Das Anfang Juni eröffnete Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg ist ein Besuchermagnet. Schon 250 000 Gäste wurden in dem Museumsneubau gezählt, für den sich erfolglos auch Würzburg beworben hatte. Und nun läuft dort ab 27. September auch noch die bayerische Landesausstellung "Hundert Schätze aus tausend Jahren".
Bis 8. März sind 100 Objekte aus der Zeit zwischen den Jahren 600 und 1800 zu sehen, die in zehn Zeitabschnitten besondere Episoden der bayerischen Geschichte erzählen. Das neue Landesmuseum selbst beleuchtet Bayerns Entwicklung ab 1800. Zur Landesausstellung steuert das Würzburger Museum für Franken (ehemals Mainfränkisches Museum) zwei besondere Kunstwerke bei. Weitere drei Exponate sind historisch in Unterfranken zu verorten.
"Riemenschneider mussten wir auf jeden Fall aufnehmen. Er ist für jeden kunstgeschichtlich Interessierten ein Begriff", sagt Projektleiter Rainhard Riepertinger. Entsprechend dankbar ist er, dass das Museum für Franken aus seiner reichhaltigen Sammlung von Werken des bekannten Bildhauers die Figur des Heiligen Nikolaus als Leihgabe nach Regensburg geschickt hat. Gut verstaut in einer Klimakiste wurde die Skulptur aus Lindenholz vor wenigen Tagen von einer Kunstspedition ins neue Museum transportiert.
Etwa ein Drittel aller Exponate ist laut Riepertinger bisher angekommen, jeden Tag träfen neue ein. Den weitesten Weg hat ein kunstvoller Pokal aus der der Zeit des 30-jährigen Krieges, der aus Stockholm angeliefert wird. "Die gezeigten Schätze sind nicht unbedingt goldglänzend", sagt der Projektleiter, "auch Alltagsgegenstände sind darunter." Wichtig sei, dass die Stücke eine besondere Geschichte erzählen.
Nikolaus als typischer Vertreter der Riemenschneider-Kunst
Das tut auch die Nikolaus-Figur. Für Expertin Claudia Lichte, stellvertretende Direktorin am Museum für Franken auf der Festung Marienberg, ist sie in der Gestaltung ein ganz charakteristisches Werk Riemenschneiders (ca. 1460-1531), dem "Schöpfer anmutiger, in sich ruhender, einfarbiger Schönheiten in Holz oder Stein." Er gilt als der bedeutendste Bildhauer an der Wende von Gotik zur Renaissance, 1520/21 war er Bürgermeister in Würzburg.
Der Nikolaus – mit seiner rückwärtigen Höhlung offenbar für einen Altar im Siechenhaus St. Nikolaus bestimmt – erzählt aber auch ein Stück Würzburger Geschichte des 20.Jahrhunderts: Die Figur galt nach der Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 als verbrannt. Erst 1950 stellte sich heraus, dass ein Privatmann sie aus dem Schutt an sich genommen hatte.
Nach dem Neuanfang des Mainfränkischen Museums auf der Festung Marienberg ließ der zwischenzeitlich erkrankte "Finder" die Skulptur über einen Mittelsmann zurückgeben. Seit Oktober 1950 ist sie im Riemenschneider-Saal des Museums ausgestellt, den sie nur zu besonderen Anlässen wie jetzt zur Landesausstellung in Regensburg verlässt.
"Adlerflug" über Jahrhunderte auf der Kiliansfahne aufgenäht
Das gilt auch für den "Adlerflug von Alexander dem Großen", der auf einem Textil aus dem 10. Jahrhundert dargestellt ist. Die einen Meter breite, farbige Seidenstickerei auf naturfarbenem Leinen gehört als Würzburger Leihgabe ebenfalls zu den hundert Schätzen der Landesausstellung. Erich Schneider, Direktor des Museums für Franken, geht davon aus, dass die Stickerei schon seit 1266 auf der Rückseite der fünf Meter hohen Kiliansfahne aufgenäht war, sie gehörte bis zur Säkularisation zum Würzburger Domschatz.
"Zwischen 1860 und 1875 wurde die Stickerei mit dem Adlerflug von der Fahne abgenommen." Diese ist von großer regionalgeschichtlicher Bedeutung. Laut Schneider wurde die Kiliansfahne nach dem Sieg der Truppen des Würzburger Domkapitels und seiner Verbündeten gegen die Grafen von Henneberg und Castell in der Schlacht auf dem Mühlberg bei Kitzingen 1266 zu einem "Zeichen des Triumphes und zu einem der bedeutendsten Heiltümer Würzburgs."
Die stilisierte Darstellung der Stickerei zeigt den makedonischen König Alexander den Großen (356-323 v.Chr.) als gekrönten Herrscher mit zwei gekreuzten Zeptern. Mit Hilfe von zwei Adlern versucht er, zum Himmel aufzusteigen.
Gläsernes Trinkhorn aus Salzer Merowingergrab dabei
Neben diesen beiden Meisterwerken zeigt die Landesausstellung drei weitere Schätze, deren Geschichte nach Mainfranken führt. Aus der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover ist eine Handschrift zu sehen, die als bisher ältestes illustriertes Heiligenleben die Leidensgeschichte, die "Passio", des heiligen Kilian darstellt. Er ist Schutzpatron Würzburgs, des Bistums und Frankens. Entstanden ist die Pergamenthandschrift zwischen 970 und 980 im Benediktinerkloster Fulda. Projektleiter Rieptertinger schwärmt: "Das ist ein tolles Stück."
Nicht weniger begeistert ist er von einem gläsernen Trinkhorn aus der Mitte des 6. Jahrhunderts – das einzige dieser Art aus dem heutigen Bayern. Gefunden wurde es im Jahr 2000 als Beigabe in einem frühmittelalterlichen, merowingischen Grab in der Gemeinde Salz bei Bad Neustadt a.d. Saale. Das Stück kommt als Leihgabe von der Archäologischen Staatssammlung München, ausgestellt ist der Sensationsfund künftig wieder in der Schranne, dem staatlichen Zweigmuseum in Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Und schließlich ein Ölgemälde aus dem Museum in Schloss Versailles: Es zeigt die Begegnung Napoleons mit dem Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg an einer Mainbrücke vor Aschaffenburg im Jahr 1806. Zur Landesausstellung "Hundert Schätze aus tausend Jahren" werden bis zum 8. März über 100 000 Besucher erwartet.