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Würzburg
Deutsche beziehen immer länger Rente
Die Kassen geraten durch die steigende Lebenserwartung unter Druck. Helfen könnte ihnen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Fast vier von fünf Deutschen sorgen sich nach einer repräsentativen Umfrage der OECD um ihre finanzielle Situation im Alter.
Foto: Stephanie Pilick, dpa | Fast vier von fünf Deutschen sorgen sich nach einer repräsentativen Umfrage der OECD um ihre finanzielle Situation im Alter.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:06 Uhr

Zuerst einmal die gute Nachricht: Die Deutschen leben länger und die Lebenserwartung steigt nach Prognosen des Statistischen Bundesamts weiter an. Das gilt nicht nur für neugeborene Jungen und Mädchen, sondern auch für ältere Menschen. So haben Männer, die heute 65 Jahre alt sind, durchschnittlich noch knapp 18 Lebensjahre vor sich. 65-jährige Frauen leben durchschnittlich sogar noch 21 Jahre. 

Was erst einmal erfreulich ist, hat für die Rentenversicherung erhebliche Konsequenzen. Wenn die Menschen immer älter werden, erhalten sie dementsprechend länger Rente. Und das kostet zusätzliche Milliarden. Gleichzeitig stagniert die Zahl der Kinder, die eine Frau im Durchschnitt bekommt, bei 1,59. Das heißt, immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter müssen für immer mehr Ruheständler die Altersrente erwirtschaften. 

Angst vor Altersarmut

Angst vor Altersarmut?
Foto: Illustration Karina Färber | Angst vor Altersarmut?

Die Bundesregierung versucht seit einigen Jahren, dem entgegenzuwirken. Sie hat das Rentenniveau immer weiter gesenkt. Erhielten Durchschnittsverdiener früher noch 60 Prozent ihres Gehalts als Rente, sind es heute nur noch 48 Prozent. Doch gerade Menschen mit geringerem Gehalt oder gar mit Mindestlohn können dann nicht mehr von ihrer Rente leben, sie müssen mit Grundsicherung aufstocken.

Was diese Debatte bei vielen Menschen bewirkt, ist Angst vor Altersarmut. Fast vier von fünf Deutschen sorgen sich nach einer repräsentativen Umfrage der OECD um ihre finanzielle Situation im Alter. Langfristig sehen 76 Prozent der rund 1000 Befragten zwischen 18 und 70 Jahren ihre Rente als eine Hauptsorge, heißt es in dem Bericht. Fast die Hälfte der Deutschen (45 Prozent) wäre laut Umfrage sogar bereit, für eine höhere Rente zusätzlich zwei Prozent ihres Einkommens als Steuer- oder Beitragszahlung zu leisten.

Doch ist diese Angst begründet? "Derzeit beziehen nur drei Prozent der Rentner Grundsicherung im Alter", sagt Jürgen Zips, Direktor der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern. Doch er gibt zu: "In Zukunft werden mehr Menschen armutgefährdet sein." Schuld daran sei unter anderem der Niedriglohnsektor, der in den 1990er Jahren eingeführt wurde. "Wer sein ganzes Leben lang nicht viel verdient hat, wird auch im Alter keine hohe Rente haben", sagt Zips.

Werden wir dann länger als bis 67 Jahre arbeiten müssen? "Klar, vor allem diejenigen, welche nicht vorgesorgt haben", sagt Hans Fehr, Wirtschaftswissenschaftler . "Wer es sich leisten kann, der wird wie heute in den Ruhestand wechseln. Wer es sich nicht leisten kann, muss eben bis 70 arbeiten", sagt Fehr. Allerdings sei ein heute 40-jähriger in 30 Jahren auch viel fitter als ein heute 70-jähriger.

Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung ist gescheitert

"Das Drei-Säulenmodell der Alterssicherung aus gesetzlicher Rentenversicherung, betrieblicher Altersvorsorge und privater Vorsorge ist gescheitert", sagt Carsten Vetter, Bezirksgeschäftsführer des Sozialverbands VdK in Würzburg. Selbst wer monatlich 3000 Euro brutto 35 Jahre lang verdient, bekommt letztendlich nur 1080 Euro brutto – also 970 Euro netto Rente. "Da sind wir schon nah am Sozialhilfeniveau. Und 35 Jahre erreichen viele Frauen, die Kinder haben, nicht", sagt Vetter. Er fordert daher eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung.

"Die dafür nötige Rentendebatte muss unbedingt auch mit Blick auf junge Familien geführt werden, die durch die Erziehung von Kindern einen großen sozialen Beitrag leisten", sagt Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbunds der Katholiken. Sie müssten durch die Einführung von Kinderfreibeträgen in der Renten-, aber auch in der Kranken- und Pflegeversicherung entlastet werden, so Hoffmann.

Welche Stellschrauben können noch gedreht werden, damit die Rente finanzierbar bleibt? "Was nicht auf Dauer funktioniert, ist die doppelte Haltelinie", meint Wirtschaftswissenschaftler Fehr. Man könne nicht gleichzeitig die Beiträge und das Rentenniveau einfrieren, und mehr Steuerfinanzierung mache das System auf Dauer kaputt. "Ich denke, man wird höhere Beiträge akzeptieren müssen", sagt Fehr. 

Rentenniveau
Was ist das Rentenniveau?

Das Rentenniveau stellt die Relation zwischen der Höhe der Standardrente (45 Jahre Beitragszahlung auf Basis eines Durchschnittsverdienstes) und dem Entgelt eines Durchschnittsverdieners dar.

Wie hat sich das Rentenniveau entwickelt?

Im Jahr 2000 betrug das Rentenniveau noch 52,9 Prozent, im Jahr 2016 lag es bei 48,1 Prozent.

Wie wird sich das Rentenniveau in Zukunft entwickeln?

Die Finanzierung der Rentenversicherung erfolgt im sogenannten Umlageverfahren, das heißt die laufenden Ausgaben werden zum allergrößten Teil aus den laufenden Beitragseinnahmen und einem Bundeszuschuss finanziert. In den kommenden Jahren wird sich die Anzahl der Rentenbezieher im Verhältnis zu der Zahl der Beitragszahler weiter erhöhen. Um vor diesem Hintergrund die Finanzierung der Renten auch langfristig sicherzustellen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Reformen vorgenommen. Unter anderem wurde die Formel zur jährlichen Anpassung der Renten um einen Nachhaltigkeitsfaktor und einen Beitragssatzfaktor ergänzt. Steigt seither die Zahl der Rentner schneller als die Zahl der Beitragszahler, dämpft der Nachhaltigkeitsfaktor den Anstieg der Renten. Zusätzlich wird die Anpassung der Renten über den Beitragssatzfaktor gedämpft, wenn die Rentenversicherungsbeiträge steigen.

Wie weit kann das Rentenniveau absinken?

Wie weit das Rentenniveau in Zukunft tatsächlich sinken wird, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Unter anderem spielen die Arbeitsmarktlage und die Entwicklung im Altersaufbau der Bevölkerung eine entscheidende Rolle. Mit dem Rentenpakt I wurde für das Rentenniveau eine neue Haltelinie bis 2025 eingeführt: Das Rentenniveau darf zur Stabilisierung der Leistungsfähigkeit in der allgemeinen Rentenversicherung nicht unter 48 Prozent sinken. Verhindert wird dies durch eine Niveauschutzklausel in der Rentenanpassungsformel. 

 
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  • A. S.
    Es ist schon lange Gewissheit dass die Finanzierung der Rente auf wackeligen Füßen steht, warum hat ma dann die Beiträge von 20,3 oder 19,9 % abgesenkt? Nicht um uns beitragspflichtigen Arbeitnehmern Gutes zu tun, sondern den Arbeitgebern Geld zu sparen.
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  • A. D.
    Unser Rentensystem wird auf Dauer nicht funktionieren, da es grundsätzlich darauf aufgebaut ist, dass die Zahl der Erwerbstätigen unablässig steigt (Schneeballsystem). Das wird es nicht, viele Arbeiten entfallen z. B. durch Automatisierung. Die private Vorsorge ist ein Witz, seit Jahren werden Sparer durch Null-Zins-Politik der EZB kalt enteignet. Der Staat entnimmt immer wieder aus der Rentenversicherung Geld, indem er gesetzlich festlegt, dass Geld auch an Personen ausgezahlt wird, die nicht eingezahlt haben, Bsp. früher Landwirte, Spätaussiedler, jetzt die Mütterrente, die eigentlich aus der Staatskasse finanziert werden müsste. Dazu kommt, dass viele Leute nicht einzahlen, die auch einmal alt und damit möglicherweise unterhaltsbedürftig werden, wie Selbständige. Es bräuchte eine große Reform und nicht das Weiter-So-Gewurstle, wo die Schraubeangezogen wird bei denen, die sich nicht wehren können. Arbeiten bis 70 ist Sarkasmus pur. Dass die Leute heute fitter wären, ist unbelegt.
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  • A. G.
    auf der einen seite redet man darüber ob ein "normaler" arbeitnehmer bis 70 arbeiten "muss", und auf der anderen wann ein ob seine rente "bekommt", erst mit 62 oder sofort.
    nicht nur der otto-normal-rentner lebt immer länger, nein auch pensionäre leben immer länger, das problem dabei ist, nur die längere lebensdauer der rentner geht zulasten der steuerzahler und jüngeren generationen, die pensionen zahlt ja der staat. zwinkern
    so lange diejenigen, die von der rente nicht betroffenen sind, über die höhe der rente und die lebensarbeitszeit entscheiden, wird sich nichts ändern, bzw. noch schlechter werden.
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  • P. M.
    Die Steuerzahler sind die Staatskasse, wo sonst soll der Staat Geld bekommen. Der Spiegel hat schon 2008 die Ungerechtigkeit RENTE/PENSION angeprangert. Errechnet sich die Rente aus der Lebensleistung, steigert sich bei der Pension jedes Berufsjahr um einen Wert von 1,79375, so kommt man nach 40 Berufsjahren auf den Maximalwert von 71,75 %. Ist bei der Rente der Jahresverdienst massgebend, ist es bei der Pension die Anzahl der Jahre.
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  • A. G.
    oh, hätte ich da irgendwo eine ironiekennzeichnung unterbringen müssen?
    ich dachte der smilie reicht. zwinkern
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  • P. M.
    Irgendwie ist doch bei der ganzen Rentenpolik der Wurm drin. Da steigt das Durchschnittsgelhalt seit den letzten 10 Jahren um 10.000 Euro, aber es kommt bei vielen Arbeitnehmern in kleinen und mittleren Betrieben nichts an. Gerademal die Großen Firmen der Metallbrange und der öffentliche Dienst profitieren durch die regelmäßigen Tariferhöhungen. Wer wie ich, jetzt 64, seit 10 Jahren keinen cent mehr bekommen hat, kann jetzt schon mit einer monatlichen Rentenkürzung von 2 Punkten = 64 Euro rechnen. Gerade meiner Generation fehlt oft die private Absicherung, da bei uns ja die Renten noch sicher waren ( N. Blüm 10. Oktober 1997 ) und das Rentenniveau auf 70 %.
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