
Neun Monate nach heftigen Vorwürfen mehrerer junger Schwimmerinnen im Nachrichtenmagazin "Spiegel" gegen den inzwischen zurückgetretenen Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz liegen Fakten statt Flüstereien auf dem Tisch. Lurz hat gegenüber der Würzburger Staatsanwaltschaft nach Informationen dieser Redaktion bei einer Schwimmerin einen lange zurück liegenden Übergriff zugegeben. Der liege aber laut seinem Verteidiger Reinhart Stumpf "an der unteren Grenze der Strafbarkeit".
Strafbefehl beantragt
"Die Ermittlungen sind abgeschlossen", bestätigte auf Nachfrage Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Den Vorfall, den der Würzburger Trainer Lurz jetzt zugab, schildert diese Redaktion aus Opferschutzgründen nicht konkret. Auf Nachfrage bestätigte Seebach aber: Er habe "einen Strafbefehl wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei tatmehrheitlichen Fällen beantragt". Der liege nun einer Richterin zur Entscheidung vor.

Die selbe, damals 16-jährige Schwimmerin hatte nach Informationen der Redaktion 2010 zu Protokoll gegeben, sie sei von Lurz nie sexuell belästigt worden. "Sollte ich der ehemaligen Athletin vor zehn Jahren mit meinem Verhalten in irgendeiner Form zu nahe getreten sein, möchte ich mich dafür entschuldigen", betont Stefan Lurz jetzt auf Anfrage. "Es war nie meine Intention, irgendjemand zu schädigen."
Schwankende Bereitschaft zur Aussage
Sexuelle Grenzüberschreitungen gegenüber ihm anvertrauten jungen Sportlerinnen wurden dem Schwimmtrainer erstmals 2010 vorgeworfen, teilweise aber wieder zurückgenommen. Die Schwimmerin, die 2010 sagte, sie sei nie von Lurz belästigt worden, wollte im Frühjahr 2021 nach einer Berichterstattung im "Spiegel" bei der Polizei aussagen. In letzter Minute überlegte sie es sich anders und sagte die Vernehmung ab: Für sie sei der Fall erledigt. Monate später war sie dann doch zu belastenden Aussagen bereit.
Schwankendes Aussageverhalten sei bei sexuellen Übergriffen allerdings nicht ungewöhnlich, betont ein erfahrener Ermittler. In manchen Fällen stehe Aussage gegen Aussage. Die Ermittler schreiben aber in ihrer Bilanz: "Im Vorgehen des Beschuldigten ist eine systematische und immer wiederkehrende Vorgehensweise erkennbar." Viele Fragen bleiben offen. Was geschah freiwillig? Was wurde widerwillig erduldet? Insgesamt seien sechs Schwimmerinnen von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Vieles bleibt nach Ende der Ermittlungen jedoch unterhalb der Schwelle des Strafbaren und damit ungeklärt.
Die jungen Frauen hatten ihre Vorwürfe im Februar im "Spiegel" zunächst anonym erhoben. Laut Oberstaatsanwalt Seebach meldete sich danach auch eine Geschädigte, die Lurz bereits im Frühjahr 2019 angezeigt hatte. Doch dieses Verfahren war wegen Verjährung bereits 2019 eingestellt worden. "Neue Vorwürfe konnte die Zeugin nicht vorbringen", sagte der Anklagevertreter.
Was Schwimmtrainer Lurz droht
Welche Konsequenzen könnte das Geständnis für Lurz in dem einen Fall haben? Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage sollen sich darauf geeinigt haben, den Fall per Strafbefehl zu einem Ende zu bringen. Auch ein Vorschlag für das Strafmaß liegt seit vier Wochen vor. Allerdings hat die zuständige Richterin zusätzliche Akten angefordert. Eine Entscheidung steht noch aus.
Hanjo Schrepfer, der Anwalt der Geschädigten, sagte: "Ich erwarte, dass Stefan Lurz zu seiner Verantwortung steht und für das verurteilt wird, was er meiner Mandantin angetan hat." Dazu gehöre auch, ihr mit einem angemessenen Schmerzensgeld einen zusätzlichen Zivilprozess zu ersparen.
Und im eigenen Fall würden sie doch sicher auch ein "minder schweres" für sich in Anspruch nehmen, wenn das Recht diese Prüfung so vorsieht - 0der nicht.
Im übrigen bis ich schon sehr froh, dass Urteile in unserem Rechtssystem zwar im Namen des Volkes, aber nicht im Einzelfall vom Volk bzw. dessen Mehrheit (wer auch immer das wäre, die Mehrhit der foristen etwa in diesem forum? wohl nicht) gesprochen werden.