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Würzburg
Sexueller Missbrauch: Nur die Spitze des Eisbergs
Hat sich Corona auf die Zahl der sexuellen Übergriffe ausgewirkt? Die Antwort gab es jetzt bei einer Pressekonferenz des Vereins Wildwasser Würzburg.
Diplom-Sozialpädagogin Antje Sinn (links) und Sozialarbeiterin Jona Sicheneder vom Verein Wildwasser Würzburg erläuterten am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in der Fachberatungsstelle in der Würzburger Innenstadt Zahlen und Details aus der Jahresbilanz 2019.
Foto: Patty Varasano | Diplom-Sozialpädagogin Antje Sinn (links) und Sozialarbeiterin Jona Sicheneder vom Verein Wildwasser Würzburg erläuterten am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in der Fachberatungsstelle in der Würzburger Innenstadt ...
Patrick Wötzel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:19 Uhr

Als Wildwasser e.V. im März 2019 sein 30-jähriges Bestehen feierte, da wussten die Mitarbeiterinnen des Würzburger Vereins gegen sexuelle Gewalt noch nicht, was auf sie zukommen würde: "Es war das anstrengendste Jahr bisher", sagt Geschäftsführerin Antje Sinn, die jetzt den Jahresbericht für 2019 vorgelegt hat.

Hauptgrund für die höchste Zahl an Erstanfragen in der Geschichte des Vereins waren die Ermittlungen gegen den Würzburger Logopäden Oliver H., der in seinen Therapiestunden in einer Vielzahl von Fällen Jungen zwischen zwei und sechs Jahren schwer sexuell missbraucht hat. Im Mai wurde er vom Landgericht Würzburg zu elf Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. "Der Logopäden-Fall hat Würzburg erschreckt und die Bevölkerung aufgerüttelt", so die Wildwasser-Geschäftsführerin.

"Es war das anstrengendste Jahr bisher"
Antje Sinn - Wildwasser

Die Ermittlungen gingen bundesweit durch die Medien, bei Wildwasser gab es eine Welle von Anfragen – nicht nur von betroffenen und besorgten Eltern, auch von Personal aus Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen. Der Verein hat nicht nur Opfer und ihre Eltern betreut und beim Strafprozess begleitet: Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen wurden unterstützt und beraten.

So erschreckend und schlimm die Taten des Logopäden sind: Für die Mitarbeiterinnen der Wildwasser-Beratungsstelle sind sie nur die Spitze des Eisbergs: "Wir wissen von vielen anderen Fällen, in denen das Leid genauso unbeschreiblich schlimm ist", betont Sinn.

Wildwasser-Forderung: Die staatlichen Strukturen müssen besser ausgebaut werden

Sie und ihre Mitstreiterinnen fordern deshalb, dass die staatlichen Strukturen für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch und die organisierte Kriminalität mit Kinderpornografie ausgebaut und personell besser besetzt werden. Außerdem seien deutschlandweit verpflichtende Schutzkonzepte für Betreuungseinrichtungen notwendig. "Auch in der Lehrer- und Erzieherausbildung muss es ganz normal sein, etwas über Kindesmissbrauch zu erfahren", fordert Sinn.

In 409 Fällen hat Wildwasser 2019 Beratungsgespräche und therapeutische Begleitungen für Betroffene sexualisierter Gewalt durchgeführt – deutlich mehr als in den beiden Jahren zuvor (2018: 356 / 2017: 309). Im laufenden Jahr hat sich die Gefahr von psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt durch die lange häusliche Isolation als Folge der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt, da die Täter und Täterinnen überwiegend aus der eigenen Familie kommen.

Nach Corona haben die Übergriffe zugenommen

"Wir wissen von vielen unserer Klientinnen, dass es schwierig wurde. Corona hat dazu beigetragen, dass Übergriffe zugenommen haben", berichtet Sinn. Nach dem Ende des Lockdowns habe es eine neue Welle von Anfragen gegeben.

Der jährliche Etat von Wildwasser von knapp 350.000 Euro wird zur Hälfte von Stadt und Landkreis getragen. Ein knappes Drittel der Finanzierung kommt Bayerischen Sozial- und Gesundheitsministerium und durch Spenden. Im vergangenen Jahr hat der Verein insgesamt rund 55.000 Euro an Spenden eingenommen, dazu kamen 15.000 Euro Erlös aus dem traditionellen Entenrennen auf dem Main, das in diesem Jahr wegen der Corona-Beschränkungen ausfallen musste.

 
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  • karibuka
    Weil mein Sohn in der Schule vollkommen neben sich war (in der Fachsprache der Traumaforschung nennt man das Dissoziation), gingen die Verdächtigungen und abstrusesten Beschuldigungen gegen mich weiter, auch deshalb, weil ich mich kritisch gegenüber der Therapie geäußert habe. Ich habe zur Lehrerin gesagt, ein Kind sei doch kein Therapieobjekt, weil er sehr unglücklich in der Therapie war und ich das Gefühl hatte, dass er nicht als Mensch gesehen und behandelt wird. Ich würde ihn nicht richtig fördern, hieß es daraufhin. Ist das nicht zynisch? Der Vorwurf der falschen Förderung durch jene, die ihn dem Kindervergewaltiger überlassen haben? An alle, die mitgemacht haben, diese bösartigen Lügen über mich zu glauben und bis heute zu verbreiten: Sie haben dem Kinderschänder gut geholfen, unser Leben zu zerstören. Er hat es Ihnen sicherlich gedankt.
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  • karibuka
    Der Logopäde hat mit seinen perversen Taten im Verborgenen für Verwirrung gesorgt und Zwietracht gesät. Als mein Sohn in der ersten Klasse bei ihm jede Woche alleine in einem Kellerraum in Therapie war, hatte er fürchterliche Angst vor der Schule. Er stand morgens zitternd davor und wollte nicht hinein. Er wurde sehr krank und hatte ständig Fieber. Daraufhin wurde mir von den Pädagogen vorgeworfen, mein Sohn habe psychosomatisches Fieber, weil er sich nicht von mir trennen könne. Unsere Kinderärztin meinte zu mir, psychosomatisches Fieber gebe es gar nicht. Aber natürlich wirkt die Psyche auf das Immunsystem. Kein Wunder, dass er krank wurde. Aber lieber schnell mal die Mutter beschuldigt, als im eigenen Dreck wühlen. Ich würde mich jedenfalls auch an meine Mama klammern, wenn ich jede Woche vergewaltigt werden würde. Sie etwa nicht?
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  • karibuka
    Als betroffene Mutter möchte ich an alle Eltern appellieren: Passen Sie gut auf Ihr Kind auf! Wenn Pädagogen Ihnen vorwerfen, Sie seien überbehütend und überfürsorglich, dann lassen Sie diesen Vorwurf nicht an sich heran. Die Welt krankt nicht daran, dass es zu viele zu liebe Mamas gibt, sondern sie krankt an Gewalt, Missbrauch, Ignoranz und Diskriminierung. Wenn Ihr Kind zum Opfer wird, sind Ihr Kind und Sie die Leidtragenden. Die seelische Gesundheit und das Glück Ihres Kindes werden nach sexuellem Missbrauch unwiederbringlich verloren sein. Die Verantwortlichen werden sich ganz schnell aus der Verantwortung ziehen. Sie werden gegen eine Mauer aus Abwehr und Unverständnis rennen. Als Opfer werden Sie zum Staatsfeind Nummer eins und zum Ziel von Anfeindungen und Beschuldigungen. Der Albtraum Ihres Lebens wird beginnen und er wird nie wieder aufhören!
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  • karibuka
    Um jegliche Verantwortung zu verneinen, sind Menschen zu den unethischsten Verhaltensweisen bereit. Geben Sie Ihr Kind nicht vertrauensvoll und ohne Skepsis in die Hände von Betreuungspersonen. Seien Sie nicht zu gutgläubig. Gutgläubigkeit ist eine Eigenschaft von guten Menschen, da sie von sich auf andere schließen. Das ist ein Trugschluss! Sie können die hässliche Fratze hinter der freundlichen Fassade nicht sehen! Sie können nicht in die abscheulichen Abgründe blicken, die sich hinter einem guten Ruf verstecken! Kinderschänder sind Meister der Täuschung. Sie manipulieren gekonnt und perfide, denn sie haben ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Behüten Sie Ihr Kind!
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  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • karibuka
    Sie haben absolut Recht. Die Erzieher und Lehrkräfte hätten eventuell aber auch merken können, dass bei der Logopädie etwas nicht stimmt. Aber das einzelne Kind, und dazu noch ein behindertes, wird einfach nicht gesehen. Außerdem hatte Herr H. ja einen so guten Ruf. Wie sollte man ihm da etwas vorwerfen können? Und auch die vielen Väter in den aufgedeckten Missbrauchskomplexen schienen wohl nicht verdächtig.
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  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • karibuka
    Dafür habe ich leider nicht die Zeit, denn mein Sohn kann aufgrund seiner komplexen posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr in die Schule gehen.
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  • FNB
    Zynismus ist an dieser Stelle mehr als unangebracht.
    Nicht nur im schlimmsten aller Fälle, wie hier, auch schon bei anderen Arten von Gewalt gegen Kinder innerhalb von Institutionen, ist es für Eltern oft schwierig, Gehör zu finden, geschweige denn ernst genommen zu werden. Das habe ich auch schon erlebt. Meist kann man ja nichts beweisen. Täter, ob nun körperliche oder "nur" psychische Gewalt ausgeübt wird, sind oft sehr manipulativ und können andere auf ihre Seite ziehen. Und dann steht man plötzlich als Elternteil am Pranger.
    Wenn dann sowas wie in diesem Fall aufgedeckt wird, dann sind plötzlich alle ganz bestürzt. Vorher hat man die Eltern nicht ernst genommen.
    Sehr bedrückend.
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  • karibuka
    Hallo meefisch, in meinem Kommentar hatte ich geschrieben, dass es zynisch ist, dass gerade diejenigen, die die Kinder dem Vergewaltiger überlassen haben, sich selbst wegen richtiger Förderung loben und mir falsche Förderung vorwerfen. Ich glaube, ich habe hier den unpassenden Begriff verwendet. Vielleicht besser "Ironie des Schicksals"? Das war ein Missverständnis. FNB meinte sicherlich nicht Ihren Kommentar.
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  • rolandroesch@web.de
    Sind ja zwei fröhliche Gesichter auf dem Bild bei so einem ernsten Thema.
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