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Würzburg/Aschaffenburg
Schlachthof-Skandal in Unterfranken: Mitarbeiter muss seine Schlachterlaubnis dauerhaft abgeben
Im Juli 2023 geriet der Aschaffenburger Schlachthof wegen mutmaßlicher Tierschutzverstöße in die Schlagzeilen. Ein Mann soll Tiere gequält haben.
Ein Mitarbeiter eines Schlachthofs in Aschaffenburg soll unter anderem Schweine gequält haben und verlor deshalb seinen sogenannten Sachkundenachweis. (Symbolbild)
Foto: Hendrik Schmidt, dpa | Ein Mitarbeiter eines Schlachthofs in Aschaffenburg soll unter anderem Schweine gequält haben und verlor deshalb seinen sogenannten Sachkundenachweis. (Symbolbild)
Benjamin Stahl
 und  Julian Bandorf
 |  aktualisiert: 25.08.2024 02:35 Uhr

Schweine und Rinder sollen mit Elektroschockern traktiert, offensichtlich noch lebende Tiere auseinandergenommen worden sein: Im Juli 2023 wurden schwere Vorwürfe gegen einen Aschaffenburger Schlachthof bekannt, nachdem die Organisation "Soko Tierschutz" Videoaufnahmen von mutmaßlichen Verstößen öffentlich gemacht hatte.

Der sogenannte Schlachthof-Skandal beschäftigt nun auch das Würzburger Verwaltungsgericht. Ein Mitarbeiter des Betriebs hatte geklagt, nachdem ihm die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) seine Schlachterlaubnis für Schweine und Rinder entzogen hatte, den sogenannten Sachkundenachweis.

Schlachthof-Mitarbeiter soll Schweine und Rinder gequält haben

Die KBLV begründete den entsprechenden Bescheid so: Der Mann sei auf Video-Aufnahmen der "Soko Tierschutz" dabei zu erkennen, wie er unter anderem in Dutzenden Fällen Mastschweine mit einem elektrischen Treibgerät quäle, die Betäubung nicht fachgerecht durchführe oder noch nicht toten Tieren die Augen entferne. Auch Rindern soll er durch seine Arbeitsweise große Qualen zugefügt haben. Der Schlachthof-Mitarbeiter habe in sehr erheblichem Maße gegen die Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung verstoßen, so die KBLV.

Während der Mann gegen den Entzug seines Sachkundenachweises im Umgang mit Schweinen nicht vorging, wollte er die entsprechende Schlachterlaubnis für Rinder behalten. Er argumentierte, sein Fehlverhalten sei vor allem auf seine mangelnde Praxiserfahrung zurückzuführen.

Mitarbeiter kritisiert Arbeitsbedingungen in Schlachthof in Aschaffenburg

Die vorherrschenden Arbeitsbedingungen in dem Aschaffenburger Betrieb kritisierte er vor Gericht: Seine Vorgesetzten hätten ihm entsprechende Anweisungen gegeben, die er aufgrund seiner Stellung innerhalb des Betriebs nicht hinterfragt habe. In manchen Fällen seien auch schlechte Absprachen bei der Arbeitsteilung der Grund für die Vorfälle. Zudem hätten technische Geräte häufig nicht korrekt funktioniert.

Eine Anfrage der Grünen im Landtag an die Staatsregierung ergab im Januar, dass Kontrollbehörden schon seit mehreren Jahren Tierschutzverstöße im Schlachthof in Aschaffenburg festgestellt hatten. Laut den Antworten wurden seit 2018 bei elf von 36 Kontrollen Verstöße festgestellt. Dabei ist unter anderem von Problemen mit den Betäubungsgeräten die Rede.

"Wir haben es hier nicht mit einem einfachen Schlachthof-Skandal zu tun. Sondern mit einem kriminellen System, bei dem Regelverstöße zum Arbeitsalltag gehören", erklärte damals der unterfränkische Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach.

Das Verwaltungsgericht Würzburg wies die Klage des Schlachthof-Mitarbeiters nach der Verhandlung ab. Seinen Sachkundenachweis im Umgang mit Schweinen und Rindern, für den er erst Ende 2022 die erforderliche Prüfung bestanden hatte, muss er zurückgeben.

Staatsanwaltschaft Aschaffenburg hat gegen zwei Amtstierärztinnen Anklage erhoben

Ob sich der Mann und andere Mitarbeiter auch strafrechtlich verantworten müssen, ist derzeit noch offen. Die Ermittlungen wegen quälerischer Tiermisshandlung dauern noch an, hieß es zuletzt von der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg. Grund sei die "akribische und äußerst zeitintensive Auswertung des gesicherten Videomaterials".

Noch nicht abgeschlossen sind demnach auch die Ermittlungen wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt durch Verantwortliche des Schlachthofs.

Allerdings hat die Staatsanwaltschaft bereits Anklage gegen zwei ehemalige amtliche Tierärztinnen erhoben, die die Verantwortlichen vor unangekündigten Kontrollen des Schlachthofs gewarnt haben sollen. Auch ein Inhaber des Zerlegebetriebs ist in diesem Zusammenhang angeklagt. Wie eine Sprecherin des Landgerichts Aschaffenburg auf Nachfrage erklärte, ist über die Zulassung der Anklagen noch nicht entschieden.

 
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  • Thomas Diener
    Hoffentlich muß er auch noch die Unkosten für den Prozess usw. zahlen !
    Solchen unqualifizierten Leuten sollte man nie wieder eine passende Lizenz geben !
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  • Peter Fischer
    Es wäre technisch möglich, die Tiere mittels Gasen wie z. B. Stickstoff oder Helium schmerzlos, zuverlässig und ohne Erstickungsgefühl zu betäuben. Natürlich würde dann das Kilo Fleisch etwas mehr kosten. M. W. gibt es aber bisher nur einen Schlachthof, der dies macht ( ich glaube Kulmbach). Das sollte gesetzlich so vorgeschrieben werden, auch wenn dann Fleisch mehr kosten würde.
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  • Ottmar Söllner
    und weiblichen Garnelen sticht man frühzeitig die Augen aus, damit sie sich schneller fortpflanzen
    verrückte grausame Welt
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  • Anton Müller
    Verrückt, was es alles gibt. Aus der Wikipedia: In Europa ist Augenstielablation für organische Produktion verboten. Seit 2016 setzt auch Seajoy, einer der großen zentralamerikanischen Produzenten von Premiumshrimps, keine Augenstielablaton mehr ein.
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Seit 2918 sind, naja, Unregelmäßigkeiten in diesem Tötungsbetrieb bekannt, aber der jetzt als Schuldiger ausgemachte hat den für die Tätigkeit notwendigen Sachkundenachweis seit 2022...
    Bedauerliche Entgleisungen eines grobschlächtigen Mitarbeiters oder doch eher unmögliche Zustände im Gesamtbetrieb über lange Jahre hinweg?
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  • Karin Sandmann
    "...noch nicht toten Tieren die Augen entfernen...".
    Ich bin fassungslos und tief betroffen.
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  • Werner Rau
    Was gibt es nur für Menschen - so etwas muss entsprechend bestraft werden.
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