Die ehemalige Würzburger Oberbürgermeisterin kommt mit einem großen Picknickkorb zum Interview-Termin. Mit dabei: zwei dicke Kissen zum Hinsetzen. Denn die 55-Jährige hat sich einen ganz besonderen Ort als Treffpunkt ausgesucht – zu dem man erst einmal hochklettern muss. Wo ihr sicherer Hafen liegt, was Parkplätze mit der Frauenquote zu tun haben und warum jeder Tag perfekt sein kann, erzählt sie mit Blick auf den Main.
Frage: Sie haben sich für unser Sommerinterview den Wall am Alten Hafen ausgesucht. Was ist denn Ihr ganz persönlicher sicherer Hafen?
Pia Beckmann: Der sichere Hafen für mich ist mein Mann und meine Familie. Aber der Hafen hier hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Hier kommt so viel zusammen. Erstens liebe ich das Wasser, was wir zu zwei Seiten unter uns haben. Und zum zweiten sind wir nah dran am Kunstschiff und am Kulturspeicher.
Hier gibt es aber nicht nur Kunst und Kultur.
Beckmann: Wir haben hier mit dem Kraftwerk und der umweltfreundlichen Dampfturbinenanlage auch modernste Technologie und im Rücken mit der Festung ein Stück Geschichte. Dazu die grünen Bäume in der Stadt und die Weinberge vor Augen – das ist einfach ein Ort, wo man sich wohlfühlen muss.
Ein Ort, wo man alle Facetten Würzburgs gezeigt bekommt?
Beckmann: Genau!
Sie lieben das Wasser. Wenn Sie auf Ihr Leben blicken – war das eher ein ruhiger Fluss oder gab es da ab und an auch Stromschnellen?
Beckmann: Immer beides – so ist das Leben und das ist auch gut so. Wenn es einmal wieder wirbelt und man sich durch die Wellen durchgekämpft hat, ist man froh, wenn es ruhiger wird und man sich vom Wasser tragen lassen kann. Das gehört immer zusammen.
Wie war denn Ihre Zeit als erste Frau an der Spitze Würzburgs? War das eine Pionieraufgabe in der Kommunalpolitik?
Beckmann: Auf jeden Fall. Ich war immerhin die erste Würzburger Oberbürgermeisterin in der Geschichte und das war schon ungewöhnlich, sicherlich für die Stadt und die Mitarbeiter. Aber es war eine gute Zeit.
Ihre Kandidatur war einer besonderen Situation geschuldet, oder?
Beckmann: Die Situation damals war mit Schuld, sonst wäre man vielleicht nie darauf gekommen, eine Frau aufzustellen. Wir haben eine desaströse Finanzlage vorgefunden und die stärkste Fraktion im Rathaus wollte erst einmal gar keinen Kandidaten aufstellen. Das war dann der Grund, dass ich als eine der jungen Stadträte gesagt habe, dass das nicht geht. Man muss doch eine Position im Wahlkampf vertreten. So ist das damals entstanden.
Mit 38 Jahren ins Amt gekommen und vier Kinder daheim. Wahrscheinlich wurden Sie oft gefragt, wie das klappen kann. Eine Frage, die ein Mann nie gestellt bekommen hätte, oder?
Beckmann: So ist es! Diese Frage wird einem Mann nicht gestellt, weil man ganz logisch davon ausgeht, dass die Frau das alles managt. Umgekehrt ist das sehr ungewöhnlich.
Das war sicherlich Pionierarbeit zu zeigen, dass das geht. Wie steht es denn Ihrer Meinung nach um das Thema Gleichbehandlung von Frauen?
Beckmann: Ich bin aus meiner Erfahrung aus der Politik, aber noch stärker aus der Wirtschaft zu einer absoluten Verfechterin der Frauenquote geworden. Und zwar deshalb, weil Frauen es immer noch extrem schwer haben in der Wirtschaft. Sie sind super ausgebildet, stellen in Schulen und Hochschulen die Mehrzahl der besseren Absolventen und landen trotzdem nicht in den entsprechenden Positionen, vor allem nicht in Führungspositionen. Gerade Frauen um die 30 haben oft schlechtere Jobchancen – weil man Angst hat, sie werden schwanger.
Was kann dagegen getan werden?
Beckmann: Wir müssen total umdenken. Wir brauchen viel mehr flexiblere Arbeitszeitmodelle, flexible Betreuungsmodelle am Ort und wir brauchen eine Sicherheit, dass das Mutterdasein nicht zum Armutsrisiko in der Rentenfrage wird.
Und hier kann die Quote helfen?
Beckmann: Wenn wir nicht eine kritische Masse an Entscheidern in den Führungspositionen haben, die weiblich sind, dann werden nie die Anliegen von Frauen dort vertreten werden können. Da gibt es ein einfaches Beispiel: Bei einem großen Unternehmen mit weiten Wegen gehören die Parkplätze neben der Tür immer dem Vorstand, der meist männlich ist. In einem modernen Unternehmen, das sich um Frauen kümmert, würden die den Hochschwangeren gehören. Ist doch logisch, aber da kommt ja keiner drauf!
Gleichberechtigung und aber auch Gleichheit – sind das Themen, die Sie beschäftigen?
Beckmann: Gleiche Rechte für alle ist für mich in jedem Fall ein Thema. Das ist Grundvoraussetzung für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Wir sind alles Menschen, die mit einer Würde ausgestattet sind und die gilt für alle. Ob es um Männer, Frauen oder Minderheiten geht. Alles andere wäre nicht deutsch, wäre nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, wäre ein Stück weit menschenverachtend.
Ist das auch ein Ansatzpunkt Ihrer Demokratieinitiative pics4peace?
Beckmann: Sicherlich. Mich entsetzt, dass wir in unserer Gesellschaft wachsenden Extremismus, zunehmenden Rassismus und auch wieder Antisemitismus haben.Das kann ich in Deutschland nicht verstehen und wir müssen uns damit auseinandersetzen.
pics4peace setzt genau da an und ist nun bald ein Jahr alt. Wie läuft die Initiative? Nehmen nur Schüler daran teil, die in ihren Klassen zwangsverdonnert werden?
Beckmann: Das würde nicht klappen. Wir halten ja keine Vorträge und wir versuchen auch nicht nur den Input zu geben. Es geht vor allem darum, die jungen Leute zu fragen, wie es ihnen geht und was sie an unserer Gesellschaft ändern wollen. Es geht darum sie zu ermutigen, sich zu äußern. Entweder machen sie selbstständig mit oder nicht.
Und machen sie mit?
Beckmann: Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, sind so positiv, dass sich jetzt sogar eine Gruppe Jugendliche zu den pics4peace Youngsters zusammen tun wollen. Ich weiß, dass das nur kleine Schritte sind, aber wenn jeder an seinem Ort etwas tut und mit seinen Freunden darüber spricht, dann breitet es sich auch aus. Was kann man sich Schöneres vorstellen?
Was war für Sie in diesem einen Jahr des Demokratieprojekts der berührendste Moment?
Beckmann: Es gab viele solcher Momente. Aber der erste war, als eine junge Frau Anfang 20 mitgemacht hat und gesagt hat, dass sie das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl hat, etwas bewirken zu können. Da sind mir fast die Tränen gekommen, weil das genau das ist, was wir wollen.
Warum sind Sie mit so einer Leidenschaft an dem Thema dran?
Beckmann: Ich persönlich hatte das wahnsinnige Glück, mein ganzes Leben in Frieden und Freiheit aufzuwachsen. Ich konnte sogar den Bildungsweg nehmen, den ich wählen wollte. Meine Großeltern haben zwei Kriege erlebt, meine Eltern konnten auf dem Land keine höhere Schule besuchen. Für die Kinder heute ist alles selbstverständlich – und jetzt droht solch eine Rückwärtswende. Ich will nichts anderes, als dass unsere Kinder und Kindeskinder auch so ein glückliches Leben in Frieden und Freiheit leben dürfen. Momentan ist die Situation äußerst kritisch. Wir können nicht mehr Zeit mit reden vertun, sondern müssen handeln.
Gibt es etwas, das Sie in letzter Zeit begeistert hat?
Beckmann: Wir gehen gerne ins Kino, weil Filme immer ein frisches Bild von der momentanen Situation in der Welt abgeben. Bei Wim Wenders Film „Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes“ bin ich aus dem Saal gekommen und habe mir gedacht, dass diesen Film viele Menschen sehen müssten. Egal ob Christen, Moslems oder Atheisten. Der Film zeigt, wie das Oberhaupt einer Kirche allen Menschen, uneingeschränkt woher sie kommen oder was sie tun, Liebe entgegen bringt. Nach dem Film hat man das Gefühl, dass man ein besserer Mensch werden will.
Haben Sie einen persönlichen Traum, den Sie unbedingt noch erreichen wollen? Vielleicht den Himalaya besteigen?
Beckmann: Die Frage ist interessant, weil viele Menschen so etwas haben. Ich bin so zufrieden und glücklich. Ich wüsste nicht, was ich mir wünschen sollte. Man muss nicht mit Walen oder Delfinen geschwommen sein. Ich kann jeden Tag genießen, ob ich mit dem Radl nach Erlabrunn fahre oder mich bei Dingen engagiere, die mir wichtig sind.
Sie leben im Hier und Jetzt?
Beckmann: Ich schaue mir nicht mehr so viele alte Stücke an oder lese alte Bücher. Ich will neue Sachen lesen, erfahren und lernen und mich mit der heutigen Zeit auseinandersetzen. Das halte ich für ganz wichtig.
sind nach Adam Riese sechs! Jahre, exakt wie in Bayern regulär die Kommunalwahlperiode dauert.
Wer rechnen kann ist leicht im Vorteil.