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Würzburg
"Schlafprobleme": Richter im Würzburger Cannameleon-Prozess lässt sich 7 Gramm Cannabis bringen
Scherzend veranlasste der Vorsitzende Richter am Landgericht einen ungewöhnlichen Vorgang. Wie es dazu kam und wie der aktuelle Stand des Cannameleon-Verfahrens ist.
Der Cannameleon-Prozess am Landgericht Würzburg schwankt zwischen Komik und juristischem Diskurs. Im Bild Richter Konrad Döpfner.
Foto: Thomas Obermeier (Archivbild) | Der Cannameleon-Prozess am Landgericht Würzburg schwankt zwischen Komik und juristischem Diskurs. Im Bild Richter Konrad Döpfner.
Aaron Niemeyer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:59 Uhr

Der Cannameleon-Berufungsprozess rund um den Verkauf von Cannabis-Produkten am Würzburger Landgericht schwankte am wohl vorletzten Verhandlungstag vor der Urteilsverkündigung zwischen Komik und juristischer Realität.

"Erdbeerli" oder "Swiss Cheese"? Schallendes Gelächter erntete Konrad Döpfner, Vorsitzender Richter am Landgericht, als er die Liste der beschlagnahmten Cannameleon-Sorten durchging und sich unter scherzhaftem Verweis auf seine "Schlafprobleme" sieben Gramm Cannabis in den Saal bringen ließ.

Würzburger CDB-Prozess fällt in komplexe gesellschaftliche Gemengelage

Bereits zu Beginn des Prozesses im Juni hatte Richter Döpfner an die Staatsanwaltschaft und den Hauptbeschuldigten appelliert, ihre Berufungen gegen das aus seiner Sicht solide Urteil des Amtsgerichts zurückzuziehen. Demnach hatten sich die Cannameleon-Beteiligten, die in Läden in Würzburg und Schweinfurt vermeintlich legale Cannabis-Produkte verkauft hatten, ohne Vorsatz des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht. Die dafür verhängten geringen  Geldstrafen wollten aber sowohl Staatsanwaltschaft als auch der Hauptbeschuldigte nicht akzeptieren.

Die Berufungsverhandlung fällt wegen einer zeitweisen Rechtsunsicherheit und der von der Bundesregierung angekündigten Cannabis-Legalisierung in eine komplizierte Gemengelage. Verkauft werden durften CBD-Produkte, wenn der THC-Gehalt einen gewissen Anteil nicht überstieg und wenn Missbrauch zum Rausch ausgeschlossen war. Ersteres, da sind sich die Prozessbeteiligten einig, hatten die Cannameleon-Betreiber beachtet. Die Möglichkeit der Berauschung und des Missbrauchs hatten die Betreiber laut Staatsanwaltschaft vorsätzlich missachtet.

Den Gutachten zufolge, auf die die Staatsanwaltschaft sich beruft, kann mit CBD-Cannabis ein Rausch erzielt werden, wenn es in sehr großer Menge konsumiert wird – etwa mehrere große, pur gedrehte Joints hintereinander geraucht werden. Die Cannameleon-Verteidiger widersprechen dem, da die zitierten Gutachten inhaltliche Widersprüche aufweisen würden. Zudem sei ein Konsum von CBD-Cannabis in den genannten Mengen im Vergleich zum Schwarzmarkt extrem teuer und körperlich kaum zu bewerkstelligen.

Würzburger Richter zu CDB-Cannabis: "Ich will wissen, wie das Zeug aussieht"

Darauf bezog sich offenbar Richter Konrad Döpfner, als er sich nun vom fassungslosen Staatsanwalt Ingo Krist sieben Gramm Cannameleon-Cannabis und einen Teller als Unterlage aus der Asservaten-Kammer bringen lies. Um etwaige Selbstmedikation in Zusammenhang mit den genannten "Schlafproblemen" ging es dem Richter dabei freilich nicht. Sondern um eine Begutachtung des Volumens in Zusammenhang mit dem jüngsten Gutachten.

"Ich will schon wissen, wie das Zeug aussieht", sagte Döpfner unter dem Gelächter der vier Verteidiger, in das auch Staatsanwalt Krist bald einstimmte. Mit den beiden Schöffen und dem Hauptangeklagten versammelten sich Krist und die Anwälte um Döpfner herum, der Richter reichte ein mit Cannabis gefülltes Döschen zum Schnuppern herum.

Seine abschließende Erkenntnis aus dem ungewöhnlichen Vorgang teilte der Vorsitzende Richter nicht mit. Anders als der Staatsanwalt, der trotz der gelösten Stimmung bei seinem anschließenden Plädoyer mit teils harschen Formulierungen fortfuhr: "Ich habe noch nie ein Verfahren mit so vielen Nebenschauplätzen und Nebelkerzen erlebt", sagte Krist. Die Verteidiger hätten versucht, den Fokus von den "objektiven" Tatsachen weg zu lenken, etwa auf monetäre Aspekte und auf die Frage einer baldigen Cannabis-Legalisierung.

Staatsanwaltschaft Würzburg beharrt weiter auf Verurteilung wegen Vorsatz

"Ein Missbrauch ist unstreitig möglich", sagte Krist zu den strittigen CBD-Produkten. Dies hätten der Hauptbeschuldigte und seine am Geschäft beteiligte Ehefrau gewusst und sich somit strafbar gemacht. Durch Chatnachrichten lasse sich dies belegen. Der Vorwurf des Vorsatzes gelte in abgeschwächter Form auch für die beiden ebenfalls angeklagten Franchise-Beteiligten.

Für den Hauptangeklagten und seine Frau forderte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren beziehungsweise einem Jahr und acht Monaten, jeweils ohne Bewährung. Eine Strafe von acht beziehungsweise sieben Monaten auf Bewährung forderte Krist für die Franchise-Nehmer.

Die Plädoyers der Verteidiger sind für Mittwoch, 15. Dezember, angekündigt. Das Urteil soll am 16. Dezember fallen.

 
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Ich bin wahrlich kein Freund von Cannabis und ähnlichen Dingen.

    Aber dieses Verfahren ist dermaßen lächerlich, da fehlen einem die Worte!
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  • mmd
    Die Bundesregierung möchte Cannabis komplett legalisieren und parallel wird in so einem Käse-Verfahren Geld verbrannt und Leute gebunden, die sicher wichtigeres zu tun hätten. Absoluter Unfug.
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  • Aaron Niemeyer
    Hallo mmd, diese Tatsache beeinflusst den juristischen Diskurs im Rahmen der Verhandlung tatsächlich stark. Die Staatsanwaltschaft weist allerdings zu Recht darauf hin, dass Rechtsprechung unabhängig von möglichen - und noch lange nicht beschlossenen - politischen Entscheidungen agieren sollte.

    Beste Grüße,
    Aaron Niemeyer (Redaktion)
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  • Arcus
    Erstaunlich wie manche Staatsanwälte, in vorauseilendem Gehorsam, (sie sind ja, anders als die Richter , nicht unabhängig) den politischen Willen ihrer Söder CSU Dienstherren vertreten. Auch so kann man die Justiz in Misskredit bringen.
    Nachvollziehen kann in Bayern eh keiner mehr, warum die hochgefährliche Droge Alkohol nach wie vor fast unkontrolliert an die Konsumenten abgegeben, während das deutlich weniger gefährliche Marihuana weiter kriminalisiert wird. Die Söder CSU scheint fest in der Hand der Alkohollobby zu sein.
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  • Aaron Niemeyer
    Hallo Arcus,

    zu diesem Thema empfehle ich eine Anfrage der unterfränkischen Grünen-Abgeordneten im Landtag, Kerstin Celina. Darin geht es indirekt auch um die Frage politischer Motivation bei den Razzien in Bayern.

    https://www.kerstin-celina.de/wp-content/uploads/2021/06/SAN-Celina_Schulze_Razzien-und-Polizeieinsa%CC%88tze-in-Hanfla%CC%88den-Drs-18_6471-Antw-02_2020.pdf

    Beste Grüße,
    Aaron Niemeyer (Redaktion)
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Weiter so, Herr Döpfner!
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  • olivergehrsitz@web.de
    Also diese Staatsanwaltschaft vertritt längst nicht mehr den Willen der Mehrheit und damit nicht mehr den Staat.
    Über 60% sind inzwischen für eine Legalisierung von Cannabis und zwar mit dem 100-fachen an THC, als in diesen CBD Blüten enthalten ist. Eine unsägliche Verschwendung unserer Steuergelder, eine peinliche Farce für die Justiz, aber ein gutes Bild zur Gedankenwelt des Ingo Krist. Hier wird eine Straftat konstruiert, die überhaupt keine ist. Kein Mensch kauft sich CBD-Blüten, um sich damit zu berauschen. Purer Schwachsinn, an dem sich der Staatsanwalt festgebissen hat!
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  • jhuller@gmx.de
    CBD ist sowieso nur Placebo. Genau wie Homöopathie.
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  • harryamend@outlook.de
    60% von wieviel befragten Leuten wollen das? Wenn ich 100 Leute befrage und 50 sagen ja habe ich schon 50%, besagt aber noch lange nicht wie die restlichen Bürger darüber denken und entscheiden würden. Und genau darin liegt die Trickserei der Grünen und der SPD. Würde man es ehrlich meinen würde man erst einmal die knapp 84 Millionen Bundesbürger darüber entscheiden lassen bzw. befragen, was die wollen.
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  • olivergehrsitz@web.de
    @Spuldream: Ihnen ist die Methodik der repräsentativen Umfrage offenbar völlig unbekannt. Bitte erst informieren, statt hier irgendwelche Machenschaften von SPD und Grünen zu unterstellen.
    Zudem ist Ihre Forderung schon äußerst naiv. Bei 84 Mio. Bundesbürgern- wie soll das denn ablaufen? Wollen Sie auch schon auf der Säuglingsstation und im Kindergarten Meinungen einholen? Wie sieht es mit Demenzpatienten aus? Was ist mit denen die unter Betreuung stehen? Wollen Sie jedem einen Brief mit Rückkuvert senden?
    Jeder Statistiker liegt gerade lachend am Boden...
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  • harryamend@outlook.de
    Da dürfen die Statistiker gerne mal Lachen, das sie wieder welche gefunden haben, die sie veräppeln konnten und ihnen Glauben schenken. Fakt ist, dass Sie hier um den heißen Brei herumreden aber nicht sagen wollen wie viele Teilnehmer 60% von der Umfrage sind und wie viel insgesamt teilgenommen haben.
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  • elkatvelo@t-online.de
    na Souldream, dann befragen sie mal die Tausende Stammtische mit dem Glas oder Masskrug Bier in der Hand (je nach Region) ob sie die Abschaffung der Droge Alkohol wollen ?? Was kommt da wohl für ein Ergebnis dabei heraus ??
    Und bei den von Ihnen genannten 84 Millionen Deutschen müssen Sie mir noch erklären, wie Sie die Säuglinge, Kleinkinder etc befragen wollen.

    Und das ist dann die Trickserei von wem auch immer ( ich sehe das parteiungebunden), aber daran erkennt man ihre Parteibrille
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  • harryamend@outlook.de
    Sie kennen mich nicht wissen aber auf Grund meiner Aussage welcher Partei ich angehöre. Vielleicht sollten Sie mal ihre Brille putzen, bevor es peinlich wird, denn ich parteiungebunden.
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