • Martin Deeg
    Die Verdrängung wurde doch klar benannt.

    Magisches Denken ist eine Form der Verdrängung.
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