Hightech-Wettlauf im Weltraum: Daten werden in Sekundenbruchteilen auf die Erde übertragen, für schnelle Kommunikation, autonomes Fahren oder Erdbeobachtung. Dafür braucht es niedrig fliegende Kleinsatelliten in großer Zahl. Entwickelt werden solche Minisatelliten seit 20 Jahren an der Uni Würzburg im Verbund mit dem Zentrum für Telematik (ZfT) als außeruniversitäre Einrichtung. Und seit längerem gibt es hier die Idee einer Satelliten-Forschungsfabrik, um eine Serienfertigung zu entwickeln.
Doch Bayern droht den Anschluss zu verpassen: Trotz aller Appelle aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zum Aufbau einer solchen Forschungsfabrik in Würzburg konnte sich das bayerische Wirtschaftsministerium bisher nicht zu einer substanziellen Förderung durchringen. Die Zeit läuft davon, sagt ZfT-Vorstand Klaus Schilling.
Bund fördert Personal und Geräte, Freistaat müsste Gebäude schaffen
Der emeritierte Professor für Robotik drängt auf eine Entscheidung. Über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat er bereits sechs Millionen Euro an Bundesmitteln für Geräte und Personal eingeworben. Die Fabrikhalle soll direkt neben dem Zentrum für Telematik am Würzburger Hubland entstehen. Das vorgesehene 2000 Quadratmeter große Grundstück würde die Stadt Würzburg für die Fabrik verkaufen. Aber wie lange reserviert sie es dafür noch?
Finanziert werden müsse der Bau vom Freistaat, sagt Schilling. Dann sei auch mit weiterer Unterstützung vom Bund zu rechnen. In anderen Bundesländern seien Forschungsfabriken für Batterien oder Mikroelektronik genau nach diesem Muster entstanden. Und der Robotik-Spezialist verweist auf die Konkurrenz aus den USA und China.
Das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX von Elon Musk habe allein im vergangenen Jahr 2000 Kleinsatelliten in den Weltraum befördert. Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt rechnet mit einem starken Wachstum des Satellitenmarktes bis 2040 – auf das zehnfache Volumen der globalen Automobilindustrie von 2020.
Der Plan in Würzburg: In einer robotergestützten Forschungsfabrik 4.0 soll pro Tag mindestens ein Satellit hergestellt werden. Man entwickle Techniken und die Automatisierung, sagt Schilling. Mit den gewonnenen Erkenntnissen soll die Industrie dann in die eigentliche Serienfertigung gehen, am besten in der Nähe.
Dass es in den letzten Jahren "kleinere" Finanzspritzen aus dem Wirtschaftsministerium gab, erkennt Schilling zwar an. Doch die Konkurrenz in Frankreich oder USA werde mit mehr als dem Hundertfachen gefördert. "Wie soll man dagegen ankommen? Bayern muss sich jetzt einen echten Ruck geben."
Unterstützung von Regierungspräsident, Uni-Präsident und IHK-Chef
Mehr als ein Dutzend Unterstützerbriefe, vor allem von Landtagsabgeordneten, sollen allein im vergangenen Jahr an den Wirtschaftsminister gegangen sein. Im Herbst 2020 verfolgte Hubert Aiwanger (Freie Wähler) selbst vom Zentrum für Telematik aus einen Raketenstart samt Kleinsatelliten aus Würzburg. Die Satellitenfabrik sei "seit Jahren ein Thema", gab er kürzlich zu.
Zuletzt sollen sich der unterfränkische Regierungspräsident Eugen Ehmann, Uni-Präsident Paul Pauli, die Aschaffenburger TH-Präsidentin Eva-Maria Beck-Meuth und IHK-Hauptgeschäftsführer Sascha Genders in einem gemeinsamen Dringlichkeitsbrief ans Wirtschaftsministerium gewandt haben. Ihre Mahnung: die Chancen einer Forschungsfabrik im wichtigen Wachstumsmarkt nicht verpassen.
Im ZfT entstehen bereits erste Teile der Satellitenfabrik, moderne Geräte dafür treffen ein. Ehmann hält eine solche Fabrik für die "logische praktische Umsetzung von Ideen, die in der Bildungs- und Wissenschaftsregion Unterfranken entstanden sind". Das Projekt passe zu dem regionalen Ansatz, den Bayern in vielerlei Hinsicht konsequent verfolge, sagt er auf Anfrage. "Unter dem Strich ist zu erwarten, dass sich staatliche Mittel, die das erforderliche Gebäude mitfinanzieren, bestens verzinsen würden."
Auf die Studiengänge und Professuren zur Luft- und Raumfahrtinformatik und speziell zum Thema Kleinsatelliten weist der Uni-Präsident hin: "Die Forschungsfabrik könnte, auch mithilfe unserer Forschenden, entscheidende Grundlagen für die weitere Entwicklung der Serienproduktion von Kleinsatelliten in Bayern legen." Außerdem, ist Pauli überzeugt, würde sie das "bestehende Raumfahrt-Ökosystem Unterfranken" mit Uni, Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen weiter stärken.
Wirtschaftsministerium vermisst Konzept, das die Industrie einbindet
Dieses "Ökosystem" habe bundesweit ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal, findet IHK-Hauptgeschäftsführer Genders. Er sieht den Freistaat gefordert, es gehe um die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt, um Arbeitsplätze, Forschungsfelder und Chancen für Unternehmen: "Eine Forschungsfabrik für Kleinsatelliten wäre aus Sicht der mainfränkischen Wirtschaft ein zukunftsweisender Schritt."
Und das Wirtschaftsministerium in München? Wollte sich zunächst wegen des "laufenden Verfahrens" gar nicht äußern – doch gibt auf Nachfassen den schwarzen Peter zurück nach Unterfranken. Grundsätzlich wolle man die Zusammenarbeit von ZfT und Forschungspartnern weiter unterstützen. Aber eine Satellitenfabrik brauche ein "tragfähiges Gesamtkonzept, das Industriepartner einbindet, die sich in erheblichem Umfang auch finanziell an einem derartigen Vorhaben beteiligen".
Auch rechtliche Aspekte seien bei einer öffentlichen Förderung zu beachten. "Trotz intensiven Austauschs" liege ein solches Konzept bislang nicht vor, heißt es vom Ministerium.
Schilling: Konzept vorgestellt, Industrie schon jetzt beteiligt
Eine Aussage, die Schilling verwundert. Man habe das Konzept Anfang Februar ausführlich in München vorgestellt, Kritik oder Nachfragen seien bisher ausgeblieben. Im Industriebeirat der Forschungsfabrik seien schon jetzt wichtige Firmen wie Airbus, Diehl oder Wittenstein vertreten. Damit soll der Transfer in die Praxis und ein späterer Einstieg der Industrie gesichert werden.
Für den eigentlichen Technologiedurchbruch braucht es Schilling zufolge Grundlagenforschung. Und solche werde üblicherweise nicht von der Industrie getragen.