Die Schauspielerin Uschi Glas ist in diesem Jahr die Patin der Aktion Zeichen setzen, mit der die Mediengruppe Main-Post und das katholische Erwachsenenbildungshaus Lernwerk Volkersberg vorbildliches Ehrenamt in Unterfranken unterstützen. Im Interview erzählt die 77-Jährige, warum sie die Aktion brotZeit. gegründet hat und was die nächste wichtige Aufgabe ist, um die Schulen in Zeiten der Corona-Pandemie zu begleiten.
Uschi Glas: Mein Vorbild war meine Mutter, die sich immer engagiert hat, obwohl sie mit vier Kindern genug Arbeit hatte. Deswegen habe ich mich auch sehr früh ehrenamtlich eingesetzt. Ich bin Botschafterin des ersten SOS-Kinderdorfes in Deutschland, später habe ich mich für die Hospiz-Stiftung – die heute Deutsche Stiftung Patientenschutz heißt – engagiert. Oder zum Beispiel für die Kindernothilfe. Das hat mich immer begleitet. Wenn man die Augen offen hält und sich nicht nur um sich selber dreht, dann ist es eigentlich selbstverständlich, dass man sich engagiert. Die Aktion brotZeit. ist aber mein eigenes Baby, wenn man das so sagen will. Als ich im Jahr 2009 im Rundfunk hörte, dass Kinder ohne Frühstück in die Schule gehen, hat mich das so erschüttert, dass es mich nicht mehr losgelassen hat. Mit meinem Mann habe ich den Verein brotZeit. gegründet und wir versorgen jetzt täglich mehr als 11 000 Kinder an über 280 Schulen in ganz Deutschland mit einem Frühstück. In München haben wir 32 Schulen, in Augsburg sind wir im Aufbau, bis jetzt betreuen wir dort sechs Schulen. Und 31 in Mittelfranken, vor allem im Bereich Nürnberg, Fürth und Erlangen.
Glas: Ja, aber es sind viel zu wenig Männer dabei. Die Kinder finden es toll, wenn auch mal ein Mann ein Frühstück zubereitet. Auf Rentner sind wir gekommen, weil es jeden Tag um 6.30 Uhr losgeht und das eher etwas ist für Menschen, die nicht mehr im Arbeitsprozess sind, die aber gerne aktiv sein wollen. Es ist die beste Idee, die wir hatten: Wir sorgen für die Kinder und wir holen Menschen aus der Einsamkeit, die sagen "Gottseidank werde ich gebraucht". Aus der Not geboren haben wir da was ganz Tolles gemacht. Ich bin stolz und dankbar dafür, dass wir bis jetzt weit über zehn Millionen Frühstücke ausgegeben haben. Es ist noch nie an einer einzigen Schule ein Frühstück ausgefallen – außer in der Corona-Zeit. Aber das hat nichts mit unseren Helferinnen und Helfern zu tun. Die sind immer da und dafür bin ich unglaublich dankbar, denn ohne sie könnten wir das alles gar nicht machen
Glas: Wir haben mehr als 1400 Seniorinnen und Senioren in dem Projekt, aber wir wachsen ständig und suchen neue Leute. Wir machen ja an fünf Tagen in der Woche Frühstück, und es kann und muss ja nicht jede Frau oder jeder Mann gleich die ganze Woche helfen.
Glas: Am Anfang konnten wir gar nichts tun, dann haben wir Notprogramme aufgebaut. Wir haben Tüten mit der Brotzeit in Körbchen aufgestellt, sodass die Kinder sich das nehmen konnten, ohne in Kontakt miteinander zu kommen. Zum Teil haben wir das in zwei Stufen gemacht, damit nicht zu viele Kinder in einem Raum sind. Das ist aber eigentlich nicht unsere Idee. Wir wollen, dass die Kinder zusammen am Tisch sitzen, dass sie Kontakt haben und sich unterhalten, Aggressionen und Ängste abbauen. Sie sollen erfahren, was es bedeutet, miteinander zu essen. Viele der Kinder bei brotZeit. haben zuvor noch nie zum Essen an einem Tisch gesessen, haben nie gelernt, ein Brot zu schmieren oder mit Messer und Gabel umzugehen. Bei uns liegen Wurst und Käse auf Platten, Quark und Joghurt sind in Schalen - damit alles auch ein Gesicht hat.
Glas: Die Seniorinnen und Senioren sind oft auch ein wenig Familienersatz, Großelternersatz. Die Kinder haben großes Vertrauen und die Schulleiterinnen und Schulleiter sagen uns oft: Was die Kinder den Helferinnen und Helfern erzählen, das würden sie uns nie erzählen. Geborgensein, auch einmal das Herz ausschütten können, das ist wichtig.
Glas: In München haben wir ganz wild angefangen: Wir haben 135 Schulen angeschrieben, uns dabei auf besagten Rundfunkbericht berufen und gefragt, ob es an der Schule Hunger gibt. Damals kamen dann noch Faxe zurück. In München waren es erst vier Schulen, dann neun. Wir sind nach Berlin und Frankfurt gegangen, nach Heilbronn und Hamburg, nach Leipzig und Dresden. Heute gehen wir über die Schulämter. Und die definieren Schulen, die einen hohen Bedarf haben. Das Angebot gilt immer für alle Kinder - ob sie es brauchen oder nicht. Wir grenzen also nicht die aus, die es wirklich brauchen. Die Kinder kommen, wie sie wollen.
Glas: Am Anfang sind wir manchmal mit Misstrauen beäugt worden: Da kommt jetzt so eine Prominente daher, was will die eigentlich? Meint die es überhaupt ernst? Das ist heute total anders, wir sind etabliert.
Glas: Ich möchte hier einen ganz großen Aufruf starten: Dass Lehrkräfte, die frisch im Ruhestand sind, speziell unseren benachteiligten Kindern am Nachmittag bei den Hausaufgaben helfen. Corona hat da viel unterbrochen. Eine Mutter hat mir von einem Jungen erzählt, der in der ersten Klasse gerade die Druckbuchstaben gelernt hat und nur 90 Tage Schule hatte in dem Jahr. Jetzt ist er in der zweiten Klasse und soll Schreibschrift lernen, aber er hat noch keine Routine. Es bedeutet eine große Anstrengung, die Kinder zurückzuholen.
Glas: Dazu gibt es zweierlei zu sagen: Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass meine Kinder in der Schule ganz anders gerechnet haben, als ich das gelernt hatte. Ich konnte gar nicht richtig helfen und hätte mehr Verwirrung gestiftet. Wer aber jetzt als Lehrkraft in den Ruhestand geht, der ist noch im Rhythmus, der beherrscht die gängigen Methoden.
Glas: Ich weiß, dass das Wort nicht gerne verwendet wird, aber man muss an Brennpunktschulen denken. Da, wo die Hilfe besonders nötig ist und wo sie von zu Hause nicht da ist. So etwas wäre eine große Hilfe für die benachteiligten Kinder. Von unseren 11 000 Kindern in 280 Schulen sind ja nicht alle benachteiligt, aber viele doch. Corona hat auch gezeigt, dass die Kinder, die zu Hause behütet waren, die vielleicht sogar so etwas wie Einzelunterricht hatten, mitunter sogar einen Sprung nach vorne gemacht haben.
Glas: Das ist für mich ganz wichtig. Ich hoffe, dass sich wirklich Leute melden. Es gehen doch gerade jetzt so viele Lehrer in Pension, da wäre es doch ideal, wenn man sagen könnte: Magst Du nicht noch ein Jahr anhängen? Es muss ja auch nicht jeden Tag sein, es reichen ja zwei oder drei Nachmittage die Woche. Es wäre mein größter Wunsch, dass die Kinder am Nachmittag betreut oder begleitet werden. Und mein nächster Wunsch wären Ganztagsschulen und Ganztagskindergärten mit einer professionellen Begleitung, wo die Kinder qualifizierte Hausaufgabenbetreuung haben. Damit sie fragen können, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Es ist wichtig, dass wir nicht nur am Vormittag Pädagogen haben, sondern auch am Nachmittag. Das würde uns als Gesellschaft und allen miteinander sehr helfen, denn wir brauchen ja die Jugendlichen. Überall wird geklagt, dass es keine guten Lehrlinge gibt, dass Lehrstellen nicht zu besetzen sind. Da können wir uns doch nicht erlauben, dass zehntausende Jugendliche ohne Abschluss von der Schule gehen und womöglich in Hartz IV landen. Das kann es nicht sein.
Glas: Wenn ich darauf warte, dann wird das nirgends wahr. Ich glaube, dass es den persönlichen Einsatz braucht. Bis die Politik reagieren kann, ist so viel Zeit vergangen, dann sind die Kinder, die eh schon abgehängt sind, total abgehängt.
Glas: Man müsste die Menschen, die ein Ehrenamt ausfüllen, viel mehr herausheben und nicht so tun, als sei es selbstverständlich, nach dem Motto: "Mei, das ist halt eine gutmütige Frau." Wenn die Leute nicht mitmachen, dann wäre unsere Aktion tot, aber auch das Rote Kreuz oder andere große Organisationen.
Kontakt: Geschäftsstelle brotZeit e.V., Baierbrunner Straße 25 81379, München Telefon: +49-89-125093560, Telefax: +49-89-125093569, E-Mail: info@brotzeitfuerkinder.com