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Würzburg
Psychisch krank, trotzdem arbeitsfähig: Wie das Projekt "ZeitRaum" belasteten Berufstätigen im Arbeitsleben hilft
Psychische Erkrankungen sind der häufigste Grund, früher aus dem Job auszuscheiden. In Würzburg setzt ein neues Konzept auf sanften Wiedereinstieg - wie bei IT-Projektleiter Jan F.
Langsam und stabil zurück im Job: Beraterin Katrin Dietz unterstützt Jan F. im Projekt 'ZeitRaum', das versucht, psychisch belastete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder einzugliedern. 
Foto: Thomas Obermeier | Langsam und stabil zurück im Job: Beraterin Katrin Dietz unterstützt Jan F. im Projekt "ZeitRaum", das versucht, psychisch belastete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder einzugliedern. 
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Fünfmal ist Jan F. in den vergangenen drei Jahren an Corona erkrankt. Einmal so schwer, dass sich danach eine Herzmuskelentzündung entwickelte, mit starken Brustschmerzen, Luftnot und Herzstolpern. Richtig erholt hat sich der 45-Jährige davon nicht: "Ich war weiter sehr schlapp, hatte Gedächtnislücken. Durch meine Erkrankung konnte ich mehrere Monate nicht arbeiten."

Nach einer Reha war bald klar, dass Jan F. in seinem aktuellen Zustand nicht mehr 100 Prozent beruflich einsetzbar ist. Über seinen Arbeitgeber erfuhr er vom Beratungsangebot "ZeitRaum", das es seit Januar 2023 in Würzburg und Bayreuth für Unter- und Oberfranken gibt und das vom Bundesministerium Arbeit und Soziales (BMAS) als Projekt im Rahmen des Bundesprogrammes "Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben - rehapro" finanziert wird.

Angebot für alle Beschäftigten, die psychisch belastet sind

"Das Projekt richtet sich an psychisch belastete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 18 bis 64 Jahren", sagt Projektkoordinator Thorsten Krüger. Ob die psychische Belastung dabei durch den Arbeitsplatz selbst, durch private Gründe oder durch eine schwere Erkrankung hervorgerufen wurde, spiele keine Rolle.

Seit 20 Jahren arbeitet Jan F. als IT-Projektleiter bei der Würzburger Firma Garmin, die Navigations- und Informationssysteme entwickelt. Nach seinen Corona-Erkrankungen entwickelte der 45-Jährige Panikattacken: "Ich habe immer mehr Angst um meine Gesundheit bekommen." Vor seiner Erkrankung gerne auf dem Rennrad unterwegs, fühlte er sich im Beruf und in seinem Alltag jetzt stark eingeschränkt.

"Ich habe immer mehr Angst um meine Gesundheit bekommen."
Projektleiter Jan F. aus Würzburg

Mit Hilfe von "ZeitRaum" können psychisch belastete Menschen ihre Arbeitszeit auf bis zu 50 Prozent reduzieren, bei vollem Lohn – für den Zeitraum von einem Jahr, erklärt Projektleiter Krüger, der das Beratungsteam leitet. "Die Idee stammt von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern, die das Projekt federführend verantwortet", sagt Krüger. Die Beratung ist kostenlos und unabhängig, durchgeführt wird sie von Beschäftigten des Berufsförderungswerks Nürnberg. Das Uniklinikum Würzburg hat die wissenschaftliche Begleitung des Projektes übernommen.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage auf Grund psychischer Belastungen und Erkrankungen stetig angestiegen. "Psychische Erkrankungen sind darüber hinaus der Hauptgrund für Frühberentungen infolge von Erwerbsminderung", erklärt Thorsten Krüger. Durch die Teilnahme an den Angeboten von "ZeitRaum" sollen belastete Beschäftigte gestärkt und stabilisiert an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren können. Wie gelingt das?

Psychisch krank, trotzdem arbeitsfähig: Wie das Projekt 'ZeitRaum' belasteten Berufstätigen im Arbeitsleben hilft

"In vielen Fällen kann es schon ausreichen, den betroffenen Personen Werkzeuge mit an die Hand zu geben, mit denen die aktuelle Problemlage zunächst einmal selbst genau identifiziert und betrachtet werden kann", sagt Katrin Dietz, Beraterin am "ZeitRaum"-Standort Würzburg. "Im nächsten Schritt erarbeiten wir gemeinsam einen individuellen Ziel- und Handlungsplan."

In den ersten sechs Wochen einer Erkrankung gibt es in der Regel Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber. Danach übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Zahlung eines Krankengeldes. Bei Jan F. betrug die Entgeldfortzahlung etwa 70 Prozent seines Lohnes. Bei einer stufenweisen Wiedereingliederung, bei der die Arbeitszeit reduziert und dann nach und nach angehoben wird, bleiben Angestellte im Krankenstand und bekommen weiter Krankengeld. "Ich kenne viele Erkrankte, die aus finanziellen Gründen auf eine Eingliederung verzichten", sagt der 45-Jährige.

Der IT-Projektleiter versucht seinen Arbeitsalltag nun Stück für Stück wieder hochzufahren - mit finanzieller Sicherheit im Rücken. "Um meine Finanzen muss ich mir jetzt erst mal keine Sorgen machen." Auch das für diese Leistung vorgeschriebene wöchentliche berufsbezogene Coaching  mit einer Therapeutin täte ihm gut. Der Vorteil der Maßnahme: "Die Tagesstruktur, die Tätigkeit, das Rauskommen, das Gebrauchtwerden und die beruflichen Kontakte bleiben erhalten und es gelingt eine stabilere Rückkehr an den Arbeitsplatz", sagt Beraterin Katrin Dietz.

Zur Beratung können alle Erwerbstätigen kommen

Bislang unterstützt "ZeitRaum" etwa 100 Erkrankte in Unter- und Oberfranken. Zur Beratung können alle erwerbstätige Personen kommen, die sich psychisch belastet fühlen. Bei der Teilhabeleistung gelten dafür deutlich engere Zugangskriterien. So muss eine mehrjährige Berufstätigkeit - ohne psychisch bedingte Krankheitsausfälle - vorausgehen und der Arbeitgebers muss zustimmen. Die akute Verschlechterung des psychischen Zustandes darf natürlich auch nicht durch den Arbeitsplatz bedingt sein. Derzeit müssen die Versicherten auch ihr Rentenkonto bei der DRV Nordbayern haben.

Projekt "ZeitRaum"

Informationen erhalten Interessierte aus Unterfranken von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr telefonisch in der "ZeitRaum"-Beratungsstelle in Würzburg unter (09 31) 30 40 878 – 0.
Per E-Mail sind die Beraterinnen über wuerzburg@zeitraum-franken.info zu erreichen.
Ein Beratungsgespräch kann innerhalb von zwei Wochen nach Kontaktaufnahme stattfinden.
Infos im Internet: www.zeitraum-franken.info
clk
 
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