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Würzburg/Bamberg
Samstagsbrief: Viel Glück im Kampf gegen das Aus von Brose in Würzburg, Norbert Zirnsak
Der Brose-Standort Würzburg steht auf der Kippe. Die IG Metall will ihn retten. Unser Autor meint: Die Gewerkschaft hat schlechte Karten. Oder doch nicht?
Will zusammen mit dem Betriebsrat den Brose-Standort Würzburg retten: Norbert Zirnsak, Erster Bevollmächtigter der IG Metall. Das Bild zeigt ihn am Rande einer Betriebsversammlung bei Brose am Donnerstag.
Foto: Daniel Peter | Will zusammen mit dem Betriebsrat den Brose-Standort Würzburg retten: Norbert Zirnsak, Erster Bevollmächtigter der IG Metall. Das Bild zeigt ihn am Rande einer Betriebsversammlung bei Brose am Donnerstag.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 18.02.2025 02:37 Uhr

Sehr geehrter Norbert Zirnsak,

in diesen Tagen möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken. Denn im Dauergrummeln all der Nachrichten um Stellenkürzungen großer Firmen kommt die drohende Schließung des Brose-Standortes in Würzburg wie ein Donnerschlag daher.

Sie als Erster Bevollmächtigter der IG Metall und der Brose-Betriebsrat haben angekündigt, sich mit Händen und Füßen gegen das Aus zu wehren. Sie haben meinen Respekt, denn Ihr Ansinnen wird mit Sicherheit kein leichtes werden. Aus mehreren Gründen. Deshalb schreibe ich Ihnen.

Etwa 1400 Arbeitsplätze stehen in Würzburg auf der Kippe. Das sind 1400 Menschen, also 1400 Schicksale. Wenn man jeweils die Familien und Freunde der Betroffenen dazurechnet, geht es gut und gerne um 4000 Menschen.

Das sind so viele, wie der Würzburger Stadtteil Rottenbauer Einwohner hat. Man stelle sich das vor: Ein ganzer Stadtteil ist auf einen Schlag voller Arbeitsloser. Zugegeben, das sind Zahlenspiele, und das übersieht die Möglichkeit, dass nach dem Aus manche Würzburger Beschäftigte in einer anderen Brose-Niederlassung oder sonst wo einen neuen Job finden.

Die Beschäftigten dürften eher stumpfe Waffen haben

So oder so, es geht um ein menschliches Drama von lange nicht erlebtem Ausmaß in der mainfränkischen Wirtschaft. Es fallen nicht nur Jobs dem Rotstift zum Opfer, sondern gleich ein ganzer Betrieb. Das mit aller Kraft abzuwenden, werden Sie als Ihre vorrangige Aufgabe ansehen, Herr Zirnsak. Davon gehe ich aus.

Allerdings werden Sie meines Erachtens stumpfe Waffen haben. Leider, wird man aus Sicht der Brose-Belegschaft in Würzburg sagen müssen. Denn bei den anstehenden Verhandlungen liegt Ihr erstes Manko schon in Ihrem ranghöchsten Widersacher: Brose-Übervater Michael Stoschek. Der allmächtige Konzernlenker gilt als unberechenbar und ist nicht bekannt dafür, dass er viel auf die Belange von Gewerkschaften gibt.

Zwar werden im Verwaltungsrat derzeit noch die wirtschaftlichen Zahlen der drei fränkischen Brose-Standorte ermittelt. Doch Stoscheks Pressestelle hat Mitte der Woche bereits durchblicken lassen, dass Würzburg im Vergleich mit Coburg und Bamberg/Hallstadt die schlechtesten Karten hat. Da wird man bei Stoschek nicht auf ein weiches Herz hoffen können.

Fotoserie

Dann wäre da noch ein neues Brose-Gebäude in einem Gewerbegebiet im Nordosten von Bamberg. Wie aus sicherer Quelle zu erfahren war, steht das 60 Millionen Euro teure Haus leer und könnte locker mehrere hundert Beschäftigte aus Würzburg aufnehmen. Die Brose-Leitung hat bereits klargemacht, dass man generell ein Umzugsangebot unterbreiten will.

Es geht voraussichtlich an mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Würzburg in der Verwaltung arbeiten. Die 700 Beschäftigten in der Produktion schauen indes in die Röhre. Umzugspläne für sie sind nicht bekannt. Hinzu kommt, dass im Werk das Durchschnittsalter bei 53 Jahren liegt, wie zu erfahren war. Mit 53 zieht man für gewöhnlich nicht mehr so leicht um wie mit 23.

"Stoschek will das leerstehende Gebäude in Bamberg unbedingt vollbekommen", ist unter Brosianern im Moment deutlich zu hören. Deshalb opfere er Würzburg. Und das, obwohl dieser Standort wirtschaftlich gar nicht so schlecht abschneide, wie es die Brose-Leitung immer darstelle.

Davon abgesehen: Brose wird für sich in Anspruch nehmen, mit dem Bamberg-Angebot an Teile der Würzburger Belegschaft immerhin etwas anzubieten. Ob man das Angebot gut finden muss, sei dahingestellt. Sicher ist, dass Sie, Herr Zirnsak, nicht das Argument werden bringen können, Brose gehe in die Verhandlungen mit leeren Händen.

Vielleicht könnte für Sie im Kampf gegen das Brose-Aus ein Trumpf werden, dass Würzburg für Herrn Stoschek vergleichsweise günstig ist. Denn der Standort hat seit 20 Jahren einen ständig aktualisierten Ergänzungstarifvertrag, der die Beschäftigten im Schnitt zwar 150 Euro pro Monat mehr verdienen lässt, wie man hört. Andererseits muss das Personal auf Teile des Weihnachts- und Urlaubsgelds verzichten sowie eine halbe Stunde pro Tag unentgeltlich mehr arbeiten. So jedenfalls war es aus eingeweihten Kreisen zu erfahren. Brose spare sich so bis zu 18 Millionen Euro im Jahr.

Brose in Würzburg: Vielleicht klappt ein Kompromiss

Wie wäre es denn mit einem Kompromiss: Die Verwaltung zieht nach Bamberg, aber die Produktion bleibt in Würzburg? Das würde immerhin jene 700 Stellen retten. Brose müsste sich dann für die leer gewordenen Räume Untermieter suchen. Zugegeben, Stoschek wird sich auf einen solchen Handel kaum einlassen.

Aber versuchen Sie es, Herr Zirnsak. Versuchen Sie alles Mögliche. 1400 Schicksale in Würzburg machen das zu Ihrer Pflicht. Viel Glück.

Mit hoffnungsvollen Grüßen,

Jürgen Haug-Peichl, Redakteur

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  • Mert Mutlu
    es ist bedauerlich, dass Frau Celina von den Grünen nicht regelmäßig Videos zu diesem Thema veröffentlicht - schließlich geht es um die Zukunft von 1.400 Mitarbeitern. Ebenso wäre es wunschenswert, wenn Frau Gobel von der Mainpost häufiger darüber berichten würde.
    Dabei handelt es sich nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Mietern und Vermietern, sondern um die Existenz vieler Familien. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Frau Göbel von Mainpost und Celina von Grünen bisher ruhig geblieben sind.
    Könnte es sein, dass geschäftliche Interessen oder Kontakte eine Rolle dabei spielen, dass in dieser Angelegenheit bisher nicht aktiv gehandelt wurde von Frau Celina und Frau Göbel Es ist auffällig, dass die Grünen dieses Thema bislang nicht einmal auf ihrer Website veröffentlicht haben.
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  • Martin Deeg
    Aber Herr Mutlu, was soll denn dieser Whataboutism?

    Die "Auseinandersetzung zwischen Mietern und Vermietern" - die nicht das geringste mit diesem Thema hier zu tun hat - erzeugt weit über die Grenzen von Würzburg hinaus öffentliches Interesse. Weil nun einmal Themen wie Machtmissbrauch, Verantwortungslosigkeit und Gewalt zur Durchsetzung von Interessen die Menschen mehr beschäftigen als wenn es "nur" um kalte geschäftliche Interessen geht. Und die Kritik an Herrn Stoschek wird Ihnen auch nicht entgangen sein.
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  • Oliver Hesse
    Was hat Brose mit dem Rock Inn zu tun?
    Falscher Artikel, oder?

    M. Lerm
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  • Harry Amend
    Brose ist eben halt ein oberfränkisches Unternehmen und das man da eben versucht in seiner Heimat das eigene Haus voll zu bekommen ist legitim. Brose und andere Fahrzeugteile Hersteller sind ja nicht das erste mal in den Schlagzeilen, hier hätte man auch in Würzburg längst gewarnt sein müssen, das es ein weiter so in der Branche auf lange Sicht nicht geben wird. Gerade in der Fahrzeugherstellung ist und wird der Markt auch in den nächsten Jahren noch sehr stark in Bewegung sein.
    Wo eine Türe sich schließt geht meist wo anders wieder eine auf, die man heute eventuell noch gar nicht im Blick hat. Sollte das Gipswerk in Altertheim gebaut werden, werden auch hier viele neue Arbeitsplätze entstehen, was zwar in erster Linie der Stadt nichts nutzt aber dem Landkreis.
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  • Frank Hertel
    Lieber Norbert, ich wünsche dir viel Kraft und gutes Gelingen das bestmögliche für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Brose zu verhandeln.
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