Übernimmt das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg das Seniorenzentrum des privaten Betreibers Alloheim in Röttingen? Zumindest sei dies vor kurzem den Beschäftigen dort so von Führungskräften mitgeteilt worden, berichtet eine Mitarbeiterin. Tatsächlich bestätigt das Kommunalunternehmen (KU) Übernahmeverhandlungen. Spruchreif seien diese aber bisher noch lange nicht.
Sieben Heime betreibt die Landkreis-Holding bisher über ihr Tochterunternehmen, die Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg gGmbH. "Wir sind nur dort aktiv geworden, wo Gemeinden auf uns zugekommen sind und private Betreiber eine wohnortnahe Versorgung nicht sicherstellen können", sagt der Vorstand des Kommunalunternehmens, Alexander Schraml. Dass es nun um die Übernahme eines bestehenden, privat geführten Heimes geht, ist neu. Gespräche dazu gebe es bereits seit Herbst vergangenen Jahres.
Grundsätzlich Bereitschaft zur Übergabe
Beschwerden von Angehörigen über pflegerische und hygienische Defizite hätten das KU damals auf den Plan gerufen, sagt Schraml, nachdem sich auch Bürgermeister Hermann Gabel vermittelnd eingeschaltet hatte. "Ich bin dann ans Alloheim herangetreten, ob sie bereit sind, das Heim abzugeben", so Schraml weiter. "Es kam eine positive Rückmeldung, seitdem sind wir im Gespräch." Vorrangig gehe es dabei um die Aufrechterhaltung der Versorgung im südlichen Landkreis und um den Schutz der Bewohner und Mitarbeiter, so der KU-Vorstand.
Wie die staatliche Heimaufsicht am Landratsamt auf Anfrage der Redaktion bestätigt, seien in der Vergangenheit wiederholt "pflegerische und personelle Defizite beziehungsweise Mängel im Bereich der Arznei- und Betäubungsmittel" beanstandet worden. Insbesondere hätten sich Angehörige von Bewohnern über die hohe Fluktuation sowohl unter den Pflegekräften als auch im Führungspersonal beklagt. Vor dem Hintergrund dieser Beschwerden sei das Heim regelmäßig sowohl turnusgemäß als auch anlassbezogen kontrolliert worden.
Aufgrund von Beanstandungen hatte die Heimaufsicht nach eigenen Angaben sogar einen zeitweisen Aufnahmestopp verhängt, der inzwischen wieder aufgehoben wurde. Die Einhaltung von Auflagen und Anordnungen sei dabei stets überprüft worden. Die letzte Begehung habe im Januar dieses Jahres stattgefunden, so die Heimaufsicht weiter. Aktuell lägen keine Hinweise auf hygienische oder pflegerische Missstände vor.
Die Alloheim Senioren-Residenzen SE, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, betreibt nach eigenen Angaben rund 270 Pflegeeinrichtungen im ganzen Bundesgebiet mit Schwerpunkt Nordrhein-Westfalen und zählt zu den größten privaten Pflegeanbietern in Deutschland.
Alloheim-Sprecherin nimmt Stellung
Auf konkrete Anfragen zur möglichen Übernahme des Röttinger Heimes und der Unterrichtung der Mitarbeitenden will eine Sprecherin auf Anfrage der Redaktion nicht näher eingehen. Sie verweist auf den Vertrauensschutz für mögliche Partner und auf Gerüchte, zu denen man generell nicht Stellung beziehe.
Auf Beanstandungen der Heimaufsicht angesprochen, verweist die Sprecherin darauf, dass sich diese auf "unterschiedlichste Herausforderungen in der Vergangenheit" beziehen und keine aktuelle Momentaufnahme widerspiegeln. Fakt sei aber, dass sich die Gewinnung von Pflegekräften im hiesigen Raum generell schwierig gestalte.
Kontinuierlich ins Haus investiert
Der vielfältigen standortbedingten Herausforderungen sei man sich schon bei der Übernahme des Hauses bewusst gewesen, so die Alloheim-Sprecherin weiter. Dennoch sei man überzeugt, dass die Einrichtung zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung wichtig ist. "Diese grundsätzliche Einstellung wird durch die erheblichen und nachhaltigen Investitionen unsererseits untermauert, die wir dort in den vergangenen Jahren kontinuierlich getätigt haben."
Letzterem widerspricht auch KU-Vorstand Alexander Schraml nicht. Nach Besichtigung durch einen Architekten bezeichnet er den baulichen Zustand der Einrichtung gemessen an der Nutzungsdauer als gut. Allerdings entspreche das 2004 eröffnete Haus nicht mehr den Mindeststandards des Pflege-Wohnqualitäts-Gesetzes. Eine Reduzierung der Wohnplätze von derzeit 119 auf 80 bis 90, einhergehend mit der Umwandlung von Doppel- in Einzelzimmer, hält Schraml deshalb für unerlässlich.
Um das Haus dann noch wirtschaftlich betreiben zu können, müsse sich die reduzierte Bewohnerzahl auch auf die Höhe des Mietzinses niederschlagen. Das wiederum erschwere die Verhandlungen mit dem Eigentümer des Hauses, einer schweizerischen Fondgesellschaft.
Inzwischen sieht Schraml die Verhandlungen aber auf einem guten Weg. Grundlage dafür ist ein Einstieg des KU in die Restlaufzeit des Mietvertrags von acht Jahren. Während dieser Zeit soll dann über eine nachfolgende Sanierung und die Fortführung des Mietverhältnisses verhandelt werden. Auf diese Weise gewinne man Zeit, um das Haus nach einer baldigen Übernahme für die fernere Zukunft ausrichten zu können. "Ich gehe davon aus, dass wir bald zu einer Einigung kommen", so Schraml weiter.
Stadt Röttingen will einen Beitrag leisten
Die Lösung wäre auch ganz im Sinne der Stadt Röttingen, sagt Bürgermeister Hermann Gabel. "Mir geht es darum, dass die Bewohner gut aufgehoben sind und das Haus einen guten Ruf hat", so Gabel. "Das Kommunalunternehmen wäre ein guter Partner, auf den man sich verlassen kann." Gleichwohl sei man sich bewusst, dass auch die Stadt einen Beitrag leisten müsse, so der Bürgermeister weiter. Dazu habe der Stadtrat bereits seine Bereitschaft erklärt.
Bei Neubauten des KU war es bislang üblich, dass die Kommunen das Baugelände zur Verfügung gestellt haben. Im Falle einer Betriebsübernahme sei dies nicht möglich. Diskutiert wird stattdessen ein jährlicher Betriebskostenzuschuss in der Größenordnung von 20 000 Euro. Ein solcher Zuschuss würde direkt auf die Heimkosten angerechnet, also nicht dem KU, sondern den Bewohnern zugute kommen, betont Alexander Schraml. "Es geht dabei nicht so sehr ums Geld, sondern darum, dass die Kommune Mitverantwortung übernimmt und sich dem Haus verbunden fühlt", so Schraml.
Auch die Personalfrage sieht Schraml als geklärt. "Wir übernehmen sämtliche Mitarbeiter eins zu eins, werden aber natürlich neues Personal einstellen müssen", sagt er. "Wir hoffen, dass das einem kommunalen Träger mit Tarifbindung und öffentlicher Kontrolle besser gelingt als einem privaten Betreiber."
Die Politik hat noch Diskussionsbedarf
Noch besteht allerdings Diskussionsbedarf auf der politischen Ebene. Die Gremien des Kommunalunternehmens seien zwar unterrichtet und hätten den Verhandlungen zugestimmt. Eine endgültige Entscheidung könne der Kreistag allerdings erst dann treffen, wenn der fertige Vertragsentwurf vorliege. "Wir haben das Thema noch nicht zu Ende diskutiert", sagt auch Landrat Thomas Eberth auf Anfrage der Redaktion. "Wir sind dabei nicht gehetzt, aber wir überlegen, wie wir die bestmögliche Pflege in den südlichen Landkreis bringen."
Alexander Schraml schwebt der kommende Jahreswechsels als Zeitpunkt der Übernahme vor. "Der 1. Januar wäre optimal, aber wenn es früher gehen muss, schaffen wir das auch", sagt er. Dabei bewertet der KU-Vorstand die Situation auch aus seiner Rolle als Bundesvorsitzender des Bundesverbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e.V. (BKSB). "Die Kommunen stehen bereit, um die Versorgung in der Altenhilfe sicherzustellen", sagt Schraml, "eine Kommune hat dabei eine ganz andere Verantwortung als ein privater, gewinnorientierter Träger."